"Das Publikum will Tiere in der Manege sehen"
Fredy Knie vom Schweizer Nationalzirkus ist überzeugt, dass der traditionelle Zirkus nach wie vor eine Zukunft hat. Mit seinen Pferden ist er zu Gast im Heilbronner Weihnachtszirkus.

Der legendäre Schweizer Nationalzirkus ist zum ersten Mal mit seinen Pferden und Kamelen zu Gast beim Heilbronner Weihnachtszirkus. Direktor Fredy Knie (72) erklärt, warum Tiere nach wie vor in der Zirkusmanege nicht fehlen dürfen.
Ein bekannter und erfolgreicher Zirkus wie Roncalli verzichtet jetzt ganz auf Tiere. Ist das der Zeitgeist?
Fredy Knie: Ich akzeptiere das, wenn es der neue Stil ist, aber nicht, wenn gesagt wird, dass es Tiere generell nicht gut haben im Zirkus.
Also sind Tiere im Zirkus kein Auslaufmodell?
Knie: Absolut nicht. Da können Sie auch das Publikum fragen. Die Leute wollen Tiere sehen. Es kommt darauf an, wie sie präsentiert werden. Man will heute keine Affen im Röckchen mehr sehen. Das war vor 50 Jahren so, aber das wird nicht mehr akzeptiert. Wir müssen deshalb mit dem Geschmack der Zeit gehen. Wir machen nicht Zirkus für uns selbst, sondern fürs Publikum.
Sie haben im Zirkus Knie mittlerweile keine Elefanten und Raubtiere mehr. Warum?
Knie: Bei uns in der Schweiz ist es nicht verboten, mit Elefanten oder Raubtieren aufzutreten. Nicht aus dem Grund, weil Tierschützer das so wollen, haben wir bei Knie keine mehr, sondern, weil unsere Standplätze immer kleiner werden. Das widerspricht einer guten Zirkushaltung. Deshalb lassen wir unsere Elefanten in unserem Zoo in Rapperswil. Die Raubtiere brauchen Außengehege, das ist nicht mehr auf jedem Standplatz möglich. Wir haben Pferde, Kamele, Lamas, Hunde, Ziegen im Programm. Mit diesem Konzept kommen wir sehr gut zurecht. Die Zuschauer haben das akzeptiert.
Gibt es zu viel Aufregung um Wildtiere im Zirkus?
Knie: Keiner würde Eintritt bezahlen, um sich Tierquälerei anzuschauen. Unsere Vorstellungen in der Schweiz sind immer voll. Die Leute wissen, dass sie gute Tierdarbietungen sehen. Es ist aber nicht nur die Präsentation in der Mange. Was hinter den Kulissen passiert, ist genauso wichtig. Ich behaupte nicht, dass Tierhaltung in allen Zirkussen gut ist. Auch nicht alle Haustierhaltungen sind gut. Nur wird das nie an die große Glocke gehängt. Im Moment ist es Mode, dem Thema Tiere im Zirkus hinterherzurennen.
In Heilbronn gilt ein Wildtierverbot, das den Weihnachtszirkus ab dem nächsten Gastspiel 2019 trifft. Glauben Sie, das wird sich auf das Publikumsinteresse auswirken?
Knie: Wenn Weihnachtszirkusdirektor Sascha Melnjak schlau ist, wird das trotzdem funktionieren. Diesmal gibt es schon keine Elefanten oder Raubtiere, dafür Pferde, Seelöwen, Kamele, Ponys. Das Publikum ist zufrieden mit dem Tierangebot. Mir ist es nicht mehr wichtig, was meine Pferde bei ihrem Auftritt machen, sondern wie sie es machen. Die Pferde müssen ihre natürliche Schönheit präsentieren. Alles, was sie in der Manege zeigen, das machen sie auch draußen auf der Weide. Auch Leute, die keine Pferdefanatiker sind, können sehen, dass es den Tieren gut geht und dass sie Lebensfreude haben.
Manche sind der Ansicht, das geht für Tiere nur in der freien Wildbahn.
Knie: Man muss nicht denken, dass ein Tier in freier Wildbahn stressfrei lebt. Im Gegenteil. Es lebt unter Dauerstress. In menschlicher Obhut ist das nicht der Fall. Aber man muss Tiere gut beschäftigen, sonst langweilen sie sich zu Tode. Man nimmt ihnen die Futtersuche. Sie müssen nicht kilometerweit laufen, um nicht zu verhungern oder zu verdursten. Sie müssen auch nicht um ihr Leben, um ihre Gesundheit oder die Rangordnung kämpfen. In freier Wildbahn werden sie nur halb so alt. Wir neigen dazu, die freie Wildbahn zu idealisieren. Warum den Papagei im Zirkus verbieten, aber als Haustier erlauben? Dort sitzen Papageien oft den ganzen Tag in einem kleinen Käfig auf ihrer Stange.
Viele Zirkusunternehmen haben das Handtuch geworfen. Hat Zirkus überhaupt noch eine Zukunft?
Knie: Für mich ja. Ich bin überzeugt, dass es den Zirkus weiterhin geben wird. Seit er existiert, haben schon immer Zirkusse aufgehört, dafür sind wieder neue gekommen. Das Beispiel vom Heilbronner Weihnachtszirkus zeigt das. Er läuft jedes Jahr besser. Er ist nicht stehengeblieben, sondern hat sich immer weiterentwickelt. Dahinter steht das positive Denken, das ein guter Zirkusbetreiber braucht, um Erfolg zu haben. Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, ist weg.
Wie muss Zirkus sein, damit er in zehn Jahren noch Erfolg hat?
Knie: Zirkus muss eine Mischung sein aus Tradition und Moderne. Das Publikum will unterhalten sein. Wenn Leute nicht mehr kommen, liegt es nicht daran, dass es keine Elefanten mehr gibt. Das gesamte Programm muss stimmen, egal ob mit vielen oder mit wenigen Tieren. Wer im Zirkus war, muss am Ende sagen können, dass er seinen Alltag vergessen konnte und sich die Kindheit zurückversetzt fühlte. Die Stimmung in einem Zirkuszelt kann kein Internet zeigen. Im Zirkus träumen zu können, das ist das Wichtige.
Zur Person
Fredy Knie (72) gehört zur sechsten Generation der Schweizer Zirkusfamilie Knie. Die Aufgabe als künstlerischer Direktor des Nationalzirkus hat er inzwischen an seine Tochter Géraldine (44) weitergegeben. Derzeit bereitet Fredy Knie das Jubiläumsprogramm zum 100-jährigen Bestehen vor und wird 2019 noch mal mit seinen Pferden in die Manege zurückkehren. Jedes Jahr hat Fredy Knie eine Vorstellung im Heilbronner Weihnachtszirkus besucht.
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