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"Das ist der Beginn einer Schließungswelle"

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Einen massiven Mangel an Pflegeheimplätzen prophezeit der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste. Stefan Kraft, Leiter der Landesgeschäftsstelle Baden-Württemberg, fordert die Politik auf, die strengen Vorgaben für Heimbetreiber noch einmal zu überdenken.

Von unserem Redakteur Alexander Hettich STUTTGART Einen massiven Mangel an Pflegeheimplätzen prophezeit der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste. Stefan Kraft, Leiter der Landesgeschäftsst
Stefan Kraft
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Stefan Kraft Foto: privat  Foto: Hettich, Alexander

Kleine Pflegeheime in der Region schließen und nennen als Grund die neuen Vorschriften in der Heimbauverordnung. Ist das erst der Anfang?

Stefan Kraft: In der Tat. Das ist mit Sicherheit der Beginn einer größeren Schließungswelle. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ab 2019 im Land fast 18?000 Pflegeplätze fehlen werden. Schon jetzt gibt es einen akuten Mangel bei Kurzzeitpflegeplätzen. Das sind die Vorboten für den Mangel, der ab 2019 im vollstationären Bereich eintreten wird.

 

Welcher Punkt macht den Betreibern besonders zu schaffen?

Kraft: Das Einzelzimmergebot ist für die Betreiber das größte Problem. Vor allem kleinere Häuser mit Doppelzimmern haben hier Schwierigkeiten. Der Umbau ist oft wirtschaftlich nicht darstellbar, wenn die wegfallenden Doppelzimmerplätze nicht durch neue Einzelzimmerplätze ersetzt werden können.

 

Die Verordnung ist schon seit 2009 in Kraft, es gab eine zehnjährige Übergangsfrist. Ist das nicht genug Zeit, um sich auf neue Rahmenbedingungen vorzubereiten?

Kraft: Zehn Jahre hört sich erst einmal nach viel an. Aber die Investitionskosten der Einrichtungen werden auf einen Zeitraum von 40 Jahren kalkuliert, erst dann sind sie refinanziert. Die Betreiber könnten die Investitionen zwar auf die verbleibenden Plätze umlegen. Für die verbleibenden Bewohner wird es in jedem Fall teurer. Unter Umständen sind Einrichtungen, die in einen Umbau investieren, am Ende teurer als neue Pflegeheime. Auch bei guter Pflegequalität sind sie dann nicht mehr wettbewerbsfähig.

 

Dass ältere Menschen nicht gegen ihren Willen mit anderen in einem Doppelzimmer zusammenleben müssen, ist doch zweifellos eine Verbesserung, oder?

Kraft: Es war auch vor 2009 nicht so, dass Bewohner gezwungen wurden, mit Fremden zusammenzuleben. Manche Bewohner wünschen sich, mit anderen zusammen zu wohnen, und es gibt auch Ehepaare in den Pflegeheimen. Außerdem kann es auch fachliche Gründe für eine Versorgung im Doppelzimmer geben, etwa bei bestimmten Formen von Demenzerkrankungen. Dann ist es mitunter gar nicht sinnvoll, wenn Bewohner alleine in einem Zimmer leben. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das so strikte Vorgaben macht und auch Bestandseinrichtungen ausschließlich Einzelzimmer vorschreibt.

 

Ihr Verband hat sich immer gegen die neuen Bestimmungen ausgesprochen. Was hätten Sie sich von der Politik gewünscht?

Kraft: In anderen Bundesländern gibt es Quoten von 80 Prozent, und das nur bei neuen Einrichtungen. Wir hätten uns einen Bestandsschutz für bestehende Einrichtungen gewünscht. Der Bedarf an Pflegeplätzen steigt aufgrund der demografischen Entwicklung. Gleichzeitig wird das Angebot künstlich verknappt. Wir setzen uns daher weiterhin dafür ein, dass zumindest die Übergangsfristen deutlich verlängert werden.

 

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