Die ersten Millionen für bessere Luft in Heilbronn sind verplant
Mit viel Fördergeld von den Dieselgipfeln versucht die Stadt, Fahrverbote zu verhindern. Zumindest zur Buga wird es noch keine Zwangsmaßnahmen geben.

Rund acht Millionen Euro wird die Stadt Heilbronn in den nächsten Monaten und Jahren mit großer finanzieller Unterstützung des Bundes und des Landes für die Luftreinhaltung investieren. Förderbescheide für rund vier Millionen Euro wurden bereits bewilligt, erklärt die Leiterin des Amts für Straßenwesen, Christiane Ehrhardt. Weitere drei Millionen seien beantragt.
Ein aktueller Bescheid vom Bund über 850.000 Euro
Die größten Posten sind Investitionen in die Digitalisierung und das damit verbundene Verkehrsmanagement sowie der Neubau von Fahrrad-Infrastruktur. Kurz vor dem Termin im Amtszimmer von Oberbürgermeister Harry Mergel hatten die Bundestagsabgeordneten Alexander Throm (CDU) und Josip Juratovic (SPD) den Förderbescheid überbracht: Für das dynamische Park- und Verkehrsleitsystem gibt es von Verkehrsminister Scheuer 850.000 Euro. Für zahlreiche weitere Maßnahmen gab es schon ein Okay.
Oberbürgermeister Harry Mergel ist überzeugt: Unabhängig von den Grenzwertüberschreitungen an der Weinsberger Straße seien Fahrverbote während der Zeit der Buga in Heilbronn "vom Tisch". Ob mit der langen Maßnahmenliste, die das Amt für Straßenwesen zusammengestellt hat, die Schadstoffbelastung der Heilbronner Luft aber spürbar gesenkt werden kann, möchte Amtsleiterin Christiane Ehrhardt nicht vorhersagen. Ein einziger Elektrobus sei von der Firma Daimler zu haben gewesen, er soll zur Buga fahren. Mit den 100 000 Euro vom Land könnten die Mehrkosten gedeckt werden. Dazu gibt es zwei neue Elektroautos.
Die Stadt kann Angebote schaffen, die Bürger können sie nutzen
Trotzdem ist das wenig, um etwas zu bewirken. Anders sieht es mit den Investitionen aus, die auch von den Bürgern in Anspruch genommen werden können. "Die Stadt kann Angebote schaffen, die Bürger müssen sie nutzen", sagt Ehrhardt. Ein Beispiel ist die Lade-Infrastruktur für E-Autos. Im Rahmen des sogenannten Linox-Projekts sollen in Firmenparkhäusern und im "halböffentlichen Raum" städtischer Tiefgaragen 466 Ladepunkte - zwei Punkte pro Säule - installiert. Im öffentlichen Raum sieht Mergel nicht die Stadt in der Pflicht, sondern Unternehmen. "Die können das besser."
Um die neue Mobilität trotzdem zu fördern, werden schon in den nächsten Monaten rund um das Heilbronner Rathaus besondere Parkzonen geschaffen. Ein größeres Projekt in diesem Zusammenhang ist auch die Erhöhung der Parkgebühren. Hier sollen umfangreiche Analysen in ein Konzept münden, das dann stufenweise ab 2020 umgesetzt wird. Weniger Verbrennungsmotoren in der Innenstadt, lautet das Ziel.
Mehr ist nicht automatisch besser
Das Pensum, das mit all den Maßnahmen abgearbeitet werden muss, ist beachtlich. "Wir haben eine unglaubliche Dynamik in der Stadt", sagt Baubürgermeister Wilfried Hajek. OB Mergel sieht darin aber auch eine Gefahr: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in Aktionismus verfallen."
Deshalb soll immer geprüft werden, ob ein neues Angebot angenommen wird. So sind am Hauptbahnhof und an der Haltestelle Sonnenbrunnen in Böckingen die ersten der sogenannten Mobilitäts-Hubs oder Mobilitätspunkte geplant, wo ein Umstieg zwischen Car-Sharing, E-Mobil, Fahrrad, Stadtbahn oder Bus möglich ist. Weitere solcher Punkte seien denkbar, erklärt Jens Boysen, der Leiter des neu geschaffenen und vom Land geförderten Sachgebiets Mobilität und Verkehrsplanung. Aber eben erst in einem zweiten Schritt.
Auch Stadtwerke und HNV beteiligen sich an der Offensive. Beispielsweise ist eine neue Ticket-App geplant mit einem echtzeitbasierten Fahrplan. Knapp eine halbe Million Euro fallen dafür an, die Hälfte übernimmt auch hier der Bund. Koordiniert von der Stadt, könnten zur Buga auch die ersten Lastenräder durch die Stadt fahren, um Pakete auszuliefern. Zwei Dienstleister interessieren sich für die Idee.
OB: "Den Schlüssel hat die Automobilindustrie in der Hand"
Der OB sieht bei der Stadt klar die "Bringschuld", Angebote zu schaffen. Entlastung erhofft er sich aber von der "Flottenerneuerung" - wenn Privat- und Geschäftsleute ihre alten Fahrzeuge durch neue ersetzen. "Den entscheidenden Schlüssel hat die Automobilindustrie in der Hand."
Luft rein halten
Die Messwerte an der Weinsberger Straße sinken zwar seit Jahren, allerdings langsam. 2017 lag die Stickoxidbelastung bei 54 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. In diesem Jahr liegen die Werte darunter, allerdings noch bei über 50 Mikrogramm und damit deutlich über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm. Heilbronn gehört damit zu den 15 sogenannten Intensivstädten, die von besonderen Förderprogrammen des Bundes profitieren. Mit dem Geld können Maßnahmen umgesetzt werden, die unter anderem Teil des Luftreinhalteplans sind. Derzeit wird der alte Plan von 2008 fortgeschrieben, er soll Ende 2019 in Kraft treten. Dann könnten auch die von der Deutschen Umwelthilfe angestrengten Klagen zur Durchsetzung der Luftreinhaltung die Stadt Heilbronn treffen.
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Kommentar: Die Masse macht's
Von Christian Gleichauf
Man darf sich keine falschen Hoffnungen machen. Auch wenn die Stadt Heilbronn nun Millionen investiert: Stickoxidwerte werden so nicht sinken, jedenfalls nicht kurzfristig. Aber immerhin wird sich der Verkehrsraum in der Stadt demnächst spürbar verändern. Neue Straßenschilder für E-Autos, Busspuren, intelligente Verkehrsführung, Lastenräder. Es gibt etwas zu sehen. Solche Maßnahmen erzielen für sich genommen zwar kaum eine Wirkung. Aber wenn der angesetzte Hebel groß genug ist, dann kann damit etwas bewegt werden.
Es muss etwas in Gang kommen angesichts der in vielen Jahrzehnten festgefahrenen Vorstellungen von Mobilität. Dabei gilt das Gesetz der großen Zahl. Sprich: Die Masse macht"s. Wenn viele Menschen ein bisschen was tun, ist der Effekt ungleich größer, als wenn sehr wenige Menschen viel tun. Soll heißen, keiner muss sein Auto verkaufen, wenn er es braucht. Aber wer Jahr für Jahr mehr Kilometer auf seinen Tacho packt, sollte wissen, dass auch er zu den Problemen beigetragen hat, mit denen wir es jetzt zu tun haben.
Manche Fahrt durch die Stadt kann man mit dem Fahrrad zurücklegen. Manche Fahrt in die Stadt auch per Stadtbahn. Und manch andere lässt sich auch mal ersatzlos streichen. Dann ist übrigens nicht nur das Ziel, an der Weinsberger Straße in Heilbronn gute Luft einatmen zu können, erreichbar. Dann wird man diese bessere Luft auch nicht im Stau einatmen müssen.