Der Mann, der mit der Kamera Unwetter jagt
Wenn Gewitter aufziehen, fährt Maximilian Ziegler kilometerweit darauf zu und will die Naturgewalt ganz nah erleben. Wir haben den Gewitterjäger gefragt, wie er das macht und wie gefährlich dieses Hobby ist.

Voller Adrenalin begibt er sich in die Gefahr der Naturgewalt und hat immer vorher einen Fluchtweg ausgekundschaftet. Wenn Gewitter und Unwetter über die Lande ziehen und Menschen überall Schutz suchen, fährt er mit seiner Kamera dem Mix aus extremen Windböen, peitschendem Regen und bedrohlichen Wolkenungetümen entgegen. Maximilian Ziegler ist Sturmjäger, will das besondere Naturphänomen der Gewitter ganz nah erleben und mit der Kamera festhalten. Weil ihn diese Momente und die spektakulären Bilder besonders faszinieren.
"Das ist in dem Moment für mich Glück, pures Adrenalin", sagt der Gewitterjäger
An die 50.000 Fotos hat er schon geschossen, viele fantastische Aufnahmen, die Zeugnis ablegen von der immensen Kraft der Naturgewalt. Die Momente, wenn er mit seiner Kamera vor der heranziehenden Gewitterfront steht, sind für den 30-Jährigen, der im Landratsamt Heilbronn als Vermessungstechniker arbeitet, einzigartig. "Das ist Glück, pures Adrenalin, wenn man diese Energie erlebt - und weiß, welche meteorologischen Phänomene dahinterstehen". Er weiß um die Gefahr seines Hobbys. "Ich bin vorsichtig", sagt er. Mittlerweile sei es aber auch "fast eine Sucht".

Regenradar gibt wichtige Hinweise auf die Zugbahn
Die Vorderfront der Gewitterzellen sind für den Ludwigsburger das Besondere, das "Nonplusultra", wie er sagt. Weil sich dort die extrem energiereichen Vorgänge abspielen, rotierende Bewegungen und starke Hebungsvorgänge, die Entladungen, Starkregen, Sturmböen, Hagel. Auf meteorologischen Vorhersagekarten im Internet schaut sich Ziegler an, wo energiereiche Gebilde entstehen können.
Die Energie einer Luftmasse sei entscheidend, zudem ist wichtig, ob sich Windgeschwindigkeit und Windrichtung mit der Höhe ändern und die Wolken Aufwind samt drehenden Bewegungen erhalten. "Dann können interessante Gewitterzellen entstehen." Auf dem Regenradar verfolgt er die Zugbahn des Gewitters. Passt es, steigt er mit zwei Kameras in seinen Mazda und fährt los - elektrisiert, völlig fokussiert, dann kann ihn auch seine Partnerin nicht aufhalten.
Als Standort sucht er sich oft Ackerflächen aus, um mit dem Weitwinkel die ganze Breite der Gewitterfront fotografieren zu können. Eine Kamera lässt er Zeitrafferbilder aufnehmen, mit der zweiten macht er Einzelbilder. Bevor der Regen kommt, "will ich im Trockenen sein", sagt Ziegler. Standorte an der Autobahn sind für ihn ein Muss. Um schnell wegzukommen, einige Kilometer weiter vielleicht noch ein paar Bilder zu machen und dem bedrohlichen Unwetter davonzufahren. "Eine Bundesstraße", betont er, "reicht da nicht."
Vor einem Blitzeinschlag kann er sich nicht schützen
Die Gefahr ist immer da: Extreme Sturmböen, Hagelschlag und vor allem Blitze gehören zu Unwettern dazu. Vor Blitzen hat der Vermessungstechniker, der früher Waldwirtschaft mit Nebenfach Meteorologie studierte und danach lieber etwas Praktisches als Job machen wollte, Respekt. "Man weiß nie, wo sie einschlagen." Er hat einen Blitzschlag schon mal in gut 500 Meter Nähe erlebt.

Schwarzwald, Schwäbische Alb, Pfalz, Region Heilbronn sind seine Jagdgebiete, in Memmingen, Ulm oder Freiburg war er auch schon. Im Sommer ist er im Schnitt ein Mal die Woche auf Gewitterjagd - meist abends, weshalb es auch spät werden kann. Seit gut neun Jahren fährt er in der Intensität auf Gewitterzellen zu. Im Winter sind Schneelandschaften sein Faible für gute Bilder.
Zu seinem 30. Geburtstag hat sich Maximilian Ziegler in den USA einen Traum erfüllt, ist mit anderen Sturmjägern mit einem Mietwagen durch die weiten Ebenen der Great Plains getourt - auf der Jagd nach Unwettern. Fronten seien dort länger und massiver, es sei mehr Rotation drin. 20 Gewitterzellen hat er auf der Tour in drei Wochen erlebt.

Abendsonne tauchte massive Gewitterwolken in rosarotes Licht
Seine besonderen Bilder veröffentlicht er auf seiner Homepage und auf Facebook, in Kalendern der Wetterzentrale oder auch mal der Weltorganisation der Meteorologen (WMO). Manchmal verkauft er sie als "Zubrot" an die Presse oder an private Sammler. Bei Hochzeiten oder runden Geburtstagen kämen die Fotos zudem als Geschenk "supergut" an.
Von der Natur ist der 30-Jährige immer aufs Neue überrascht. Die Unwetter seien immer wieder anders und werden für ihn deshalb auch nie langweilig. Bei Kleinbottwar hat er mal erlebt, wie sich aus einem eher langweiligen Schauer plötzlich eine Kette aus mächtigen Gewitterquellwolken entwickelte, die durch die untergehende Sonne in ein rosarotes Licht getaucht wurden. Für ihn war es ein Moment für die Ewigkeit.
Ob er noch ein besonderes Ziel für ein spezielles Unwettermotiv hat? Ziegler überlegt nicht lange. Ein Gewitter mit Tornado, Blitzen und Regenbogen über dem Neckartal "fehlt noch in meiner Sammlung", sagt er und grinst.
Noch mehr Wetterfotos zeigt Maximilian Ziegler auf seiner Website.

Kleine Gewitterkunde
Ein Gewitter ist ein lokal begrenztes Niederschlagsereignis mit elektrischen Entladungen (Blitze). Die Luft im Blitzkanal erwärmt sich dabei schlagartig. Die dadurch erzeugte Druck- oder Stoßwelle breitet sich mit Schallgeschwindigkeit (330 m/s) aus, ist als Donner hörbar. Gewitter treten besonders bei Kaltfronten oder an Gebirgshindernissen auf. Auch die starke Erwärmung bodennaher Luftschichten im Sommer löst Gewitter aus.
Tornados sind schlauchförmige, rasant rotierenden Gebilde, die in starken Gewittern entstehen können. Sie können bis zu mehr als einen Kilometer Durchmesser und Windgeschwindigkeiten von mehreren hundert Stundenkilometern erreichen.
Unter Windscherung versteht man die Änderung des Windes mit der Höhe. Ändern sich Richtung oder Geschwindigkeit, fließt von vorne energiegeladene Luft ins Gewitter hinein. Der Regen fällt auf der Rückseite der Zelle und lässt den Strom warmer Luft nicht abreißen. Der durch die kalte Luft erzeugte Abwind hebt Warmluft auf der Vorderseite an. Starkregen, Hagel, Sturmböen sind möglich.