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Eine App für ein langes, gesundes Leben?

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Die DHBW Heilbronn forscht zu personalisierter Ernährung, bei der etwa Alter, Geschlecht und Gene eine Rolle spielen. So sollen Menschen individuelle Ernährungsvorschläge bekommen, zum Beispiel per App. Eine große Herausforderung des Projekts ist der Datenschutz.

von Annika Heffter

Individuell, umweltfreundlich und gesund - das soll die Ernährung der Zukunft sein. Zumindest arbeiten Forscher der DHBW Heilbronn an dieser Vision - und haben das Kooperationsprojekt "Personalisierte Ernährung" gestartet. Um den Bereich möglichst ganzheitlich abzudecken, sind unterschiedliche Experten mit von der Partie: Mediziner, Ernährungswissenschaftler, Biologen und sogar Forscher im Bereich Künstliche Intelligenz (KI).

Das große Ziel des Projekts: "Jeder sollte in Zukunft das Anrecht darauf haben, eine Ernährungsempfehlung zu bekommen, die die individuelle Gesundheit am meisten fördert", sagt einer der Forscher, Dr. Alexandr Parlesak. Bisherige Empfehlungen würden sich an einem Durchschnitt orientieren, der auf viele Menschen so pauschal nicht zutreffe. Mit einem individuelleren Plan, betont er, könnten nicht nur Lebensjahre dazugewonnen, sondern auch deren gesundheitliche Qualität erhöht werden.

Faktoren wie Geschlecht, Alter, Gene und Darmflora spielen eine Rolle

Im ersten Schritt des Projekts untersucht das Team den aktuellen Forschungsstand und definiert, worauf es bei personalisierter Ernährung ankommt. "Das sind zum Beispiel Faktoren wie das Geschlecht und Alter, aber auch die Gene und das Auftreten einer bestimmten Darmflora", erklärt Parlesak. Bis November soll dieser Schritt abgeschlossen sein. Dann folgen weitere, zum Beispiel die Einbindung von KI, um Daten zusammenzubringen, auszuwerten und jedem einzelnen Menschen möglichst genaue Empfehlungen geben zu können.

Per App die individuelle Ernährungsempfehlung bekommen

Und schließlich sollen die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in der Hochschule verstauben, daher plant die DHBW Kooperationen mit Unternehmen, Start-Ups und der Politik. Konkret, erzählt Projektleiterin Professor Katja Lotz, solle jeder etwa über eine App auf dem Handy an die individuelle Ernährungsempfehlung herankommen können.

Aber dürfen wir dann überhaupt noch essen, worauf wir Lust haben? Das DHBW-Team sagt: Ja. Und nicht nur das: "Der ganzheitliche Ansatz führt ja gerade dazu, dass das Individuum gesehen wird", sagt Forscherin Dr. Anke Stoll-Hertrampf. Jeder Mensch habe, zum Teil schon seit der Kindheit, Ernährungsvorlieben und Muster. "Die personalisierte Ernährung passt sich an die Lebenswelt an, damit auch Motivationshürden nicht zu groß sind", erklärt Stoll-Hertrampf. Der Motivationsfaktor, sagt Katja Lotz, könne zum Beispiel auch noch über ein spielerisches Element in der App erhöht werden.

Zudem bedeute ein individueller Plan auch eine Erleichterung. "Viele können oder wollen nicht viel Zeit in die Ernährung investieren", sagt sie. Vorschläge und Rezepte könnten so auch das Alltagsmanagement erleichtern. Dadurch könnten die Nutzer im besten Fall auch neue Gerichte oder Lebensmittel kennenlernen, die sich mit ihrem Geschmack decken, ergänzt Wissenschaftlerin Kathrin Friedrichs.

Zusätzlich soll es bei dem Projekt auch um Nachhaltigkeit gehen, sodass man zum Beispiel bei den Lebensmittelvorschlägen auch ökologische Aspekte wie Herkunft und Saisonalität der Produkte mit sehen und einbeziehen könne.

Nutzer stellen Daten zu Kaufverhalten und Gesundheit freiwillig bereit

Damit die Umsetzung in der Praxis funktioniert, stellen sich die Forscher vor, dass Nutzer auf freiwilliger Basis Daten über ihr Kauf- und Ernährungsverhalten, zum Beispiel über das Scannen von Kassenbons, sowie ihren gesundheitlichen Zustand teilen. Das wiederum führt zu einer der großen Herausforderungen des Projekts: dem Datenschutz. Immerhin geht es dabei um eine riesige Menge, auch sensibler, medizinischer Daten, etwa Vorerkrankungen oder DNA-Analysen, die nicht in die falschen Hände gelangen dürfen. Krankenkassen könnten sie zum Beispiel nutzen, um Beiträge von Menschen zu erhöhen, die sich nicht an die Vorschläge halten. Eine Veröffentlichung der Daten, etwa von Hackern, könnte zu sozialer Ächtung führen.

Zur Lösung dieses Problems, sagt Katja Lotz, könne "eine Zentralstelle" geschaffen werden, die sicherstelle, dass die Daten ausschließlich bei den Nutzern blieben. Wie genau diese aussehen und wo sie angesiedelt sein würde, ist noch offen. Erst, wenn es an die Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Politik geht, wird es hier konkreter werden müssen.

Fachkongress

Erste Ergebnisse des Forschungsprojekts werden am 5. Oktober bei einem internationalen Fachkongress auf dem Heilbronner Bildungscampus vorgestellt. Auch künftige enge Projektpartner wie Lars Steinmetz, Professor für Genetik an der Stanford University, oder Uwe Martens, Direktor der Klinik für Innere Medizin der Heilbronner SLK-Kliniken, sind dabei. Themen der Vorträge sind unter anderem "Genbasierte Ernährungsempfehlungen zur Gewichtsreduktion", "Alkohol in der Personalisierten Ernährung" und "Chancen für den Handel".

 

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