Wo der digitale Unterricht im Corona-Lockdown funktioniert
Vielerorts funktioniert der digitale Fernunterricht nicht. Die Erst- bis Zehntklässler der Wolf-von-Gemmingen-Schule üben hingegen seit Monaten die Online-Variante. Das zahlt sich während der Schulschließung aus.

Digitalisierung hat nach wie vor nicht alle Schulen erreicht. Immer noch setzen manche Lehrer darauf, Lernpakete zu verteilen. Andere Schulen in der Region bereiten sich dagegen schon seit Monaten auf den digitalen Fernunterricht vor: Einen konsequenten Weg beschreitet seit Beginn des Schuljahrs die Wolf-von-Gemmingen-Schule.
Wöchentlich fand für alle Klassen der Grund- und Gemeinschaftsschule digitaler Unterricht statt. Von diesem Üben profitiert die Schule jetzt im Ernstfall, wo zumindest bis Ende dieser Woche keine Klasse zurück in den Unterricht darf - ausgenommen sind Notbetreuung und die Abschlussklassen.
Die Lehrerin lobt ihre Kinder per Videokonferenz
"Wie sollt ihr die Übungen schreiben?", fragt Brit Sonnenbichler ruhig in die Kamera. Die Stimme der erfahrenen Lehrerin klingt freundlich und ermutigend zugleich. "In Schreibschrift", erinnert die Lehrerin ihre Zweitklässler. Die Lehrerin kann ihre Klasse nur über den Monitor sehen, die meisten Kinder haben sich von zu Hause zur Videokonferenz zugeschaltet. Zweitklässler, die in die Notbetreuung gehen, sind von einem benachbarten Klassenzimmer aus dabei.
Die Kinder schauen auf den Bildschirm, melden sich vor der Kamera, schreiben in ihre Hefte. Gerade liest eine Schülerin aus einem Buch vor. "Super", lobt die Lehrerin, die schon im Herbst komplett digital unterrichten musste - weil sie mit den Zweitklässlern in Corona-Quarantäne war.
"Ohne Eltern geht es nicht", gibt Brit Sonnenbichler zu. Auf die seien Lehrer bei den ganz Kleinen angewiesen, wenn es ums Anmelden geht oder das Internet ausfällt. Ihre Klasse hat sie aufgeteilt, um die Kinder voranzubringen. "In Kleingruppen getrauen sich manche mehr." Erst werden die Aufgaben per Videokonferenz erklärt, dann arbeiten die Kinder daheim ohne ihre Lehrerin weiter.
Hauptfächer finden komplett per Internet statt
Rektor Christian Mair ist froh, dass die Schule seit Monaten Erfahrungen mit dem Online-Unterricht sammelt. Während die Eingangsklassen nur zeitweise Videokonferenzen haben, finde ab Klasse 3 der Unterricht in den Hauptfächern komplett statt und in den Nebenfächer zu 70 Prozent. Mehr sei nicht möglich. "Die restlichen Lehrer brauchen wir für die Notbetreuung", sagt der Rektor. Auch ein FSJler hilft beim Fernunterricht mit. Und durch die Erfahrungen seit Herbst weiß die Schule, welche Kinder zu Hause dem Fernunterricht nur unzureichend folgen können. Den Familien wurde auch jetzt empfohlen, die Kinder in die Notbetreuung zu schicken.
Lehrer bis 20 Uhr für seine Schüler zu erreichen
Die Finger von Jan Pfeil huschen unterdessen über die Tastatur. Der stellvertretende Schulleiter unterrichtet Mathe, 22 Fünftklässler lösen Aufgaben selbstständig. Sind sie mit einer Zeile fertig, senden sie die Lösung per Chat an ihren Lehrer. Der Lehrer schaut drauf, gibt eine kurze Rückmeldung, kopiert schnell die nächsten Aufgaben und schickt sie dem jeweiligen Schüler zu. Jan Pfeil ist überzeugt davon, dass er zurzeit mit dem Online-Unterricht gleich schnell vorankommt wie im Präsenzunterricht.
Aber: "Das gelingt nur, weil mich die Schüler kennen." Lehrer in Gemmingen sind per Messenger jederzeit für ihre Kinder zu erreichen, sogar abends. Neulich legte Jan Pfeil erst um 20 Uhr sein Handy beiseite. Der digitale Weg hat aus seiner Sicht auch einen Vorteil: Gerade Kinder, die im normalen Unterricht still seien, würden etwas fragen.
Klassenarbeiten werden in der Schule geschrieben
Mittlerweile gibt es Überlegungen, wie ab kommender Woche die Klassenarbeiten geschrieben werden - vor Ort. Rektor Christian Mair erklärt die Vorarbeit, die zu leisten ist: Klassen, die eine Arbeit schreiben, würden auf mehrere Zimmer verteilt. Bei der Planung der Arbeiten muss zudem darauf geachtet werden, dass nicht zu viele Klassen gleichzeitig ins Gebäude kommen. Ganz ohne den direkten Kontakt geht es im Fernunterricht aber nicht: Die Lehrer der Gemminger Schule rufen alle Kinder an und haken nach, wie es klappt - einmal pro Woche, sagt Rektor Christian Mair.