Am TUM Campus Heilbronn lernen Studenten Zukunft
Vor allem die mittelständischen Betriebe in der Region Heilbronn-Franken sollen vom künftigen TUM Campus Heilbronn und perspektivisch von den rund 1000 zusätzlichen Studenten profitieren.

Von der Großen Kreisstadt Freising, die 30 Kilometer nördlich von München liegt und die als Standort der Technischen Universität München (TUM) sogar den Titel "Universitätsstadt" trägt, sind es nach Heilbronn rund 300 Kilometer. Der Präsident der TU München, Professor Wolfgang Herrmann, wohnt in Freising und gibt als waschechter Oberbayer zu: "Ich kannte Heilbronn bisher gar nicht. Und dann habe ich Heilbronn und den Bildungscampus kennengelernt und war fasziniert."
Herrmann konnte es schier nicht glauben, dass die Ecke im Südwesten hier gespickt ist mit "eigenkapitalstarken Familienunternehmen", Weltmarktführern und Technologietreibern. "Die Region Heilbronn-Franken bietet eine High-Tech-Dichte, wie man sie in dieser Form kein zweites Mal in Europa im Mittelstand findet", sagt der TUM-Chef. Das reizt die Elite-Universität, in Heilbronn mit dem TUM Campus ein weiteres Standbein zu gründen. Natürlich nur, weil die Dieter-Schwarz-Stiftung (DSS) mit einer "gewaltigen Stiftung" dieses Vorhaben über mindestens 30 Jahre überhaupt ermöglicht. "Wir haben die Chance begriffen", betont Herrmann.
Wirtschaftskooperationen essentiell für Unis
"Ohne Dieter Schwarz würde dies hier alles nicht stehen, dann bräuchten wir darüber gar nicht diskutieren", sagt der Präsident der renommierten bayerischen Uni. Und Herrmann ist keiner, der mit seiner Meinung hinterm Berg hält. Ihn "ärgert" es, dass man in Deutschland oft ein "gestörtes" Verhältnis zu Bildung und Geld habe, obwohl es wichtig sei, dass Universitäten einerseits eine hohe Qualität, anderseits einen verlässlichen Draht zur Wirtschaft hätten.
"Ich möchte, dass die Verbindung Wirtschaft − Universität starke, selbstbewusste Universitäten hat. Aber Wirtschaftskooperationen sind essentiell für uns Universitäten. Wir tun das für die jungen Leute." Ohne Geld keine Qualität, und ohne die vielen Millionen von der Dieter-Schwarz-Stiftung keine TU München in Heilbronn − und damit keinen Uni-Campus in der Stadt. Doch der Oberbayer mit dem Schnauzbart gibt sich als Präsident der Elite-Uni selbst ebenfalls selbstbewusst bis in die Haarspitzen.
"Qualität hat ihren Preis"
Warum auch nicht, schließlich ist die TU München, die rund 550 Professoren beschäftigt, mehr als 41.000 Studenten ausbildet und Partnerschaften zu 170 Universitäten weltweit pflegt, nicht nur eine Hochschule für Käse, Bier und Milch (Weihenstephan). Die TUM hat es sich obendrein zum Ziel gesetzt, eine der erfolgreichsten Gründer-Universitäten zu sein. In Deutschland liegt sie an der Spitze. Die Verhandlungen zwischen der DSS und der TUM waren deshalb intensiv und sehr detailliert: "Wir sind nicht billig, tut mir leid. Aber Qualität hat ihren Preis", sagt Herrmann und meint das genau so, wie er es sagt.
Enorm wichtig für Deutschland, aber vor allem für den Südwesten hält Herrmann nun dieses TUM-Standbein in Heilbronn, weil diese Themen in einer technologisierten, digital getriebenen Welt gesamtgesellschaftliche Relevanz hätten. Die süddeutsche Bildungsachse sei damit gestärkt. "Des homma jetzt g'macht."
Bestens ausgebildete Fach- und Führungskräfte
Vor allem die mittelständischen Betriebe in der Region Heilbronn-Franken sollen vom künftigen TUM Campus Heilbronn und perspektivisch von den rund 1000 zusätzlichen Studenten profitieren. "Diese Hidden Champions, die vielen Familienunternehmen, erhalten in Zukunft bestens ausgebildete Fach- und Führungskräfte. Mit unseren Investitionen wollen wir dafür einen Beitrag leisten", betont Professor Reinhold Geilsdörfer, Geschäftsführer der DSS. "Wir wollen ganz bewusst eine enge Verzahnung zwischen Betriebswirtschaft und Technologie."
Wie berichtet, werden auf dem TUM Campus Heilbronn 13 Professuren angesiedelt, sieben verstärken die TUM School of Management in München. Dort liegt der technologische Ausbildungsbereich. Und damit dieses Konstrukt auch verlässlich funktioniert, baut die Dieter-Schwarz-Stiftung in Heilbronn an der Wilhelmstraße 211 Mikroappartements für die Studierenden. In Garching ebenso. Geilsdörfer: "Wir wollen den Austausch auch richtig hinbekommen." Wenn, dann gscheid, würde man wiederum in Bayern sagen.
OB: Sechser im Lotto mit Zusatzzahl
Für Heilbronns OB Harry Mergel ist das Ganze aus Sicht der Stadt "ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl". Die Stadt soll dadurch jünger, internationaler und bunter werden. Für die Dieter-Schwarz-Stiftung und die TUM geht es um nicht weniger als ein Angebot, das den künftigen Anforderungen entspricht. Die inhaltlichen Schwerpunkte des TUM Campus Heilbronn zählen zu den wichtigsten Zukunftsthemen des Wirtschaftens und Arbeitens in Deutschland: Wie können Firmen den tiefgreifenden und rasanten Wandel im digitalen Zeitalter gestalten? Vor welchen Herausforderungen stehen Familienunternehmen als Rückgrat der Wirtschaft?
"Wenn ich Familienunternehmen in Deutschland lernen will, dann muss ich in Heilbronn studieren", erklärt der Dekan der Fakultät, Professor Gunther Friedl.
"Wir brauchen eine internationale Gesellschaft, also auch die besten jungen Leute aus dem Ausland. Wir brauchen mehr Internationalität im Studium, denn diese Unternehmen haben ja oft mehr als 50 Prozent ihre Märkte im Ausland", sagt TUM-Präsident Herrmann. Ziel der Dieter-Schwarz-Stiftung ist laut Geschäftsführer Geilsdörfer, "nochmals ein völlig anderes Klientel an jungen Leuten nach Heilbronn zu bringen".
Die Hoffnung ist, dass diese Studenten aus aller Welt hier studieren, hier ihren Abschluss machen und dann in der Region bei einem dieser familiengeführten Weltmarktführer eine verantwortungsvolle Rolle im Betrieb übernehmen. Den meisten dieser ausländischen Studenten wird es anfangs wohl genauso gehen wie TUM-Chef Herrmann. Heilbronn? Kenne ich bisher gar nicht...
Forschung und Lehre
Die Forschungsergebnisse der neuen Professuren am TUM Campus Heilbronn sollen unmittelbar in die Lehre einfließen. Bachelor- und Masterstudiengänge sowie Executive-Education-Angebote (Weiterbildungsprogramme) werden in Heilbronn künftige Führungskräfte des Managements ausbilden, die optimal auf die Arbeit in technologiegetriebenen, mittelständischen Unternehmen vorbereitet sind, die international agieren. Diese interdisziplinäre Ausrichtung beginnt schon im Bachelorstudiengang, in dem alle Studierenden neben BWL auch ein Technikfach lernen. Abgerundet wird das Programmportfolio am TUM Campus Heilbronn künftig durch die Möglichkeit zur Promotion.