BUND warnt vor Zwischenlagern
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hat eine Studie präsentiert, die den deutschen Atomkraft-Zwischenlagern schlechte Noten gibt. Diese seien nicht ausreichend gegen Terrorangriffe geschützt, es fehle an Reparatur- und Inspektionsmöglichkeiten. Die Atomaufsicht hält die Anlagen für sicher.

Die Studie der Diplom-Physikerin Oda Becker (Hochschule Hannover) verweist zudem auf wachsende Risiken, weil die Lager deutlich länger in Betrieb bleiben müssen als ursprünglich gedacht. Das Landesumweltministerium teilt diese Sicherheitsbedenken nicht.
"Wer Vertrauen in ein neues Suchverfahren für ein Atommüll-Endlager aufbauen will, der muss auch die derzeitigen Zwischenlagerprobleme offen diskutieren", fordert der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die von den Umweltschützern in Auftrag gegebene Studie reiht eine Reihe von Kritikpunkten aneinander. Einige Beispiele:
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	Materialveränderungen: Mit zunehmender Lagerdauer sei davon auszugehen, dass sich der Zustand der Castorbehälter und der bestrahlten Brennelemente verändert. "Alterungseffekte können an zahlreichen Behälterkomponenten auftreten", schreibt Becker. 
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	Anschläge: Laut Studie sind Terroranschläge mit modernen panzerbrechenden Waffen oder gezielten Flugzeugabstürzen nicht auszuschließen. Die Schutzvorkehrungen müssten verbessert werden. Das GKN-Zwischenlager in Neckarwestheim ist allerdings ein Sonderfall, weil es nicht in einer Halle, sondern in unterirdischen Stollen untergebracht ist. 
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	Heiße Zellen: Sobald Ende 2022 das letzte Kernkraftwerk (GKN II) vom Netz gegangen ist und die sogenannten heißen Zellen außer Betrieb sind, gibt es keine Möglichkeit mehr, die Castoren an den jeweiligen Standorten zu öffnen. Kontrollen oder Reparaturen an Deckeln wären also nicht möglich. 
Der BUND fordert vor diesem Hintergrund, das Lagerkonzept grundsätzlich zu überdenken. Zu klären sei, "welche Nachrüstungen erforderlich sind und ob eventuell verbesserte Neubauten die alten Lager ersetzen müssen", sagt der BUND-Vorsitzende Weiger.
Das von Franz Untersteller (Grüne) geführte Umweltministerium verweist auf die Endlagersuche. Laut Gesetz soll bis 2031 ein Standort gefunden sein, die Anlage dann gegen 2050 in Betrieb gehen. Nur: An diese Zeitplanung glaubt kaum einer der Fachleute.
Manche Experten rechnen damit, dass ein zentrales Endlager gegen 2100 fertig ist. "Wenn das Verfahren nicht rechtzeitig zum Erfolg führen sollte und die dann geltenden Sicherheitsanforderungen in den bestehenden Zwischenlagern nicht mehr erfüllt werden könnten, müsste das Zwischenlagerkonzept in der Tat rechtzeitig überdacht werden", erklärt ein Sprecher des Ministeriums.
Atomaufsicht: Spekulationen und Allgemeinplätze
Generell hält die Atomaufsicht die Aussagekraft der BUND-Studie aber für begrenzt. Diese sei weitgehend die Wiedergabe von juristischen und politischen Darstellungen sowie Spekulationen und enthalte hinsichtlich sicherheitstechnischer Erkenntnisse lediglich Allgemeinplätze und Auffassungen anderer Sachverständiger. Beispiel Castoren: Deren Dichtigkeit werde permanent überwacht. Bisher seien an keinem Behälter Undichtigkeiten aufgetreten.
Falls der Primärdeckel versage, gebe es als zweite Barriere den Sekundärdeckel. Das derzeit gültige Verfahren sieht vor: Hält der erste Deckel nicht mehr dicht, wird von außen ein sogenannter Fügedeckel montiert, damit wieder zwei funktionierende Barrieren zur Verfügung stehen. "Dieses Konzept wurde geprüft und erfüllt danach die Anforderungen an die Schadensvorsorge", argumentiert das Ministerium. Und sind die Lager ausreichend gegen Angriffe geschützt? Antwort des Umweltministeriums: "Ja. Die Sicherung wird außerdem ständig an die aktuelle Bedrohungslage angepasst."
Zwischenlager in Neckarwestheim
Das Zwischenlager auf dem GKN-Gelände in Neckarwestheim ist 2006 in Betrieb gegangen. Es bietet Platz für 151 Castoren. Nach Betriebsende von GKN II Ende 2022 werden rund 125 Plätze belegt sein. Dazu kommen 15 Behälter aus Obrigheim. Die Kapazitäten sind deshalb zu groß, weil das Lager vor dem Atomausstieg geplant und gebaut worden ist. Die beiden unterirdischen Tunnel sind 14 Meter breit, 18 Meter hoch und rund 90 Meter lang.
Diese Woche gab es in einem Lagerstollen ein sogenanntes meldepflichtiges Ereignis. Bei einer Krananlage wurde eine Störung der Überlast-Überwachung angezeigt. Der Kran war nach Auskunft des Landesumweltministeriums nicht in Betrieb. Der Betreiber EnBW plant eine Reparatur. Bis zum Abschluss der Arbeiten soll der Kran außer Betrieb bleiben.
Offene Fragen
Ein Kommentar von Reto Bosch
Die vom BUND in Auftrag gegeben Studie ist im Grunde als Zusammenfassung bestehender Meinungen und Arbeiten von Sachverständigen zu sehen. Ihr Wert besteht nicht darin, neue technischen Erkenntnisse ans Tageslicht gebracht zu haben. Das Landesumweltministerium spricht ja sogar von "Spekulationen" und "Allgemeinplätzen". Die Studie betont aber völlig zu Recht, dass langfristig Handlungsbedarf besteht.
Die Zwischenlager sind in der Erwartung geplant, genehmigt und gebaut worden, dass in absehbarer Zeit ein Endlager zur Verfügung steht. Aber damit ist nicht zu rechnen. Darüber täuscht auch die Augenwischerei des Endlagergesetzes nicht hinweg, in dem die Jahreszahl 2031 auftaucht. Bis dahin soll ein Standort gefunden sein. Erstaunlich, dass das Landesumweltministerium an dieses Ziel noch zu glauben scheint.
Also: Die Zwischenlager bleiben viel länger in Betrieb als die angepeilten 40 Jahre. Die hochradioaktiven Brennelemente setzen den Castoren deutlich länger zu als die genehmigten 40 Jahre. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung des BUND konsequent: Das Zwischenlagerkonzept muss gründlich durchleuchtet werden. Sind die Lager selbst nachzubessern? Welche Anforderungen müssen die Castoren für einen zweite Genehmigung erfüllen? Wie wirken sich Alterungseffekte aus? Müssen die Standorte womöglich dauerhaft heiße Zellen vorhalten, um die Castoren öffnen zu können? Und die Antworten auf diese Fragen sollten nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesucht werden.
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