Vorsitzender des Bauernverbandes: "In erster Linie ist es sicher der Bundesfinanzminister"
Der Vorsitzender des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg spricht im Interview über die anhaltende Empörung der Landwirte und was im Raum Heilbronn bald an Bauernprotesten zu erwarten ist.

In der Vorweihnachtszeit demonstrierten tausende Landwirte in Deutschland gegen die Sparpläne der Ampel-Regierung, unter anderem die Subventionen für Agrardiesel zu streichen. Die Proteste machten bundesweit Schlagzeilen. Bisher wurde keine der geplanten Streichungen zurückgenommen und es kündigen sich bereits weitere Protestaktionen der Landwirte an. Stefan Kerner, Vorsitzender des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg, äußert sich im Interview mit der Heilbronner Stimme zur Situation der Landwirte und zum weiteren Vorgehen im neuen Jahr.
Wen treffen die Pläne der Bundesregierung besonders und geht der Wegfall der Subventionen tatsächlich an die Existenz, wie viele Landwirte behaupten?
Stefan Kerner: Grundsätzlich trifft es jeden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Land. Die Rückvergütung des Agrardiesels für Landwirte rührt ja daher, dass Landwirte ihren Treibstoff zu 90 Prozent und mehr bei der reinen Feldarbeit verbrauchen, denn sonst sind wir mit den eingesetzten Traktoren nicht auf öffentlichen Straßen unterwegs, höchstens dann, wenn die landwirtschaftlichen Produkte zu den Abnahmestellen transportiert werden. Genau genommen handelt es sich beim Agrardiesel auch eher um eine teilweise Rückerstattung. Landwirte zahlen zunächst den normalen Dieselpreis. Unter sehr hohem bürokratischen Aufwand und nach genauen behördlichen Überprüfungen, kann binnen eineinhalb Jahren eine Rückvergütung von 21 Cent pro Liter Diesel geltend gemacht werden.
Gibt es eine ungefähre Angabe darüber, was einem durchschnittlichen Landwirt nach Wegfall dieser Rückerstattung an Einkommen fehlen würde?
Kerner: Das ist je nach Größe des Fuhrparks verschieden, aber der Wegfall kann eine Erhöhung der Betriebsausgaben von fünf bis acht Prozent verursachen. Ich würde durchschnittlich von einem Verdienstausfall (Kostensteigerung) zwischen 5000 und 8000 Euro ausgehen. Die Situation ist ungefähr vergleichbar mit einem normalen Arbeitnehmer, dem man aus heiterem Himmel sagt, dass er bald 700 Euro weniger Lohn pro Monat bekommt, für die gleiche Arbeit und hierbei sprechen wir von einer durchschnittlichen von mindestens 60 Stunden pro Woche.
Cem Özdemir hat sich als Landwirtschaftsminister auf die Seite der Landwirte gestellt. Rechnen Sie mit einem Einlenken der Ampel in nächster Zeit?
Kerner: Es finden momentan Gespräche im Hintergrund statt. Man wird sehen, wie es kommt. Was mich allerdings nach meinem persönlichen Empfinden an der ganzen Sache überrascht ist, dass sämtliche Landespolitiker ihr vollstes Verständnis für die Landwirte ausdrücken. Da stellt sich dann doch die Frage, warum die Länder nicht mehr auf den Bund eingewirkt haben. Somit wären die Fehler nicht nur allein bei der Bundesregierung zu suchen, wobei natürlich nicht ganz klar ist, wer jetzt genau für diese Pläne verantwortlich ist. In erster Linie ist dies sicher der Bundesfinanzminister, keine Frage. Das Bundeslandwirtschaftsministerium ist jedoch unter grüner Führung.
Hat sich die Regierung also einfach nicht vertieft genug mit der Thematik beschäftigt und sich einen Schnellschuss erlaubt?
Kerner: Meiner Meinung nach wird in der deutschen Politik vor allem im landwirtschaftlichen Bereich oft nicht bis zum Ende gedacht. Wir haben in Deutschland kein Steuereinnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Und dann werden einfach Ressorts und Bereiche gesucht, wo man etwas wegstreichen kann, für mich der völlig falsche Ansatz.
Hatte sich unter den Landwirten schon länger Unmut auf die Regierung aufgestaut?
Kerner: Das kann ich definitiv mit einem Ja beantworten. Die jüngsten Ereignisse verkörpern nur die Spitze des Eisberges. Die Landwirte haben eine permanente politische Achterbahnfahrt hinter sich. In der breiten Gesellschaft werden wir zwar noch gut wahrgenommen, aber es gibt kaum Politiker, die einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben. Wir sind für eine moderne Transformation im landwirtschaftlichen Bereich, aber uns werden teilweise Vorschriften aufgezwungen, die sich eher an landwirtschaftlich ferne Branchen anlehnen. Zum Beispiel gibt es fixe Termine für eine bestimmte Aussaat, ganz gleich, ob es draußen regnet und zu nass ist. So etwas macht wenig Sinn, vor allem wenn zwei Wochen nach dem Fixtermin ideale Wetterbedingungen herrschen. Wir sind fast schon Kalenderbauern geworden, anstatt richtige Landwirte zu sein. Es sollte uns ein gewisser Spielraum bleiben, unseren gelernten Beruf auch nach bestem Wissen auszuüben.
Der Bauernverband kündigt ab 8. Januar eine Aktionswoche an, sollte die Streichung der Subventionen nicht zurückgenommen werden. Mit welchen Aktionen muss in diesem Fall in der Region und in ganz Deutschland gerechnet werden?
Kerner: Am 8. Januar werden wir an bestimmten Verkehrsknotenpunkten in Baden-Württemberg demonstrieren. Vielleicht werden wir dadurch den Verkehr etwas verlangsamen, um auf uns aufmerksam zu machen. Blockaden könnten erst später ein Thema werden. Dann werden wir definitiv am 15. Januar wieder vor dem Brandenburger Tor stehen. Wir freuen uns über Solidarität aus der Bevölkerung, aber wir wollen friedlich für unsere Anliegen einstehen.
Was sollte sich für Landwirte künftig ändern?
Kerner: Wir müssen dringend mit angemessenen Preisen für unsere landwirtschaftlichen Produkte entlohnt werden. Damit wären die Rückerstattungen dann kein so großes Problem mehr. Stattdessen verlaufen wir uns in Auflagen und Bestimmungen, während gleichzeitig günstige Importware ins Land kommt, mit der wir dann konkurrieren müssen. Das ist ein Widerspruch.

Zur Person
Stefan Kerner (41) ist seit eineinhalb Jahren Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg. Außerdem ist der gebürtige Erlenbacher Teil des geschäftsführenden Vorstandes im Landesbauernverband Baden-Württemberg. Der Familienvater ist studierter Agrarwirt und übernahm 2006 den elterlichen Betrieb. Mit der Erlenbacher Ölmühle führt der Landwirt und Unternehmer auch einen Direktvertrieb auf seinem Hof.