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Der Wolf kehrt nicht geräuschlos zurück

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In Unterkessach hat das Raubtier gezeigt, warum es vor 150 Jahren im Südwesten ausgerottet wurde: Ein Besuch beim betroffenen Schäfer Michael Straußberger.

Von Christian Gleichauf

Als Rolf Straußberger am Morgen des 7. Oktober zu den Lämmern hinter dem Maschinenschuppen kommt, kann er es kaum glauben: Drei der Jungtiere liegen da, aufgerissen und ausgeweidet. "So etwas habe ich noch nie gesehen", sagt der 66-Jährige, der selbst als Schafzüchter aktiv war.

"Und so etwas will ich auch nicht mehr sehen." Wie nach einer Untersuchung der DNA-Spuren jetzt klar ist: Ein Wolf hatte zugeschlagen.

"So kann das eigentlich kein Hund"

Die Schafe gehörten seinem Sohn Michael Straußberger, der seit einigen Jahren im Nebenerwerb Schafe züchtet. Was vorgegangen ist in jener Nacht, kann der 35-Jährige zu diesem Zeitpunkt nur vermuten. Und er vermutete schon, dass es ein Wolf war.

"Anfangs ist uns das noch gar nicht in den Sinn gekommen. Aber nachdem wir mit einigen Leuten gesprochen haben, die sich auskennen..." Er lässt den Satz unvollendet. Ein Lamm sei "fachgerecht aufgeschnitten" gewesen. "So kann das eigentlich kein Hund."

Beschützer ohne Chance

Auf seinem Hof stapelt sich das Brennholz, das er verkauft. "Das wird immer mehr", sagt er. Sein Geld verdient er vor allem als Busfahrer. Die Schäferei ist sein Hobby, auch um das Gras auf den Steilhängen kurz zu halten. "Ich bin damit aufgewachsen", sagt er. Oberhalb des Ortes sind seine sieben Muttertiere auf der Weide, "bewacht" von einem Bock. "Dem sollte man nie den Rücken zudrehen, sonst rennt er einen um", warnt Straußberger. Gegen einen Wolf hätte aber wohl auch dieses 70 Kilogramm schwere Tier keine Chance.


Als ihm bewusst wurde, dass er seine Schafe nun wieder aufwendig vor Wölfen schützen muss, habe er als Erstes gedacht: "Dann hör ich auf." Inzwischen hat er sich informiert und hält so eine Entscheidung für überzogen. Als die Nachricht eintrifft, dass es tatsächlich ein Wolf war, ist er trotzdem "geschockt".

Auch interessant: Der bisher letzte Wolf Württembergs starb vermutlich 1865 bei Neudenau

Schnelle Zahlung aus dem Ausgleichsfonds

Erfreut sei er gewesen, dass die Zahlungen aus dem freiwilligen Ausgleichsfonds der Naturschutzverbände noch am gleichen Tag auf den Weg gebracht wurden. "Das war sehr unkompliziert", so Straußberger. Doch die Vorstellung, jetzt mit viel Aufwand alles wolfssicher zu machen, widerstrebt ihm.

"Wenn sich der Wolf wieder ausbreitet, dann haben wir hier ein großes Raubtier ohne natürliche Feinde", sagt Straußberger. Da müsse man sich schon Gedanken machen, wie man damit umgeht.

Ein Wolf macht noch keine Wolfsansiedlung

"Erst einmal ist es noch gar nicht so weit, dass sich der Wolf hier wieder niedergelassen hat", sagt Gottfried May-Stürmer, Regionalgeschäftsführer des Naturschutzverbands BUND für Heilbronn-Franken. Bisher seien in Baden-Württemberg nur einzelne Wölfe gesichtet, überfahren und in einem Fall geschossen worden.

"Im Augenblick haben wir wohl nur einen Wolf, der hier durchwandert oder sich womöglich auch ein Revier sucht." Es ist ihm allerdings wichtig zu betonen, dass sich die Weidehaltung in Deutschland lange Zeit auch im Beisein des Wolfes gut entwickelt habe.

Hunde als größeres Problem

Es sei ihm zwar bewusst, dass damals die Wölfe auch bejagt und vertrieben wurden, sagt May-Stürmer. Und den Abschuss von einzelnen Tieren, die ihre Scheu verlieren und sich zum Problem entwickeln, lehne der BUND auch gar nicht ab. "Da unterscheiden wir uns schon von jenen konsequenten Tierschützern, für die auch das nicht infrage kommt." Trotzdem gebe es immer wieder Risse durch wildernde Hunde. Die seien derzeit noch ein durchaus größeres Problem als die Wölfe.

Michael Straußberger hat vor dem Wolfsriss weder mit Hunden noch mit sonstigen Tieren negative Erfahrungen gemacht. Deshalb waren die Lämmer direkt hinter dem Hof auch nicht eingezäunt - Mühlbach und Kessach verhinderten ein Entkommen. "Und bisher war ja die klare Aussage, dass es bei uns keinen Wolf gibt", sagt Straußberger. Das hat sich nun verändert.

Künftig werde er seine Schafe durch Elektrozäune schützen müssen. "Ob das einen hungrigen Wolf dann abhält, da bin ich mir nicht sicher."

 

Vorsichtige Tiere

Markus Rösler, Grünen-Landtagsabgeordneter und Wolfexperte aus Vaihingen/Enz, freut sich über die besonnene Reaktion von Michael Straußberger. Angesichts aktueller Meldungen über den möglichen Wolfsangriff auf eine Frau in Griechenland will er vor allem für etwas mehr Verständnis für den Wolf werben.

"Obwohl ich in vielen Gebieten tätig war, wo der Wolf unterwegs war, habe ich noch nie einen in freier Wildbahn zu Gesicht bekommen." Das zeige, wie vorsichtig die Tiere sind. Interessant findet er einen anderen Punkt: Die letzten Wölfe in Baden und Württemberg wurden 1865 bei Siglingen (heute zu Neudenau gehörig) und 1866 bei Zwingenberg erschossen.

Zuletzt war wieder ein Wolf bei Wald-Michelbach gesichtet worden - möglicherweise das Tier, das jetzt in Unterkessach die Lämmer gerissen hat. "Die Wölfe kommen auf den Wegen zurück, auf denen sie ausgerottet wurden", so Röslers Interpretation. 

 

 

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