An Kitas fehlen Erzieherinnen und Erzieher
Überall und in zunehmendem Maße fehlen Fachkräfte: Die sozialpädagogischen Schulen bilden aus, so viel sie können.

Spätestens seit Kinder bundesweit vom ersten Geburtstag an einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben, werden händeringend Erzieher gesucht - also seit 2013. Hinzu kommt in den nächsten Jahren eine Verrentungswelle auf die Kitas zu. Gleichzeitig winkt am Horizont schon der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule - die Bundesregierung hat den Gesetzesentwurf im Mai verabschiedet. Die Corona-Pandemie hat außerdem so manches Praktikum verhindert und Verunsicherung geschürt.
Wegen Corona fällt die Werbung für den Beruf weg
Isabel Engelhaus, Leiterin der Erzieherakademie Heilbronn, hat beobachtet: "Wir hatten im ersten Jahr wesentlich mehr Bewerbungen als im zweiten." Ihre private, zu Phorms Education gehörende Ausbildungsstätte auf dem Bildungscampus besteht erst seit 2019. "Schulbörsen fielen aus. Wir konnten den Beruf dadurch nicht vorstellen und nicht so viel Werbung dafür machen", hält Engelhaus außerdem für einen der Pandemie geschuldeten Grund für den nachgelassenen Andrang. Dennoch werden die zwei Klassen, in denen Schüler nach mindestens Realschul- oder einschlägigem Berufsabschluss praxisnah auf die staatliche Erzieherprüfung vorbereitet werden, voll werden.
60 bis 70 zukünftige Profi-Pädagogen nimmt die Erzieherakademie pro Jahrgang auf. Neben den beiden Klassen der dualen, vergüteten und praxisintegrierten Erzieherausbildung PIA bereitet die von der Dieter-Schwarz-Stiftung geförderte Einrichtung in einer Klasse auch jüngere Schüler im einjährigen Berufskolleg für Sozialpädagogik (BKSP) auf den Erzieheralltag vor.
Neckarsulmer Schule spürt keinen Mangel
Etwas anders sieht es in Neckarsulm an der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik St. Martin aus: "Wir haben keinen Nachwuchsmangel, weder bei Schülern noch bei Lehrern", sagt Dr. Thomas Ochs. Der Schulleiter ist stolz auf seine schon lange etablierte Erzieher-Ausbildungsstätte mit derzeit insgesamt 320 Schülern. "Wir bilden die ganze Bandbreite aus und für alle Träger." Das heißt: Erzieher für Kinder und Jugendliche - von Baby an bis zur Volljährigkeit - und für Krippen, Kindergärten, Ganztagesbetreuung oder auch Heime.
Auch für das neue Ausbildungsjahr ab September ist St. Martin schon voll. "Wir haben mehr Bewerber als Plätze", sagt Ochs. Auf der Warteliste für die PIA stehen allerdings erst fünf bis sechs Leute. Wenn es mehr werden, verspricht Ochs: "Wir wären in der Lage, aus dem Stand eine neue Klasse aufzumachen. Wir haben die Räumlichkeiten und Lehrkräfte, die aufstocken wollen."
Auch die Christiane-Herzog-Schule (CHS) in Heilbronn-Böckingen bildet zukünftige Erzieher sowohl klassisch am Berufskolleg als auch in der PIA aus. "Wir stoßen an Grenzen", sagt jedoch die Leiterin der Abteilung Sozialpädagogik der Schule, Sabine Brandt. Der Bedarf an Erziehern sei gestiegen, die Ausbildung aber nicht parallel erweitert worden. An der CHS hapert es sowohl an Räumen als auch an Lehrkräften. Dennoch, Brandt sagt auch: "Wir mussten bisher keine Bewerber ablehnen. Niemand wird bei der PIA abgewiesen, der einen Ausbildungsplatz hat."
Die Schulen haben keine Kapazitäten mehr
Und genau hier steckt das Problem. Insgesamt liegt es nicht an den Kapazitäten der sozialpädagogischen Schulen, dass der Erziehermangel zunehmend virulent wird. Und auch nicht daran, dass nicht mehr ausreichend junge Schulabsolventen Erzieher werden wollen und den Beruf unattraktiv finden. Der Flaschenhals sind die ausbildenden Träger.
Schüler, die die PIA durchlaufen, brauchen für die Praxis einen Ausbildungsplatz in einem Kindergarten. Für manche sei es aber schwierig, Plätze zu finden, sagt Isabel Engelhaus. Wer noch nicht mit einem Kita-Platz kommt, dem hilft die Akademie aber mit der Vermittlung an eigene Kitas oder an Kooperationspartner weiter. Für die Einrichtungen sei die Lage aber auch oft schwierig: "Schüler im PIA müssen in den Erzieherschlüssel eingerechnet werden, brauchen aber selbst Betreuung", weiß Engelhaus. Da sei das Problem, Kita-Alltag und Ausbildung unter einen Hut zu bringen. Auch Sabine Brandt sieht in der schon bestehenden Personalknappheit in den Kindergärten die "große Herausforderung, wenn die noch ausbilden wollen". Thomas Ochs bestätigt: "Bei den Praxisträgern ist der Markt irgendwann überlaufen."
Yvonne Röth kann das von der anderen Seite aus bestätigen. Eppingens Abteilungsleiterin Bildung, Kultur und Demografie sagt: "Wir haben durch PIA schon einige Ausbildungsplätze geschaffen." Neun PIA-Azubis und fünf Anerkennungspraktikanten beschäftigt die Fachwerkstadt derzeit in ihren fünf öffentlichen Kitas. "Doch für mehr haben wir nicht die Ausbilderkapazität." Der Bedarf an Betreuungsplätzen stiege aber durch vermehrten Zuzug, die Erschließung neuer Baugebiete und eine höhere Geburtenrate. Der Bedarf aus regulärer Personalfluktuation, etwa wegen Renteneintritt oder Elternzeit, käme noch hinzu. "Der Fachkräftemangel ist schon da", weiß Röth.