Eine Denkfabrik für Lidl und Kaufland
Warum der Schwarz-Campus im Gebiet Obere Fundel in Bad Friedrichshall für die Gruppe so wichtig ist.

Die Geschwindigkeit, in der sich die Handelslandschaft verändert, ist Schwindel erregend. „Aber sie wird nie wieder so langsam sein wie heute“, ist Gerd Chrzanowski überzeugt. Als Vorstandsvorsitzender der Schwarz Zentrale Dienste KG ist es seine Aufgabe, der Unternehmensgruppe mit Kaufland und Lidl die digitalen Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, mit der sie diesen Wandel bewerkstelligen können.
„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden“, zitiert Chrzanowski einen der Leitsätze der ehemaligen Chefin des IT-Konzerns HP, Carly Fiorina. Das bedeutet, dass sich die Arbeitsweise der Mitarbeiter verändern wird. In den Filialen von Lidl und Kaufland, aber auch in den Unternehmenszentralen in der Region.
Denkfabrik der Unternehmensgruppe
In Beton und viel Glas wird sich das im Gebiet Obere Fundel in Bad Friedrichshall manifestieren: Der dortige Schwarz-Projekt-Campus soll quasi zur Denkfabrik der Unternehmensgruppe werden, die nach dem jüngsten Ranking des Beratungshauses Deloitte mit einem Umsatz von knapp 100 Milliarden Euro noch der viertgrößte Händler der Welt war.
Spätestens durch die Übernahme der amerikanischen Supermarktkette Whole Foods ist der Online-Riese Amazon an den Neckarsulmern aber inzwischen vorbeigezogen. Nicht nur beim Umsatz, auch architektonisch ist der US-Konzern auf der Überholspur: Mit den Spheres – zu Deutsch Sphären – hat der Online-Gigant direkt neben der Unternehmenszentrale in Seattle eine Denkfabrik gebaut, in der 40 000 Pflanzen aus aller Welt den Mitarbeitern eine Verbindung zur Natur schaffen sollen. Und ein möglichst kreatives Arbeitsumfeld.
Zick-Zack-Kurs bei Digitalisierung
Auch wenn eine Digitalisierungsstrategie der Schwarz-Gruppe nach dem Zick-Zack-Kurs der vergangenen Jahre noch immer nicht klar erkennbar ist: Dass Nummer Fünf lebt, das zeigt sich unter anderem an der Entscheidung, das SAP-Projekt Elwis zu stoppen: Die Warenwirtschaft bei Lidl sollte auf ein neues System umgestellt werden, das in vier der knapp 30 Lidl-Länder schon eingesetzt wurde. Eine knappe halbe Milliarde Euro hatten die Neckarsulmer in dieses neue System investiert.
Die Umsetzung wäre aber noch teurer geworden; die strategischen Ziele seien „nicht mit vertretbarem Aufwand“ erreichbar, hieß es in einem Brief an die Mitarbeiter. Die Weiterenwicklung des alten, selbst programmierten Systems kommt unter dem Strich nicht nur günstiger, sondern ist „im Ergebnis flexibler und eigenständiger“, wie es in dem internen Schreiben des Lidl-Vorstands weiter heißt. Das Tempo zählt.
"Kommunikation ist viel mehr als ein Meeting"
Elwis ist tot, eines ist aber klar: Ohne Digitalisierung der Prozesse kann das Unternehmen seinen Platz an der Spitze nicht halten – das hat auch Gruppen-Chef Klaus Gehrig erkannt, der Chrzanowski beim Bad Friedrichshaller Projekt-Campus den Rücken stärkt. Dort will die Schwarz-Gruppe nämlich die räumlichen Voraussetzungen für das neue Tempo schaffen, indem Mitarbeiter der IT und anderer Fachbereiche besser zusammenarbeiten können. „Kommunikation ist viel mehr als ein Meeting“, weiß Chrzanowski.
Nicht nur bekannte Systeme wie Kassen, Apps oder Online-Shops sollen die bis zu 5000 Mitarbeiter in der Endausbaustufe der Schwarz-Denkfabrik weiterentwickeln, sondern auch ganz neue Geschäftsmodelle, die sich an das Bisherige anlehnen. Amazon etwa verdient nicht nur mit dem Versand von Büchern and anderen Waren viel Geld, sondern auch mit dem Betrieb von Rechenzentren. Ob es auch einmal eine Schwarz-Cloud geben wird?
Kindertagesstätte und Restaurant
Entsprechend flexibel ist die Raumaufteilung der Gebäude, die das Kölner Büro JSWD für die Schwarz-Gruppe geplant hat. „Die Welt wird immer komplexer. Lösungen für morgen kann man nicht alleine im Kämmerle entwickeln“, sagt der SZD-Chef. Andererseits soll das Ambiente auf der Oberen Fundel samt Kindertagesstätte und Restaurant die Schwarz-Gruppe attraktiv für die besten Köpfe der Branche machen. Und für junge Mitarbeiter aus der Region, die ihr Glück nicht in der Ferne suchen, sondern vor Ort an die Aufgaben herangeführt werden sollen, die Lidl und Kaufland in den kommenden Jahren vor sich haben. Denn: Wer stehen bleibt wird überholt – nicht nur von Amazon.
An Seerosenblätter sollen die sieben überirdischen Häuser auf dem Campus erinnern, der mit viel Grün nicht als urbane Bürolandschaft sondern wie ein Park daherkommen soll. Auch keine Hochhäuser und keinen Betonkomplex wie an Neckarsulmer Stiftsbergstraße, wo das Unternehmen vor 15 Jahren noch glaubte, Expansionsflächen im Überfluss zu haben.
Langfristige Planung
„Bad Friedrichshall wird uns eine ganze Weile reichen“, ist Josef Klug überzeugt, der bei der Schwarz-Gruppe mit der Entwicklung der Immobilien betraut ist und auf eine langfristige Planung Wert legt. Außerdem möchte das Unternehmen von den mehreren Duzend Mietstandorten in der Region wegkommen, die bisher für lange Wege zwischen den Abteilungen sorgen und auch viel Geld kosten. Auf dem Projektcampus werden die Mitarbeiter über eine Art Laubengang trockenen Fußes von Gebäude zu Gebäude gehen können. Und aus ihren lichtdurchfluteten Büros den Blick in die Landschaft genießen können.
Einen botanischen Garten wie bei Amazon in Seattle wird es in Bad Friedrichshall aber nicht geben: Bodenständigkeit ist ein weiteres Attribut, das Chrzanowski dem JSWD-Entwurf zubilligt. Und nicht nur er: Die Spitze der Gruppe hat die Architektur im Grundsatz abgesegnet.