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Eltern aus Heilbronn: Grundschulen nicht bereit für den Herbst

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Der Internetanschluss der Grundschule in Heilbronn-Biberach ist immer noch äußerst bescheiden. Andernorts fehlt ein Mindestmaß an gutem Online-Unterricht. Eltern aus Heilbronn blicken mit Sorgen auf den Herbst.

Treffen übers Internet: Über viele Wochen konnten Kinder ihre Lehrer nur in Videokonferenzen sehen. Foto: stock.adobe/Aleksandra Suzi
Treffen übers Internet: Über viele Wochen konnten Kinder ihre Lehrer nur in Videokonferenzen sehen. Foto: stock.adobe/Aleksandra Suzi  Foto: (340957331)

Das Werbeschild gleich an einem Verteilerkasten vor der Grundschule im Heilbronner Stadtteil Biberach wirkt deplatziert. Ein Unternehmen wirbt für sehr schnelles Internet im Ort, doch davon kann die Schule seit Monaten nur träumen. Eine 6000-MBit-Leitung gebe es, sagt Viviane Kalisch, stellvertretende Vorsitzende des Elternbeirats in Biberach. "Richtiger Fernunterricht ist nicht möglich."

Von den Lehrern habe es während der Schulschließung Lernpakete gegeben, dazu dann zwei Mal pro Woche jeweils eine halbe Stunde Videokonferenz. "Wir haben eine gute Lernplattform, die Lehrer sind motiviert, aber sie werden ausgebremst", fordert die Elternvertreterin die Stadt auf, für schnellere Leitungen zu sorgen. Sollte es nach den Sommerferien wieder zu Schulschließungen kommen, wäre es das dritte Schuljahr mit denselben Maßnahmen. "Das ist unter den aktuellen Bedingungen nicht hinnehmbar."

 


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Lehrer organisieren von zu Hause aus die Videokonferenzen

Beim Fernunterricht geht es für Viviane Kalisch nicht allein ums Lernen. "Es ist natürlich Bildungsarbeit, aber auch die sozialen Kontakte sind wichtig." Gerade die Kinder in der Grundschule freuen sich auf ihre Lehrer. Sie wollen auch ihre Mitschüler sehen. Auch deshalb spricht sich die Elternvertreterin für Videokonferenzen aus, die waren aber im Stadtteil Biberach nicht so einfach möglich. Landesweit trugen an den Grundschulen die Lehrer während der Schulschließung auch für jene Kinder die Verantwortung, die zur sogenannten Notbetreuung in die Klassenzimmer kamen. In Biberach wollte eine Lehrerin deshalb einfach mal aus der Schule raus eine Videokonferenz machen, erinnert sich Viviane Kalisch. Nach 15 Minuten habe sie aufgegeben, weil die Verbindung zu schlecht war. Wollten Lehrer ihre Schüler übers Internet sehen, müssten sie das von zu Hause aus machen. 

"Die Grundschulen liegen unterm Radar", sagt Viviane Kalisch. Heilbronn werbe für sich als Wissens- und Bildungsstadt, sagt sie. Jetzt könnte sogar ein Campus für Künstliche Intelligenz in Heilbronn angesiedelt werden. Bei solchen Projekten klappe es mit dem schnellen Internet, wundert sich die Elternvertreterin - aber nicht an den Grundschulen. "Da werden die falschen Prioritäten gesetzt."

 


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Grundschul-Vertreter fordern einen "krisensicheren Unterricht"

Einen "krisensicheren Unterricht" fordert auch Gina Nagel für die Grundschulen. Im Gesamtelternbeirat der Stadt Heilbronn ist sie Vorsitzende des Arbeitskreises Grund- und Sonderschulen. Zusammen mit Markus Henkel hat sie einen "Heilbronner Appell" verfasst, der ans Rathaus, das Staatliche Schulamt in Heilbronn und das Kultusministerium ging. Darin heißt es sehr deutlich: "Präsenzunterricht ist das vorrangige Ziel und die bestmögliche Unterrichtsform", "Digitaler Fernunterricht braucht einheitliche und verlässliche Rahmenbedingungen", "Die Infrastruktur vor Ort muss den Anforderungen des Fernunterrichts entsprechen", "Bildung im Fernunterricht benötigt mehr Personal als normaler Präsenzunterricht", "Der Lernerfolg der Kinder zu Hause muss vom Engagement der Eltern entkoppelt werden", "Alle Lehrkräfte müssen zum nächsten Schuljahr digital erreichbar sein" und "Die Maßnahmen für funktionierenden Unterricht im Winter müssen jetzt vorbereitet werden".

Unter anderem beim letzten Punkt hakt es. Markus Henkel bedauert, dass es immer noch "kein einheitliches Vorgehen" gebe. "Das ist frustrierend."  Das Rathaus verweise ans Land, das Land an die Schulen. Die Schulen seien allein gelassen, wenn es um Online-Unterricht gehe. "Man muss die Bildungsverantwortlichen stärker in die Pflicht nehmen", sagt er. "Jeder stiehlt sich aus der Verantwortung." Kritisch sehen die Autoren des Appells auch, dass in den zurückliegenden Monaten wenig getan wurde, um etwas zu verändern. Weiterhin werde in Schulen nur auf Lüften, Maske und Abstand gesetzt. Der Haken daran: Das habe man auch im vergangenen Herbst gemacht, "und die Schulen wurden geschlossen", erinnert er. 

Schulen mit Breitbandanschluss reichen nicht aus, betonen die Verantwortlichen. "Einen Laptop zu besitzen heißt nicht, dass man ihn auch bedienen kann", weiß Gina Nagel. Sie spricht sich deshalb für klare Videokonferenzen aus, auch als Motivation für die Kinder.

 


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Schulen können voneinander lernen

Den "Heilbronner Appell" sehen die Autoren nicht als Kritik. Gina Nagel sagt, dass beispielsweise Rektoren und Lehrer voneinander lernen könnten. Was lief gut, was nicht? Auf einen Mindeststandard sollte man sich allerdings verständigen. Das sei derzeit nicht der Fall. "Es ist kein Wille da, es zu vereinheitlichen", sagt Markus Henkel. Das bedauert er. Für ihn ist kein Bemühen zu erkennen, der besonderen Situation an Grundschulen gerecht zu werden. Ob sich bis zum Herbst 2021 etwas ändert? Ernüchtert ist er und fürchtet zugleich, dass Reiserückkehrer Corona mitbringen und es neue Virus-Mutationen geben könnte. "Auf jeden Fall", sagt er, würden Schulen wieder geschlossen.

Viel benötige es doch nicht, dass der Unterricht auch auf Distanz gut wird. Markus Henkel: "Es braucht keine übermenschlichen Anstrengungen."

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Kommentare

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Markus Henkel am 19.07.2021 12:41 Uhr

Bislang sieht es nicht danach aus, als ob geeignete Vorbereitungen für Klassenzimmer getroffen werden, damit die Infektionszahlen im neuen Schuljahr nicht steigen. Dabei ist der Nutzen von entsprechenden Luftfiltern (zusätzlich zu anderen Maßnahmen) aerosolwissenschaftlich mittlerweile unbestritten. Auch eine Umstellung der Teststrategie wäre sinnvoll: Weg von den ungenauen Nasen-Antigen-Schnelltests hin zu Gurgel- oder Lolli-PCR-Pooltests, die klassenweise viel genauer und früher Infektionen anzeigen und damit Infektionsketten unterbrechen können.

Leider steht zu befürchten, dass die Politik diesen Herbst Schulen auch ohne geeignete und erweiterte Schutzmaßnahmen offenhalten möchte. Noch-Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat ja bereits angekündigt, dass erneute Schließungen unbedingt vermieden werden sollen. Die Kinder haben nur nichts davon, wenn Schulen offen bleiben und es mangels geeigneter Schutzmaßnahmen ständig Infektionen gibt, bei denen dann die ganze Klasse in Quarantäne muss. Deshalb verlangen wir Eltern ja auch sichere Bildung! Sicher – mit Schutz vor Infektionen, aber auch sicher, dass die Kinder etwas lernen. Wir können uns kein drittes verlorenes Schuljahr leisten!

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