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Diskussion ums Homeoffice: "Wir sitzen immer noch zu dritt im Büro"

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Am Dienstag haben Bund und Länder beschlossen, dass Arbeitgeber Homeoffice überall ermöglichen müssen, wo es die Tätigkeiten zulassen. Wir wollten von unseren Lesern wissen, welche Erfahrungen sie in den vergangenen Monaten gemacht haben.

von Lisa Reiff
Die verschiedenen Erfahrungen von Stimme-Lesern mit dem Thema Homeoffice zeigen, welche Faktoren erfüllt sein sollten, damit Arbeiten von zu Hause gelingt. Foto: dpa
Die verschiedenen Erfahrungen von Stimme-Lesern mit dem Thema Homeoffice zeigen, welche Faktoren erfüllt sein sollten, damit Arbeiten von zu Hause gelingt. Foto: dpa  Foto: Jens Kalaene (dpa-Zentralbild)

Eine generelle Homeoffice-Pflicht ist nach den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen zwar vom Tisch. Allerdings sollen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern überall dort die Möglichkeit geben, von zu Hause aus zu arbeiten, wo die Tätigkeiten dies zulassen. Falls das Arbeiten im Homeoffice nicht ermöglicht werden kann, müssen Arbeitgeber dies begründen. So will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil das kontroverse Thema regeln.

Wir haben unsere Leser gefragt, wie ihre Arbeitgeber in den vergangenen Monaten mit dem Thema umgegangen sind. Mehr als 20 Zuschriften haben die Stimme-Redaktion erreicht. Zwei Leserinnen waren bereit, ausführlicher über ihre Erfahrungen zu berichten. 

Eine Frau aus dem Landkreis Heilbronn hat bereits eine Konsequenz für sich gezogen und sucht jetzt einen neuen Job. "Wir sitzen immer noch zu dritt im Büro", erzählt die Frau. Sie arbeitet in der Banken- und Versicherungsbranche und ist seit dieser Woche krankgeschrieben. Als Diabetikerin gehört sie zur Risikogruppe, war aber seit Beginn der Corona-Krise noch keinen Tag im Homeoffice. Dabei bräuchte sie nicht mehr als einen Laptop und ein Telefon zum Arbeiten. Den Abstand zu den Arbeitsplätzen ihrer Kolleginnen im Büro schätzt sie auf etwa einen Meter.

Frage des Vertrauens gegenüber eigenen Mitarbeitern

Ihrer Meinung nach geht es in der Homeoffice-Diskussion um Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern. In ihrem Unternehmen vermuteten Vorgesetzte, man sei zu Hause unkonzentrierter, könne Aufgaben daher nicht zufriedenstellend erfüllen. In der Folge könnte das Unternehmen Kunden verlieren - so die Befürchtung. "Homeoffice wird hier schlechtgeredet", sagt sie. Auch das Argument, Mitarbeiter müssten im Büro auf ausgedruckte Akten zugreifen, oder zu Hause könnten Familienmitglieder Interna mitbekommen, lässt die Frau nicht gelten.

Sie sieht die Führungskräfte in der Verantwortung, das Infektionsrisiko für Mitarbeiter so gut wie möglich zu reduzieren, und erzählt: "Ich wohne mit den Großeltern in einem Haus." Für sie übernimmt die Frau die Einkäufe und hilft im Alltag beispielsweise dabei, Kompressionsstrümpfe zu wechseln. "Da trage ich dann eine Maske." 

Knackpunkt Kinderbetreuung

Ganz anders sehen einige andere Schilderungen von Lesern aus, die gute Erfahrungen mit der Arbeit in den eigenen vier Wänden gemacht haben. Ein wichtiger Grund ist der Weg zur Arbeit, bei dem vorher Zeit, Geld und Nerven auf der Strecke blieben. Steffi Maier berichtet, dass sie seit dreieinhalb Jahren im Homeoffice für eine Hotelbetreibergesellschaft arbeitet. Zuvor pendelte sie sechs Jahre lang zu ihrem Arbeitsplatz nach Stuttgart  - zum Teil mit Stadtbahn und Regionalzug. Drei Stunden pro Tag durchs Pendeln zu verlieren, kam nach ihrer Elternzeit für Maier nicht mehr infrage.

Mit ihrem Arbeitgeber vereinbarte Steffi Maier, das Arbeiten von zu Hause auszuprobieren. "Ich habe einen Laptop und zwei Bildschirme bekommen und dann haben wir einfach geschaut, wie es klappt." Der gelungene Testlauf sei zum "Türöffner für andere Muttis im Unternehmen" geworden, berichtet Maier. Durch die Corona-Krise würden mittlerweile noch viel mehr Kollegen im Homeoffice arbeiten. Ein Vorteil bei der Umstellung in der Krise ist nach ihrer Einschätzung, dass viele Mitarbeiter schon vorher am Laptop von unterwegs aus gearbeitet haben. Über VPN-Verbindungen könnten alle problemlos von zu Hause aus auf Geschäftsunterlagen zugreifen.

Neben den flexiblen Arbeitsbedingungen, für die Maier dankbar ist, spielen auch die Arbeitszeiten ihres Mannes eine Rolle: Als Koch arbeitet er erst ab Mittag und kann daher während ihrer Arbeitszeit ab 6 Uhr morgens viel Zeit mit dem vierjährigen Sohn verbringen. "Ohne Kinderbetreuung wäre es aber nicht möglich", vermutet sie und verweist auf andere Eltern, die genau diese Herausforderung lösen müssen.


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In weiteren Leserzuschriften werden auch andere Aspekte angesprochen, die im Homeoffice eine Rolle spielen. Thomas Lang weist beispielsweise auf die räumlichen Gegebenheiten bei sich zu Hause hin: "Dank genügend Platz hat jeder sein eigenes Büro mit kompletter Peripherie." Und Sebastian Tatzreiter gibt zu bedenken, dass auch der Arbeitsplatz zu Hause ergonomisch angepasst sein sollte, damit auf lange Sicht keine gesundheitlichen Schäden entstehen.

Aus diesem Grund hat Miriam Borgert, die im Projektmanagement an der Hochschule Heilbronn (HHN) arbeitet, ihren Schreibtischstuhl vom Bildungscampus mit nach Hause genommen. Im Homeoffice hätte sie keinen Stuhl gehabt, auf dem sie neun Stunden am Tag sitzen könnte, erzählt sie. Ihrer Erfahrung nach unternimmt die HHN alles, um das Beste aus der Situation zu machen, da werde sie "sehr verwöhnt". Seit März 2020 arbeitet Borgert im Homeoffice. Die digitale Infrastruktur sei in dieser Zeit weiter verbessert worden, die IT leiste "enorme Unterstützung". Borgert sagt: "Heute habe ich nach einem neuen Tool gesucht, mit dem ich arbeiten könnte. Zack, hab ich's gehabt."

Was ihr fehlt, sind die Gespräche auf dem Flur, die Möglichkeit, bei Kollegen an die Tür zu klopfen, oder der kurze Austausch über den Schreibtisch. Ein anderer Leser macht sich über längerfristige Auswirkungen einer Homeoffice-Regelung Gedanken. Aus seiner Sicht gehen soziale Kontakte verloren. Daher könne das Homeoffice den klassischen Arbeitsplatz nicht ersetzen. Er schreibt: "Freue mich wieder aufs Office!"

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