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Corona: Das Amen in der Kirche ist nicht mehr sicher

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Öffentliche Gottesdienste sind in der Corona-Krise absolut tabu. Was wird bloß aus Ostern?, fragen sich viele. Kirchengemeinden in der Region Heilbronn reagieren mit alternativen Formaten und Online-Angeboten.

"Ruhezeit" in der Kilianskirche. Wegen Corona dürfen keine Gottesdienste gefeiert werden. Etliche Gemeinden entwickeln jetzt Alternativen.
Foto: Andreas Veigel
"Ruhezeit" in der Kilianskirche. Wegen Corona dürfen keine Gottesdienste gefeiert werden. Etliche Gemeinden entwickeln jetzt Alternativen. Foto: Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Ein Schrei des Entsetzens hallt durchs Deutschordensmünster, als Dekan Roland Rossnagel vor einer Woche bekannt gibt: Dieser Gottesdienst dürfte für lange Zeit der letzte gewesen sein. "Herr Pfarrer, das darf doch nicht wahr sein!", ruft eine ältere Frau in gebrochenem Deutsch. "Gerade ältere Menschen und solche, die aus Ländern kommen, wo die Kirche ein Rettungsanker ist, trifft es besonders hart," weiß der Seelsorger.

Wie im Zweiten Weltkrieg

Die Corona-Krise geht auch an Gotteshäusern nicht spurlos vorrüber. In katholischen Kirchen finden dieses Wochenende erstmals keine Sonntagsmessen mehr statt. "Das hat es noch nie gegeben", sagt der Dekan, "höchstens im Zweiten Weltkrieg." In evangelischen Kirchen fielen schon vor einer Woche Gottesdienste aus: nach einer Empfehlung des Landesbischofs, die erst am Samstag per Mail verschickt worden war. Etliche Protestanten kamen trotzdem. In der Kilianskirche, aber auch anderswo trafen sie auf offene Tore und Seelsorger. "Statt der üblichen 40 bis 50 kamen immerhin 17", berichtet der Sontheimer Pfarrer Matthias Treiber. "Wir haben uns im Freien versammelt, Abstand gehalten und aus kopierten Liedblättern gesungen, da wir die Gesangbücher wegen Corona sowieso zurückgehalten hatten".

Beerdigungen mit Adressangaben

Problematischer ist es laut Treiber bei Beerdigungen, wenn sich mehr als die erlaubten 50 Personen um den Sarg versammeln. "Auf den Handschlag verzichten inzwischen alle, aber wie will man am Grab Abstand halten? Da verliert sich doch alles." Bezüglich der vorgeschriebenen Teilnehmerliste hat sich Pfarrer Treiber mit dem Bestatter darauf verständigt, dass alle Trauernden nicht nur Vor- und Nachname ins Kondolenzbuch eintragen, sondern auch die Adresse, "aber mit dem eigenem Kugelschreiber!"

Bestimmungen wurden verschärft

Im Laufe der Woche hat die katholische Kirche ihre Vorgaben verschärft. Bis zum 19. April sind alle Veranstaltungen kirchlicher Träger abgesagt, erklärt Regionalpressesprecher Arkadius Guzy. Ostern ohne die vielfältige, oft musikalisch untermalte Liturgie zwischen Gründonnerstag, Karfreitag bis zur Auferstehungsfeier, der Papst beim Ostersegen allein auf dem Petersplatz? Da blutet vielen Gläubigen das Herz. Nicht genug. Kirchliche Trauungen sind bis Mai tabu, auch große Tauffeiern, Weißer Sonntag und Firmungen müssen ab Herbst nachgeholt werden. "Mal sehen, wie wir das überstehen", sagt Matthias Hornung. Der Kirchhausener Event-Caterer mit seiner Firma "Rote Brigade" spricht damit für viele Gastronomen, für die solche Feiern ein wichtiges Standbein sind.

Auf der Suche nach Alternativen

Gleichzeitig wird überall an Alternativen gefeilt. Allen voran wollen die Heilbronner Dekane Roland Rossnagel und Christoph Baisch "Zeichen der Hoffnung und Verbundenheit" setzen. Sie empfehlen allen Gemeinden, sonntags um 10 Uhr und täglich um 18 Uhr alle Glocken läuten zu lassen: als Einladung zur Besinnung daheim. In ökumenischer Verbundenheit haben sie ein Gebetsblatt aufgelegt, das - wie andere Impulse - online abrufbar ist.

Neue Formate via Internet

"Corona schränkt zwar unser Leben ein, nicht aber unseren Glauben. Dieser ist nicht von gewohnten Veranstaltungsformaten abhängig," betont der Eppinger Dekan Friedhelm Bokelmann. Er öffnet täglich zwischen 19 und 21 Uhr die Kirche, regt an, den Wecker zum 20-Uhr-Gebet zu stellen, intensiviert die Telefonseelsorge und bietet sonntags Livestream-Gottesdienste.

Die Seelsorgeeinheit Krumme Ebene, so berichtet der Gundelsheimer Pfarrer Hansjörg Häuptle, setze täglich "ein Licht der Hoffnung und ein Zeichen der Verbundenheit": Um 19 Uhr soll jeder Haushalt eine Kerze ans Fenster stellen - oder sicherheitshalber ein LED-Licht. Zudem habe das Pastoralteam eine ganze Reihe von Angeboten entwickelt. Das Kernproblem ist für Häuptle, "dass uns der Kontakt, wie wir ihn gewohnt waren, genommen ist", also Gespräche nach dem Kirchgang, der Besuch zum Geburtstag "oder wo auch immer wir einander trafen". Um so wichtiger sei es, zu zeigen, "dass wir alle noch da sind und ansprechbar, wenn auch nur per Telefon oder Mail".

Dabei will man es in Gundelsheim, Eppingen und anderen Orten nicht nur bei Zeichen und Worten belassen. Etliche Kirchen und Kommunen bieten inzwischen älteren Menschen Einkaufsdienste an.


 

Online-Angebote der Kirche

Die Kirchen setzen wegen Corona verstärkt auf Online. Infos und Impulse gibt es beispielsweise unter www.kirche-heilbronn.de sowie www.katholisch-hn.de oder kirche-eppingen.de, aber auch auf den Homepages der Landeskirchen und der Diözesen, die man leicht googeln kann. ARD, ZDF sowie manche Radiosender übertragen Sonntagsgottesdienste. Martha Jochim aus Oedheim weist uns darauf hin, dass auf BWTN fast rund um die Uhr TV-Gottesdienste übertragen werden. Musikalische Grüße aus der Kilianskirche gibt es unter www.kirchenmusik-heilbronn.de, eine Abendandacht von Pfarrer Matthias Marschall, Nikolaikirche, unter www.facebook.com/NikolaikircheHeilbronn.

Die Sontheimer Matthäusgemeinde und die Heilbronner Südgemeinde beabsichtigen, am Sonntag einen Gottesdienst auf www.kirche-heilbronn.de anzubieten. In der Nikolaigemeinde gibt es ähnliche Überlegungen. Auch über www.stream-kirche-eppingen.de gibt es am Sonntag ab 10.30 Uhr einen Gottesdienst zu sehen. 

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