Anzeigen leicht gemacht: Eine App gegen Falschparker
Privatpersonen zeigen Falschparker neuerdings mithilfe des Smartphones an. Das geht ganz einfach mit einer App. Ordnungsämter müssen die Verstöße nicht zwingend ahnden. Der ADAC warnt vor dem "öffentlichen Pranger".

Falschparker sind manchen ein Dorn im Auge. Vor allem Radfahrer sind zunehmend genervt über Autofahrer, die ihre Routen zustellen. Doch nun gibt es verschiedene Apps wie Wegeheld oder Park Collect, die sich auf dem Smartphone herunterladen lassen und eine Fotofunktion haben.
Die Anzeigen gegen Falschparker lassen sich ganz leicht per Klick an die Ordnungsämter weiterleiten. Ahnden müssen die Kommunalbehörden die von Privatpersonen gemeldeten Verstöße gegen die Parkregeln nicht zwingend. Manche Städte tun es, andere nicht.
Eine gewisse "Schleuse" ist eingebaut
In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden in Heilbronn insgesamt 24.330 Falschparker angezeigt, berichtet Rathaus-Sprecher Christian Britzke. Davon stammten 3727 Anzeigen von Privatpersonen. "Bei der Bevölkerung gilt, wer sich als Zeuge zur Verfügung stellt, der kann auch eine Anzeige via App einreichen", so Britzke. Jede Privatanzeige werde geprüft. Sei sie unbegründet, werde sie nicht weiter verfolgt. Für die Falschparker sei ersichtlich, wer die Anzeige aufgegeben habe.
Britzke erklärt, dass die Freizeitkontrolleure eine Hilfe für das Ordnungsamt seien, da die Mitarbeiter des Amtes ja nicht überall gleichzeitig sein könnten. Da sich die Anzeigenersteller als Zeugen zur Verfügung stellen müssen, sei hier eine gewisse "Schleuse" eingebaut, so dass die privaten Anzeigen nicht ausufern.
Das Ordnungsamt in Neckarsulm sprach 2019 insgesamt 10.070 Verwarnungen gegen Falschparker aus. "Entsprechende Apps werden auch von Bürgern genutzt, um Anzeigen zu erstatten", berichtet Verwaltungssprecher Andreas Bracht. Allerdings ließe sich im Nachhinein nicht nachvollziehen, wie viele Anzeigen per App und wie viele nur per Foto/E-Mail eingegangen sind. Bracht: "Insgesamt werden solche Apps aber in Neckarsulm in geringem Umfang genutzt."
Das Eppinger-Rathaus bietet seinen Bürgern eine Service-App an, die auch eine Foto-Funktion hat. Über diesen Kanal sei aber bis jetzt keine Anzeige gegen Falschparker eingegangen, teilt Pressesprecherin Cathrin Leuze mit. Privaten Anzeigen gegen Falschparker werde in Eppingen grundsätzlich nicht nachgegangen. "Wir kontrollieren alles selber", unterstreicht Cathrin Leuze.
Anders wäre es, wenn Autofahrer gewohnheitsmäßig ständig vor Hydranten oder auf Zebrastreifen parken würden. Bei diesen Dauer-Falschparkern würde das Ordnungsamt reagieren, wenn sie von Privatpersonen gemeldet würden.
ADAC macht "reißerische Werbung" Sorge
Der ADAC nimmt bei dem Thema eine "vermittelnde Haltung" ein, sagt Dieter W. Roßkopf. Der Vorsitzende des ADAC Württemberg und Heilbronner Anwalt für Verkehrsrecht versichert: "Jeder muss sich ja auch wehren können, wenn seine Einfahrt durch Falschparker versperrt ist." Insofern sei gegen die Apps nichts einzuwenden, sie entsprächen der Zeit.
Doch was nicht gehe, sei der öffentliche Pranger. "Das ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in Ordnung." Auch das Kfz-Kennzeichen gehöre zu den personenbezogenen Daten. Was Roßkopf und dem ADAC Sorgen macht, ist "reißerische Werbung" im Internet, in der der App-Anbieter "bis zu 40 Euro pro Falschparker" verspricht. Roßkopf: "Wir wollen mehr Miteinander, nicht Gegeneinander im Straßenverkehr."
Volker Geis nutzt die Apps nicht, sagt der Sprecher der Heilbronner Kreisgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs. Es gebe viele Menschen, die wegen der vielen Autos Angst hätten, in der Stadt Fahrrad zu fahren. Die Stadt versuche etwa mit Radstreifen, die Sicherheit für Radler zu erhöhen. "Diese Bemühungen werden vielfach konterkariert, weil Autofahrer zu bequem sind, einen legalen Parkplatz zu suchen". Geis kann deshalb verstehen, wenn eine App als "Maßnahme der Gegenwehr eingesetzt wird". Tatsächlich ist "Wegeheld" aus diesen Motiven entstanden. Appnutzer werden aufgefordert: "Hilf" mit, dass Falschparker von Geh- und Radwegen, Behindertenparkplätzen oder Busspuren verschwinden."
Bei Parkverstößen handelt es sich um Ordnungswidrigkeiten, nicht um Straftaten. Ordnungsämter sind nicht verpflichtet, sie zu ahnden. Wer Falschparker fotografiert, läuft Gefahr, Datenschutz- und Personenrechte zu verletzen. Die Bilder dürfen nur zweckgebunden verwendet werden. Heikel wird es, wenn diese Bilder im Internet veröffentlicht werden, ohne etwa das Nummernschild des Wagens unkenntlich zu machen. Auf zivilrechtlichem Wege können Geschädigte Schadenersatz einklagen. Wenn die Anzeigen von Privatpersonen völlig haltlos sind, könnte der Straftatbestand der falschen Verdächtigung erfüllt sein.
Kommentar von Helmut Buchholz: Fluch und Segen
Privatanzeigen gegen Falschparker gibt es schon länger. Nur waren sie früher mit mehr Aufwand verbunden. Mit den Apps auf dem Smartphone geht das alles ruck, zuck, inklusive Foto. Diese bequeme Möglichkeit öffnet Missbrauch Tür und Tor. Wer so einfach Leute anzeigen kann, die in den Augen des Anzeigenerstatters etwas Unrechtes getan haben, wird dazu verleitet, diese Option im Überfluss zu nutzen. Das endet dann schnell im Denunziantentum. Für selbsternannte Dorfsheriffs kann so das Smartphone zum – bildlich gesprochen – locker sitzenden Colt werden. Wenn manche App-Anbieter mit einer Art Kopfgeld pro angezeigtem Falschparker werben, dann zeigt das in die Richtung, in die übertrieben engagierte Hobbykontrolleure das System treiben können.
Wie so oft, ist das Internet auch in diesem Fall Fluch und Segen. Denn viele Radler sind es zu Recht leid, dass ihre Wege von ignoranten Autofahrern zugeparkt werden. Auch für die Ordnungsämter können die mit den entsprechenden Apps bestückten Smartphones Hilfe und Ergänzung sein, denn die Politessen können nicht gleichzeitig überall sein. Und beispielsweise das Parken auf Behindertenparkplätzen gilt ja unter den notorischen Falschparkern als Kavaliersdelikt. So liegt es am Ende an jedem Einzelnen selbst und an den Ordnungsämtern, die ihre Handlungsspielräume nutzen können, um das Ganze zum Guten zu wenden. Augenmaß ist gefragt.

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