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"Wie im Krieg": Was DRK-Helfer aus der Region im Katastrophengebiet erleben

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Freiwillige aus der Region unterstützen mit drei Fahrzeugen unter anderem bei der Evakuierung eines Pflegeheims.


Noch am Donnerstagabend waren sechs Helfer des DRK aus der Stadt und dem Landkreis Heilbronn mit drei Fahrzeugen unterwegs ins Katastrophengebiet. In der Nacht trafen sie in der Gemeinde Grafschaft im Landkreis Ahrweiler ein. Die Situation vor Ort sei dramatisch, berichtet René Rossow, Beauftragter für Katastrophenschutz beim DRK Heilbronn.

Bereits in der Nacht auf Freitag versorgten die Helfer aus Heilbronn Menschen, die das Unwetter hart getroffen hatte. So unterstützten sie das Technische Hilfswerk und die Feuerwehr bei der Evakuierung eines Pflegeheims. Die Bewohner, viele von ihnen in Rollstühlen sitzend, seien mit Radladern gerettet und anschließend auf Feuerwehr-Lkws gesetzt worden. Mit diesen wurden sie dann zu den DRK-Krankenfahrzeugen gebracht und von dort in umliegende Hallen.

"Wir haben Getränke und Lebensmittel und Wärmedecken aus Heilbronn mitgenommen, geben sie an die Opfer weiter", sagt Markus Weber, Bereitschaftsleiter beim DRK Leingarten und im Landkreis Ahrweiler nun ein DRK-Kontingentführer. "Es hieß ja schon vorab auch für uns: Selbstversorgung, denn in der Peripherie dort gibt es nichts mehr."

 


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Helfer: "Das ist echt heftig hier, wie im Krieg"

73 Menschen hätten sie bereits geholfen, sagt Weber am Freitagvormittag. "Und es gibt hier ja Ortschaften, da war noch gar keiner", so Weber. Es fliege dauerhaft ein Hubschrauber hin und her, immer wieder machten Hausbewohner zum Beispiel mit Bettlaken auf sich aufmerksam. "Da sind Gewaltmassen über diese Region hereingebrochen, das ist unvorstellbar." Überall sieht Markus Weber Autos, die von der Straße gespült wurden, auch Wohnwagen. "Das ist echt heftig hier, wie im Krieg. Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man nicht selbst da war."

Die 10.000-Einwohner-Gemeinde Grafschaft liegt an der nördlichen Landesgrenze von Rheinland-Pfalz zu Nordrhein-Westfalen, im Osten der Eifel. Die Ahr ist sonst eher Flüsschen als Fluss. Markus Weber beschreibt zerstörte Brücken. Katastrophenschutz-Beauftragter Rossow steht mit dem Team vor Ort in Kontakt, das Einsatz-Tagebuch wird in Heilbronn geführt.

Örtlicher Rettungsdienst ist teilweise handlungsunfähig 

"Unsere sechs Helfer waren die ganze Nacht im Einsatz", sagt Rossow am Freitagmorgen, "und jetzt geht es schon weiter." Mit den drei Fahrzeugen - einem Kommandowagen, zwei Krankentransportwagen - und den weiteren Fahrzeugen im Kontingent übernähmen sie aktuell auch den üblichen Rettungsdienst in Grafschaft mit, weil der örtliche Rettungsdienst teilweise handlungsunfähig sei und viele Gebiete gar nicht mehr erreichen könne.

Spenden

Gespendet werden kann über Hotline von "Gemeinsam gegen die Flut" unter der Telefonnummer 01802 252530. Spenden direkt an das DRK sind hier möglich.

So schnell wie in diesem Fall habe man noch nie einen Einsatz in einem Katastrophengebiet auf die Beine gestellt, sagt Rossow. Die Leitung der DRK-Kreisbereitschaft sei sehr stolz auf die schnelle Reaktion und vor allem die engagierten Freiwilligen. Rossow berichtet, Thomas Schenk vom DRK-Ortsverein Bad Friedrichshall sei am Donnerstag gerade zufällig bei der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal gewesen, von wo aus die Kontingente aufgeteilt und nach Rheinland-Pfalz verlegt wurden. Rossow: "Thomas Schenk hat gleich gesagt: Bringt mir meine Reisetasche und Zahnbürste mit, ich fahre mit."

Schwierig sei es aber momentan mit der Kommunikation. "Die Handynetze im Katastrophengebiet sind komplett überlastet", sagt Rossow. Falls noch Helfer aus Heilbronn nachgeschickt werden sollen, stünden bereits weitere Freiwillige zur Verfügung.

Heilbronner THW auch vor Ort

Auch der Heilbronner Ortsverband des Technischen Hilfswerks schickte noch am Donnerstagabend 15 Helfer ins Katastrophengenbiet. Nach Angaben des Ortsbeauftragten Andreas Grauli sind sie mit mehrere Großfahrzeugen und Booten in die Stadt Hermeskeil nach Rheinland-Pfalz aufgebrochen, die sie in der Nacht um 1.30 Uhr erreichten. Sie unterstützen dort die bereits eingesetzten Kräfte. Zudem sei ein Helfer für das Einsatz-Nachsorgeteam in das Krisengebiet rund um Koblenz beordert worden, wo die Helfer und belastete Menschen aus der Bevölkerung psychisch betreut werden.

 

Baden-Württemberg hilft nach Hochwasser Rheinland-Pfalz

Baden-Württemberg schickt immer mehr Helfer ins Nachbarland Rheinland-Pfalz nach den Unwettern dort. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte am Freitag in Stuttgart: „Am gestrigen Abend und in den Nachtstunden haben wir die Unterstützung deutlich ausgeweitet und weitere rund 600 Einsatzkräfte von Sanitätsdienst, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk zur Unterstützung entsandt.“ Ein weiterer Polizeihubschrauber mit Höhenrettern der Feuerwehr Stuttgart solle ins Einsatzgebiet im Landkreis Ahrweiler fliegen.

Zudem seien aus dem Südwesten unter anderem 100 Krankentransportwagen mit 200 Einsatzkräften der Hilfsorganisationen sowie 15 Hochwassereinheiten der Feuerwehren mit insgesamt rund 300 Menschen in Rheinland-Pfalz. Schon am Donnerstag waren Strobl zufolge ein Polizeihubschrauber mit Feuerwehrleuten des Höhenrettungsdienstes der Berufsfeuerwehr Stuttgart sowie der Rettungshubschrauber Christoph 54 mit Luftrettern der Bergwacht Schwarzwald im Einsatz. „Allein durch den Polizeihubschrauber wurden 37 Menschen vor den Fluten gerettet.“ dpa

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