Ende der Maskenpflicht: Unterschiedliche Reaktionen kommen aus den Schulen
Die Maskenpflicht auf dem Schulhof und in den Klassenzimmern soll in bestimmen Fällen aufgehoben werden. Mancher Schul-Vertreter jubelt, andere haben Zweifel.

Die Maskenpflicht an Schulen ist umstritten. Nun plant das Land, die Regel zu entschärfen: Sofern die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region unter 35 liegt und es zwei Wochen an der Schule keinen Corona-Ausbruch gab, soll die Maskenpflicht im Unterricht an allen Schulformen wegfallen, hat Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) angekündigt. Bereits bei einer Inzidenz von unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern und Woche soll die Maskenpflicht auf den Pausenhöfen abgeschafft werden. Die Verordnung wird in den kommenden Tagen erarbeitet. Laut Schreiben des Kultusministeriums vom 16. Juni, das an alle Schulen ging, sind schon ab kommenden Montag im Landkreis Heilbronn und im Hohenlohekreis Masken im Unterricht nicht mehr verpflichtend.
Schülerin erwartet eine "sinnvolle Strategie"
Annika Haußmann (16) ist Schülerin am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neckarsulm. „Ich persönlich fühle mich unsicher, wenn die Maskenpflicht abgeschafft wird und die Klassenzimmer voll besetzt sind“, sagt sie. „Wenn dort ein Corona-Fall auftritt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, sich anzustecken.“ Noch seien nicht alle geimpft, weshalb die Maske einen gewissen Schutz biete. Die 16-Jährige ist froh, am Präsenzunterricht und am Schulleben teilnehmen zu können. „Die paar Wochen bis zu den Sommerferien werden wir alle auch noch überleben“, sagt sie. „Anstatt nun eine übereilte Entscheidung zu treffen, sollte lieber eine sinnvolle Strategie für das nächste Schuljahr ausgearbeitet werden."
Elterninitiative hofft auf schnelle Umsetzung
Das sehen Eltern anders. „Es geht zu langsam“, sagt Zarah Abendschön-Sawall aus Schwaigern, die zum Vorstand der bundesweiten Initiative Familie gehört. „Wir haben über 30 Grad, die Lehrer sind geimpft, die Schüler getestet“, spricht sie sich für weitergehende Schritte aus. Sie fordert, dass Grundschüler überhaupt keine Masken tragen müssen und an den weiterführenden Schulen bis zu einer Inzidenz von 50 darauf verzichtet wird. Zarah Abendschön-Sawall hofft, dass es klare Regeln auch für den Fall gibt, in denen wieder eine Maske getragen werden muss. Die Erfahrungen der vergangenen Monate hätten aber gezeigt, dass verschärfte Regeln schnell kämen, Lockerungen aber nur zäh.
„Ich bin sehr dankbar, dass die Maskenpflicht fällt“, sagt Diana Deile aus Brackenheim-Neipperg. Sie stand der Pflicht kritisch gegenüber. Kein Problem habe sie damit, wenn Kinder in den Gängen den Schutz tragen, aber im Klassenzimmer dann abnehmen. Sie hofft, dass schon kommende Woche auf die Maske verzichtet werden kann.
Kontaktsport ist an Schulen wieder möglich, aber im Unterricht sollen weiterhin Masken getragen werden. „Das ist nicht konsequent“, findet Claudia Sperrfechter, Elternbeirätin des Justinus-Kerner-Gymnasiums in Weinsberg. Ihrer Meinung nach könne man in der Schule auf die Maske verzichten, weil die Kinder und Lehrer ja getestet würden. Die Stimmungslage unter Weinsberger Familien kann die Elternvertreterin nur erahnen. Sie geht davon aus, dass man geteilter Ansicht sei – es gehe um die Gesundheit.
Schulen setzen weiterhin auf regelmäßige Tests
Infektionsschutz auf der einen Seite, Bequemlichkeit auf der anderen: „Das Spannungsfeld können wir nicht lösen“, sagt Sven Seuffert-Uzler, Elternbeiratsvorsitzender der Kaywald-Schule in Lauffen. Beim Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) liegen die Förderschwerpunkte auf geistiger, motorischer und körperlicher Entwicklung der Kinder. Für viele SBBZ galten lange Zeit eigene Regeln, beispielsweise hatten manche durchgängig Präsenzunterricht. Bei der Rücknahme der Maskenpflicht ist bislang von allen Schulen die Rede, also auch an den SBBZ. Für manches Kind an der Lauffener Einrichtung ändere sich dadurch aber nichts, sagt der Elternvertreter. „Sie sind von der Maskenpflicht befreit.“ Die Gesundheitsfürsorge werde in Lauffen gewährleistet, ist er überzeugt. Zum Hygienekonzept gehörten auch am SBBZ regelmäßige Tests.
Heilbronner Elternvertreter ist skeptisch
„Im Innenraum ist die Ansteckungsgefahr groß“, sagt Christoph Eberlein, der den Gesamtelternbeirat in Heilbronn leitet. In der Stadt liegt zuletzt die Zahl der Neuinfizierten binnen sieben Tage deutlich über den Werten des Landkreises Heilbronn sowie des Hohenlohekreises. Deshalb rechnet Eberlein auch nicht damit, dass in absehbarer Zeit die Maskenpflicht in Heilbronn fällt. Eines betont er aber: Weil im Freien die Ansteckungsgefahr so viel niedriger sei, könne man dort auf den Schutz verzichten. Die neue Virusvariante sorgt ihn. Zur Aussicht, dass Schüler und Lehrer im Klassenraum ohne Abstand und Maske zusammen wären, sagt er: „Das wird zu Problemen führen.“
Für Lehrer geht es zu schnell
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bremst bei den Lockerungen in den Klassenzimmern. „Mir geht es zu schnell“, sagt Harald Schröder, GEW-Sprecher im Raum Heilbronn, und blickt auf neue Virusvariante. Lehrer stünden den Lockerungen kritisch gegenüber, weil sie sich um die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen sorgen. Schwer wäre es, entschärfte Regeln wieder rückgängig zu machen, befürchtet Harald Schröder. Bei einem könne man aber auf Masken verzichten: „Im Freien kann man lockerer sein.“ Marco Haaf, der als Sprecher die Schulleiter der Gymnasien vertritt, freut sich unterdessen für alle, wenn die Maskenpflicht falle. Es sei ein Schritt hin zu Normalität an Schulen. „Zehn Stunden Maske, das bei den Temperaturen, das ist schon heftig.“
Eltern fragen vermehrt nach Befreiungen von der Maskenpflicht für ihre Kinder
In der Praxis von Hans Stechele, Sprecher der Kinder- und Jugendärzte in der Region, ist das Thema Maskenpflicht derzeit wieder sehr präsent, berichtet er. Eltern würden vermehrt nach Befreiungen fragen. Das lehne er jedoch zumeist ab, weil es nur selten eine Grundlage dafür gebe. Lediglich Kinder mit sehr schlimmen Lungenkrankheiten oder mit einer geistigen Behinderung könnten keine Maske tragen. „Natürlich wäre es eine riesen Erleichterung, wenn Kinder keine Maske mehr tragen müssten“, sagt der Kinderarzt. Noch wichtiger sei jedoch, dass wieder verlässlich Präsenzunterricht stattfindet. Wenn das nur mit Maske zu gewährleisten ist, sei das das kleinere Übel. Wechselunterricht sei für Kinder kein großer Gewinn, bringe sogar eher Unruhe. Dass jetzt in Heilbronn zum Beispiel drei Tage Wechsel- und danach wieder Präsenzunterricht stattfindet, könne niemand mehr verstehen. Dieses Hin und Her belaste Schüler viel mehr als die Frage, ob sie Maske tragen müssen oder nicht. „Das ist keine Kleinigkeit“, betont der Kinderarzt.
Kinderarzt sagt: Frei durchatmen auf dem Pausenhof wäre schon ein Gewinn
Ab wann es vertretbar ist, die Maskenpflicht in der Schule komplett aufzuheben, müssten andere beurteilen. Im Freien könne man sie seiner Meinung nach aber sofort abschaffen. Wenn Kinder auf dem Pausenhof frei durchatmen könnten, wäre schon viel gewonnen, sagt Hans Stechele. Er weiß, dass Kinder vermehrt über Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche und das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, klagen, wenn sie den ganzen Tag Maske tragen. Schlimmere gesundheitliche Beeinträchtigungen gebe es aber nicht. In Gesprächen mit seinen jungen Patienten beklage sich keiner aktiv über die Maskenpflicht in der Schule. Das komme hauptsächlich von den Eltern, berichtet Hans Stechele.