Elf Bauten der Region im Rennen um Hugo-Häring-Landespreis
Schulen, Hochschulen, Umbauprojekte: So viele Preisträger für den "Kleinen Hugo" gab es noch nie. Der "Große Hugo" wird 2018 vergeben.
Es gibt Architektur, die stumm ist. Einige Häuser reden und ganz wenige singen sogar. Für Gerd Gassmann gehören die Preisträger der regionalen Hugo-Häring-Auszeichnung zur Kategorie der sprechenden oder sogar singenden Gebäude. Gassmann ist Architekturprofessor in Karlsruhe und war Juryvorsitzender. 50 Architekten und Bauherren aus der Region haben um die erste Auszeichnungsstufe für den Hugo-Häring-Architekturpreis konkurriert, den "Kleinen Hugo": Das sind so viele wie noch nie.
Elf Preisträger - Neubauten wie Umbauten - sind ebenfalls ein neuer Rekord. "Alle haben gewonnen, die ihre Arbeiten eingereicht haben", sagt Gassmann bei der Preisverleihung im Carmen-Würth-Forum in Künzelsau-Gaisbach. Der Bau von David Chipperfield gehört ebenso zu den ausgezeichneten Bauten.
Mäzene wie Würth und Schwarz
Für den Heilbronner Architekten Markus Teske, Kreisgruppenvorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA), ist das große Interesse ein "Indikator für die rege Bautätigkeit" in der prosperierenden Region. Vor allem das Mäzenatentum wirke: Bei zwei der ausgezeichneten Gebäude heißt der Bauherr Würth. Neben dem Carmen-Würth-Forum ist die Würth-Akademie preiswürdig.
Hinter zwei weiteren Bauten, sie gehören zum Heilbronner Bildungscampus, steht die Schwarz-Gruppe. "Die Region kann dankbar sein, aber darf sich nicht ausruhen", betont Teske. Die Architekturqualität gehe noch nicht in die Breite, sondern finde sich überwiegend bei öffentlichen und ein paar herausragenden privaten Gebäuden.
Vollwärmeschutzmafia und Mangel an Qualität
Gerd Gassmann lobt die hohe Qualität der eingereichten Architektur, doch auch für ihn gilt: "An den anderen 99 Prozent müssen wir arbeiten." Gassmann geht hart ins Gericht mit der "Vollwärmeschutzmafia, die sprechende Häuser zum Schweigen bringt". Davon habe er bei der Rundfahrt der Jury in der Region viele gesehen. Auch in Neubaugebieten vermisst der Architekt eine gute Bauqualität im Sinne des Philosophen Paul Valéry, auf den er sich beruft: "Da finden Sie keine sprechenden Häuser, sondern tot gedämmte mit ebenso toten Augen."
Architekturpreise hält Markus Teske für ein gutes Mittel, um regionale Baukultur zu fördern und um Interesse dafür zu wecken. Auch in Architekturwettbewerben sieht er ein wichtiges Instrument für qualitätsvolles Bauen. Gestaltungsbeiräte in den Kommunen gehören für den BDA-Architekten ebenso dazu - in Heilbronn wurde das Gremium vor Jahren jedoch eingespart.
Architektur zum Wohlfühlen
Harald Unkelbach, Würth-Geschäftsführer, IHK-Präsident und 2014 Hugo-Häring-Jurymitglied, freut sich in seinem Grußwort über die zunehmende Bereitschaft von Unternehmen, in die Architektur ihrer Firmengebäude zu investieren. Ob gute Architektur entstanden sei, ließe sich aber nicht nur am Jury-Urteil messen, sondern an den Nutzern der Bauten, "die sich darin wohlfühlen müssen." Unkelbach sieht auch einen direkten Zusammenhang zwischen guter Architektur und guter Arbeit: Die entstehe nur dort, wo sich Mitarbeiter gerne aufhalten.
Zwei stolze Bürgermeister
Mit der Stadt Lauffen setzt auch eine Kommune auf Bauqualität - und wurde mit der Hugo-Häring-Auszeichnung belohnt. Dass die Bereitschaft gewürdigt wurde, begeistert Lauffens Bürgermeister Klaus-Peter Waldenberger. Ausgezeichnet wurde die neue Sporthalle. Der Ansatz des Gemeinderats habe sich als richtig erwiesen, städtebauliche Wettbewerbe auszuloben. Das sei bei einer Stadt von der Größe Lauffens mit rund 11 000 Einwohnern keine Selbstverständlichkeit, betont der Landkreis-Bürgermeister.
Stolz ist auch sein Heilbronner Kollege, Baudezernent Wilfried Hajek, über die Auszeichnung von zwei Projekten unter städtischer Regie. Dass der Platz am Bollwerksturm dabei ist, erfüllt Hajek mit Genugtuung: "Dafür wurden wir viel kritisiert." Jetzt seien alle begeistert.
Für die Architektur des technischen Schulzentrums zeichnet das Hochbauamt der Stadt verantwortlich: "Das zeigt, wie leistungsfähig wir sind. Ich bin gespannt, ob es der Umbau noch weiter schafft", sagt Hajek, der auf den Landespreis, einen "Großen Hugo" hofft, der 2018 vergeben wird.
Mit einem Kupferkleid wurden die Werkstätten für Metallberufe umhüllt - und Jurymitglied Gunther Stilling zeigt sich in seiner Laudatio höchst angetan: Bei den Schweißwerkstätten "durfte ich etwas erleben, das ich als Kraft bezeichnen möchte". Das habe ihn "berührt, bewegt und irritiert". Die Oxydation des Kupferblechs erzeuge eine poetische Atmosphäre, die der harten Kontur einen Zauber verleihe. Ein "gewisses Quantum an Erlebnisfähigkeit und Willen" müsse der Betrachter allerdings mitbringen. Um einer sprechenden Architektur zu lauschen.
Alle elf Preisträger auf einen Blick
Carmen-Würth-Forum, Gaisbach (Chipperfield); Technisches Schulzentrum Heilbronn (Hochbauamt); Hof 8, Weikersheim (Klärle); Bildungscampus 7+8 (Glück+Partner); Sporthalle Lauffen (mvm + starke); "Ausgezeichnete Architektur II" am 17. Oktober mit Sanitätsversorgungszentrum (Simon); Akademie Würth, Gaisbach (Allmann Sattler Wappner); Platz am Bollwerksturm, Heilbronn (Biegert), Bildungscampus III (Auer Weber); Realschule Osterburken (BJW Architekten); Loft-Umbau Heilbronn (Herzog+Herzog).
Verfahren für den Hugo-Häring-Preis und Ausstellungen
In Architekturkreisen hat der seit 1969 mittlerweile alle drei Jahre vergebene Hugo-Häring-Preis für vorbildliche Bauwerke in Baden-Württemberg einen hohen Stellenwert und gilt auf Landesebene als der bedeutendste Preis. Die Auszeichnung wird an Architekten und Bauherren gemeinsam vergeben und soll damit die Bedeutung beider Seiten zum Ausdruck bringen. Ausgelobt wird er vom Landesverband Baden-Württemberg des Bundes Deutscher Architekten (BDA).
Das Verfahren ist zweistufig: Zunächst können auf der Ebene der 14 Kreisgruppen Architekten und Bauherren Projekte einreichen, deren Fertigstellung maximal zehn Jahre zurückliegt. Eine Jury wählt daraus die Preisträger des Kleinen Hugo. Im darauffolgenden Jahr werden dann die Hugo-Häring-Landespreise, umgangssprachlich Großer Hugo, vergeben. Benannt ist der Preis nach dem Architekten Hugo Häring. Damit will sich der BDA zur Tradition des "neuen Bauens und der modernen Architektur"bekennen. Der 1882 in Biberach geborene Architekt und Architekturtheoretiker Häring hatte sich gleichermaßen gegen abstrakte Formgesetze wie gegen subjektive Architekturauffassung gestellt und sich für die Förderung der Baukultur stark gemacht.
50 Projekte wurden im BDA-Bezirk Heilbronn-Franken für die Hugo-Häring-Auszeichnung 2017 eingereicht. Zur sechsköpfigen Jury gehörten vier Architekten: als Juryvorsitzender Gerd Gassmann aus Karlsruhe, Barbara Brakenhoff, Mitarbeiterin bei der Bundesgartenschau, Michael Jöllenbeck aus Wiesloch und Thomas Steimle aus Stuttgart. Jurymitglieder waren auch der Bildhauer Gunther Stilling aus Güglingen und als Vertreterin der Presse Stimme-Redakteurin Bärbel Kistner.
Inselspitze
Am Donnerstag sind alle Projekte noch im Carmen-Würth-Forum in Gaisbach zu sehen. Mit den elf Preisträgern gibt es ab Donnerstag, 19. Oktober, eine Schau im Knotenpunkt Inselspitze Heilbronn, sie dauert zehn Tage. Ab 6. November werden die Tafeln mit allen 50 Projekten auf dem Bildungscampus gezeigt.