Der Applaus für Mitarbeiter in der Pflege verebbt
In der Corona-Krise haben Mitarbeiter in der Pflege plötzlich viel Zuspruch bekommen. Von Bund und Länder gibt es zudem eine einmalige Prämie von bis zu 1500 Euro. Trotzdem hat sich nicht viel geändert. Was bleibt von der viel beschworenen Wertschätzung?

War da was? In der Hochzeit der Corona-Pandemie brandet Applaus auf. Ein Lob auf all jene, die Kranke und Alte durch die Krise bringen. Der Bund beschließt, eine einmalige Prämie auszuzahlen. Maximal 1500 Euro bekommt, wer im Altenheim arbeitet. Krankenhaus-Mitarbeiter gehen leer aus. Nun ebbt die Corona-Welle ab. Was bleibt von der häufig beteuerten Wertschätzung für Pflegeberufe übrig?
"Der Alltag ist wieder da"
"Der Alltag ist wieder da", sagt die medizinische Fachangestellte Yvonne Denz. Während des Lockdowns habe es ein Lob gegeben, "das war es auch". Dass die Bedeutung von Pflegeberufen plötzlich Thema gewesen sei, habe bei vielen Kollegen Erwartungen geweckt. "Ich bin gespannt, ob es mehr Geld gibt, ob sich etwas verändert. Jetzt ist die Gelegenheit da", sei der Tenor vieler Gespräche gewesen.
Die Geste reicht auf Dauer nicht
Die vom Bund beschlossene Corona-Prämie sei "eine sehr, sehr schöne Geste", sagt Lilli Haldenwanger, Direktorin der Senioreneinrichtung Haus Zabergäu in Brackenheim. Sie sei auf Dauer zu wenig. Geld sei auch nicht der springende Punkt. Woran es fehlt, seien Mitarbeiter. Der Personalschlüssel wird mit den Kostenträgern verhandelt. Pflegekassen bremsen. Eine Folge der knappen Personaldecke: Fällt eine Altenpflegerin wegen Krankheit aus, opfert eine andere ihren freien Tag und springt ein. "Verlässliche Dienstpläne sind seit Jahren ein Thema", sagt Haldenwanger.
Warum das Bundeskabinett die Corona-Prämie ausschließlich in der Altenpflege zahlt, begründet die Pressestelle des Bundesgesundheitsministeriums damit, dass die Finanzstrukturen im Bereich der stationären Krankenpflege grundsätzlich anders aufgebaut seien als die in der Pflege.
Wie eine Krankenschwester die Pandemie erlebt
"Ich will die Prämie für die Altenpfleger nicht schlechtreden", sagt eine 25 Jahre alte Krankenschwester. "Wir hätten sie auch verdient." Sie habe auf einer Corona-Station gearbeitet. "Wir hatten Hardcore-Fälle." Nicht nur die Zwölf-Stunden-Schichten seien belastend gewesen. "Die Angst in den Augen der Patienten hat etwas mit einem gemacht." Die 25-Jährige fotografierte Leichen, die das Coronavirus in sich hatten, auch als Nachweis für Angehörige. Die Toten wurden in extra Leichensäcke verpackt.
Die Schutzmaske hinterließ auf der Nase Druckstellen, an den Ohren hatte die Krankenschwester blutige Stellen. "Dass Leute auf dem Balkon stehen, bringt uns gar nichts", so ihr Fazit. Zunächst habe sie sich über die aufkommende Wertschätzung gefreut. Später habe sie es fast als Häme empfunden. Warum? "Weil sich nichts ändert."
Gleichgültig blickt eine Mitarbeiterin, die Krankenhausbetten aufbereitet, auf die Prämie für Beschäftigte in Altenpflegeheimen. Sie sei froh, überhaupt Arbeit zu haben, sagt sie. "Andere Menschen sind durch Corona arbeitslos geworden."
Kein nachhaltiger Effekt
Es sei traurig, dass es "so etwas krasses wie die Pandemie" brauche, sagt Yvonne Denz, damit darüber gesprochen werde, was Pflegekräfte leisten. Einen nachhaltigen Effekt stellt sie nicht fest. Unfreundliche, ungeduldige Patienten, die einen herablassend behandelten, sind nicht selten. "Von der Wertschätzung bleibt gar nichts." Das sieht Haldenwanger vom Seniorenheim in Brackenheim anders. "Die meisten erkennen, was wir leisten." Nur vereinzelt gebe es Menschen, die kein Verständnis für die Belange von Pflegekräften aufbrächten.
Bund und Länder zahlen einmalige Prämie
Das Bundeskabinett hat für Mitarbeiter in der Altenpflege eine einmalige steuerfreie Corona-Prämie von bis zu 1500 Euro für Vollzeitbeschäftigte beschlossen. Wer nicht Vollzeit arbeitet, bekommt gestaffelt nach Stunden weniger. Azubis erhalten 900 Euro. Die übrigen Mitarbeiter in Altenpflegeheimen bekommen 500 Euro. Der Bund übernimmt zwei Drittel der Kosten und rechnet mit Ausgaben von etwa einer Milliarde Euro. Die Länder kommen für ein Drittel der Ausgaben auf. Baden-Württemberg rechnet mit einem Kostenanteil von mindestens 30 Millionen Euro.
Kommentar Strohfeuer
Mitarbeiter im Lebensmitteleinzelhandel, Busfahrer, pädagogisches Fachpersonal in der Notbetreuung – viele Menschen haben Deutschland durch die heiße Phase der Corona-Krise gebracht. Eine Schieflage wurde sichtbar. Menschen, die das Leben am Laufen hielten und einen Rest Normalität vermittelten, werden mit am schlechtesten bezahlt. Seit Jahren fordern sie mehr Geld. Das ist bekannt und kümmert in normalen Zeiten nur wenige. In der Corona-Epidemie erfuhren die Beschäftigten plötzlich Aufmerksamkeit. Kaum scheint der Zenit der Krise überschritten, verschwindet das Interesse. Es war nur ein Strohfeuer.
Die einzige Berufsgruppe, die von dem kurz aufgeflammten Interesse etwas hat, sind Pflegekräfte in Altenheimen. Sie bekommen einmalig eine Bonuszahlung von Bund und Ländern. Die Prämie soll ein Zeichen der Wertschätzung sein. Der Obolus ist ihnen aufrichtig, ohne Wenn und Aber zu gönnen. Mit dem Geld sind die Forderungen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen in weiten Teilen der Branche aber nicht abgegolten.
Das Ärgerliche an der Einmalzahlung: Sie ist Symbolpolitik. Ein anhaltender Nutzen ist nicht erkennbar. Im Gegenteil: Eine ernsthafte Bereitschaft zu Veränderungen lässt sich nicht erkennen. Die Arbeitsbedingungen und Belastungen werden für Altenpfleger oder andere im Gesundheitswesen tätige Menschen kein Stück besser.