Drei Frauen erzählen, wie sie Job und Familie unter einen Hut bekommen
Eine Studie der Hochschule Heilbronn sieht keine klare Rolle rückwärts von Müttern während der Corona-Krise. Zum internationalen Frauentag geben drei sehr unterschiedliche Frauen aus Heilbronn Einblicke in ihr Leben.
Sie stemmen die Erziehung von vier Jungs und führen gleichzeitig ein Geschäft, sind alleinerziehend und in Vollzeit berufstätig oder müssen sich selbst als Professorin in die Mathe-Aufgaben fürs Homeschooling eindenken: Zum internationalen Frauentag geben drei sehr unterschiedliche Frauen aus Heilbronn Einblicke in ihr Leben.
Die Generation der heutigen Rentnerinnen brauchte bis 1977 die Erlaubnis des Ehemannes, um arbeiten zu gehen
Oft bleibt es ein Spagat zwischen Berufstätigkeit und Familie, auch wenn Frauen, was ihre Rechte angeht, bis heute viel erreicht haben. So brauchte die Generation heutiger Rentnerinnen bis 1977 die Einwilligung ihres Ehemannes, um überhaupt arbeiten zu dürfen. Erst seit 1962 können Frauen ein eigenes Bankkonto eröffnen, und bis in die 70er Jahre hinein war es ihnen nur gestattet, Dinge des täglichen Bedarfs zu erwerben, aber keine größeren Anschaffungen zu tätigen. Das Wahlrecht haben Frauen seit 1918, und Vergewaltigung in der Ehe ist sogar erst seit 1997 strafbar.
Männer und Frauen wünschen sich eine gleichmäßigere Verteilung, das ist das Ergebnis einer Heilbronner Studie
Eine "Rolle rückwärts" in der Corona-Zeit, in der Frauen die Hauptlast von Home-office und Homeschooling tragen, hatte Soziologin Jutta Allmendinger in einer Studie festgestellt. Eine Studie der Heilbronner Hochschule von Nicola Marsden mit 1000 Teilnehmern im Herbst 2020 sieht keine klare Retraditionalisierung. Das Ergebnis: Männer und Frauen wünschen sich eine gleichmäßigere Verteilung, auch wenn die Realität teils anders aussehe.
Um "Frauen und Recht" geht es heute auch beim Online-Vortrag von Professorin Angelika Nußberger, ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Sie referiert beim Online-Empfang zum Frauentag mit Oberbürgermeister Harry Mergel und Frauenbeauftragter Silvia Payer um 17 Uhr auf webex.de.
Monika Shahid: 36 Jahre, Boutiquebesitzerin, hat vier Jungs

Wenn ich mich unterkriegen lassen würde, dann wäre mein Leben nicht mehr schön. Aber wenn noch ein Lockdown kommt für unsere Boutique "bewundert" im Bismarckpark, dann sieht es gar nicht rosig aus. Es hört sich für manche ungewöhnlich an heutzutage, aber ich ziehe meine Kraft aus dem Gebet. Das ist der Grund, warum ich das alles schaffe. Ich bin Christin, mein Mann ist Moslem indisch-pakistanischer Herkunft. Wir diskutieren auch, aber wir teilen dieselben Werte. Das merken wir auch in der Erziehung unserer vier Söhne.
Junes ist fünf, Danial zehn, Benjamin 15 und Philip 17 Jahre alt. Ich bin sehr dankbar für meine Jungs, jeder ein ganz anderer Charakter, jedes Kind ist eine Erfüllung. Ob Junge oder Mädchen, das war mir immer egal. Ich finde es gut, dass sie Musik machen und Sport, auch wenn der Fußball jetzt sehr fehlt.
Die Größeren gehen aufs Mönchseegymnasium, Schule ist mir wichtig. Daheim hat jeder seine Aufgaben. Danial ist fürs Tischdecken und Socken zusammenlegen zuständig, Benjamin saugt die Wohnung, Philipp hält das Bad in Schuss. Ich würde eher alles schnell selber machen, aber mein Mann pocht darauf, dass jeder seinen Beitrag leistet. Auch wir teilen uns die Arbeit. Wir putzen beide, wir kochen beide. Trotzdem: Jeder Tag ist eine Herausforderung, ständig passiert Unvorhergesehenes. Der eine hat Knieprobleme, der andere Kummer.
Wenn wir nicht am selben Strang ziehen würden, wäre es für mich sehr schwer. Mit der Boutique führen wir ein Familienunternehmen, und das war auch mein Traum. Wir haben das Geschäft vor fünf Jahren gekauft, da war Junes drei Monate alt und Danial ein Kindergartenkind. "Lieber schlecht begonnen als perfekt verzögert", haben wir uns gesagt. Babybett und Still-ecke hatte ich in einem abgetrennten Bereich. Wenn das Baby geschrien hat, sind die Kundinnen später nochmal gekommen. Die Resonanz war sehr positiv, Kundinnen mit Baby waren froh, hier stillen zu können.
Gerade sind wir aus unserer Wohnung in Heilbronn in ein Haus nach Leingarten gezogen, und wegen Corona ist auch im Geschäft sehr viel zu tun. Ich habe den dreifachen Aufwand und bei Weitem nicht den Abverkauf wie sonst. Ich fotografiere die Sachen und stelle sie in meinen Handy-Status und auf Instagram. Das habe ich in reduzierterem Rahmen immer so gemacht, weil wir hier recht versteckt sind. Daran konnte ich zum Glück anknüpfen. Dann melden sich die Kundinnen, bestellen, und ich packe ihnen alles zum Abholen ein, damit sie es daheim anprobieren können. Im März kommt sehr viel Ware, wir müssen schauen, dass uns das nicht überschwemmt. Ein Workaholic war ich schon immer, mein Tag hat gefühlt nie 24 Stunden.
Mode war schon immer meine Leidenschaft, ich bin mit Stoffen aufgewachsen, meine Mutter ist Schneiderin. Mit 19 Jahren bin ich zum ersten Mal Mutter geworden, dabei wollte ich eigentlich Abitur machen. Stattdessen bin ich in die Modebranche reingerutscht, war bei Konstanze Hochheimer in Heilbronn, mein Mann beim Men"s Shop von Edgar Hochheimer. Auch jetzt arbeitet er noch freiberuflich als Disponent und geht auch für uns auf Messen. Ich hätte das alles nicht geschafft, wenn ich nicht den perfekten Partner dazu hätte.
Monika Kneisel: 44 Jahre, arbeitet Vollzeit im Prozessmanagement, ein Sohn, den sie allein erzieht

Am zweiten Lockdown habe ich härter geknabbert als am ersten. Ich hatte Angst, dass er genauso wird wie letztes Jahr. Da saß ich in meiner Wohnung in Seckach mit meinem Vierjährigen, ohne Garten, ohne Terrasse, ohne die Möglichkeit, das Kind mal springen zu lassen, ohne Notbetreuung und habe gearbeitet - bis ich zusammengeklappt bin. Damals sollte man ja auch unbedingt Abstand zu den Großeltern halten. Aber meine Eltern haben dann die Reißleine gezogen und, Corona hin, Corona her, Mark regelmäßig abgeholt. Ich bin gesegnet mit meiner Familie.
Später wurde die Notbetreuung gelockert, und gute Freunde haben uns bei sich in Heilbronn wohnen und mich von dort aus Homeoffice machen lassen. Dann musste ich unter der Woche nicht pendeln wegen der Kita.
Ich habe super Freunde, super Kollegen. Vor Corona bin ich jeden Tag eine starke Stunde von Seckach ins Büro zu Kaufland gefahren. Ich wollte nicht zu weit weg von meiner Familie. Abends habe ich Mark aus der Betreuung geholt, vor unserem Ford Transit die Campingstühle aufgeklappt, und wir beide haben gevespert. Dann hieß es eine Stunde "Ich sehe was was du nicht siehst" spielen im Auto.
Seit November wohne ich in Heilbronn. 1300 Euro für 100 Quadratmeter, in Seckach habe ich für 70 Quadratmeter ein Drittel gezahlt. Der Abstand zur Familie und die Mietpreise hier, das war eine harte Abwägung. Aber ich wollte die Wohnung unbedingt. Ein Garten, mehr Platz, die Schule in Laufweite: Das ist Luxus.
Der Umzug war bitter.
Ab 1. November durften sich nur noch zwei Haushalte treffen, mein Termin war am 7. November, 13 Helfer standen bereit. Ich sollte eben zwei Wochen früher umziehen, hat das Ordnungsamt vorgeschlagen. Ich hätte heulen können, da hatte ich doch noch nicht mal den Schlüssel. 1700 Euro habe ich für das Umzugsunternehmen gezahlt, zusätzlich zum Kredit für die Möbel. Geld, das ich für eine Weiterbildung einkalkuliert hatte. Das Umfeld hier ist sehr gut, mein Sohn besucht regelmäßig eine Nachbarin, um mit ihr zu spielen.
Ich bin ein positiver Mensch, liebe Country- Musik, Lagerfeuer, Motorrad fahren. Ich will mich nicht runterziehen lassen, man findet immer etwas Gutes. Ich habe ein stabiles Netzwerk, es gibt kaum eine Mutter, die so viele Berechtigungen hat, andere Kinder abzuholen wie ich. Gleichzeitig achte ich darauf, mit wem ich mich umgebe, auch aus Selbstschutz. Vor Corona habe ich meinen Kollegen Ausdrucke mit "Have a nice day" und "Keep smiling" auf den Schreibtisch gelegt. Die sind dann durchs Büro gewandert. In meinen Handy-Status stelle ich immer Sprüche zum positiven Denken, da habe ich regelrecht Fans, die das aufbauend finden.
Die Schwangerschaft vor sechs Jahren war ein Schock, die damalige Beziehung kriselte schon davor. Wie sollte ich das alles nur schaffen? Ich wollte auf keinen Fall einen Hartz-IV-Empfänger großziehen. Ein Jahr blieb ich daheim, dann habe ich erst drei Tage, später 80 Prozent gearbeitet. Das wurde so viel, dass es keinen Unterschied zu 100 Prozent machte.
Die 42 Stunden Wochenarbeitszeit senkt Kaufland jetzt auf 40 Stunden. Als gelernte Kauffrau bin ich im internationalen Prozessmanagement, was mir Spaß macht. Ich bin ein Arbeitstier und gut organisiert.
Nicola Marsden: 52 Jahre, Informatik-Professorin mit zwei Kindern

In der Informatik haben wir an der Hochschule Heilbronn einen recht hohen Frauenanteil, bei den Studierenden ist es ähnlich wie damals, als ich angefangen habe - unter 20 Prozent. Ich forsche zu Stereotypen, die wir alle im Kopf haben, und im Bereich IT ist das noch viel krasser. Kompetenz und Männlichkeit, das gehört in Deutschland für viele zusammen. Im Ausland ist das nicht so. Im Studiengang "Software Engineering and Management" haben wir etwa viele Inderinnen.
In Deutschland müssen Frauen in der IT deutlich besser sein, um als gleich kompetent anerkannt zu werden. Sie erleben diskriminierendes Verhalten, werden etwa häufiger unterbrochen in Konferenzen, Redebeiträge von Männern werden stärker aufgegriffen, bei gruppendynamischen Prozessen sind sie im Nachteil, weil Minderheiten hier immer hinten anstehen.
Frauen werden immer wieder in Frage gestellt, etwa, ob sie tatsächlich selbst programmieren. Sie übernehmen oft Aufgaben, die weniger angesehen sind, während Männer sich die prestigeträchtigeren greifen. Und als Minderheit in der IT werden sie schnell zu Stellvertreterinnen für "die Frauen insgesamt". Auch das ist eine Belastung.
Eine Brücke kann sein, die Länge von Redebeiträgen zu messen oder in der Konferenz die Personen reihum anzusprechen, damit jeder eine Stimme bekommt. Viele Informatikerinnen kehren der Branche irgendwann den Rücken, ein Skandal. Studien beweisen, dass Diversität bessere Produkte produziert und Unternehmen erfolgreicher macht.
Aber Persönlichkeitswahrnehmung bedeutet im Kern: Wie freundlich und wie kompetent erlebe ich eine Person? Wir nehmen Männer tendenziell als kompetenter wahr, Frauen als wärmer. Deshalb wird Männern Arroganz eher verziehen, Frauen nicht.
Ich erlebe diese Ungleichbehandlung natürlich auch selbst. Auch als Professorin werde ich noch hinterfragt, was einem Mann nicht passieren würde. Das wird mit steigendem Status zwar weniger. Aber Männer erklären mir Dinge, für die ich selbst Spezialistin bin. Ein Kollege hat mich mal als Macho bezeichnet für ein Verhalten, das er von einem Mann professionell gefunden hätte. Ich teile mir mit meinem Kollegen Jörg Winckler das Büro. Wenn ich an sein Telefon gehe, werde ich für seine Sekretärin gehalten.
Zu Hause habe ich mit meinem Mann Arbeitsteilung. Wir sind in einer privilegierten Situation, im Homeoffice, die Töchter, zehn und zwölf, sind auf der Ganztagsschule, jetzt im Homeschooling. Da bin ich nicht nur Lehrkraft, sondern auch Administrator. Und es ist eine Sache, Mathe zu verstehen, und eine andere, Mathe zu erklären. Das ist schon eine Herausforderung, ich finde das anspruchsvoll. Meiner Tochter fehlen die Freunde, sie fühlt sich einsam. Abends fragt sie im Bett: "Mama, wie lang geht das noch? Worauf kann ich mich morgen freuen?" Es klingt verzweifelt.