Stimme+
Heilbronn
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Am Sonntag wäre das Stadtbad 125 Jahre alt geworden

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Vor genau 125 Jahren wurde am Heilbronner Wollhausplatz das alte Stadtbad eingeweiht. Viele Bürger haben darin schwimmen gelernt. In den 1970ern musste es dem Zeitgeist und dem Wollhaus weichen.

Von Kilian Krauth
Am 22. Oktober 1892 war das Alte Heilbronner Stadtbad am Wollhausplatz eingeweiht worden. Nach dem Krieg wurde das klassizistische Gebäude in etwas abgespeckter Form wieder aufgebaut − um 1972 in die Luft gesprengt zu werden. Heute steht hier das Wollhauszentrum. Fotos: Herrmann Eisenmenger
Am 22. Oktober 1892 war das Alte Heilbronner Stadtbad am Wollhausplatz eingeweiht worden. Nach dem Krieg wurde das klassizistische Gebäude in etwas abgespeckter Form wieder aufgebaut − um 1972 in die Luft gesprengt zu werden. Heute steht hier das Wollhauszentrum. Fotos: Herrmann Eisenmenger  Foto: Eisenmenger

Nichts trägt den Ruhm der Stadt so weit, als Ordnung, Fleiß und Reinlichkeit." Angegraute Unterländer haben den Spruch noch vor Augen. Er stand an einer Wand im Alten Stadtbad am Heilbronner Wollhausplatz. Vor genau 125 Jahren, am 22. Oktober 1892, wurde es eingeweiht.

Das im Stile des wilhelminischen Barocks errichtete Gebäude bildete mit der Synagoge den südlichen Abschluss der Allee, der einstigen Heilbronner Prachtmeile. Für die Gestaltung hatte man den Berliner Architekten Peters gewinnen können.

Jüdisches Ritualbecken

Bereits in den Jahren 1900/01 wurde das Bad erweitert: Es bekam ein Schwimmbecken für weibliche Gäste. Außerdem enthielt das damalige Wellness-Center Dampfbäder, Schwitzräume und Badewannen. Das wenige Meter von der damaligen Synagoge entfernte Gebäude verfügte auch über eine Mikwe, also über ein Ritualbad für jüdische Bürger - bis 1933 die Nazis kamen.

Kunstvolle Ausgestaltung

Ob man heute wieder so verfahren würde? Kritische Beobachter nennen die Sprengung vom 21. Februar 1972 typisch für den damaligen Zeitgeist. Die Stimme schrieb damals von einer "Meisterleistung der Technik".
Ob man heute wieder so verfahren würde? Kritische Beobachter nennen die Sprengung vom 21. Februar 1972 typisch für den damaligen Zeitgeist. Die Stimme schrieb damals von einer "Meisterleistung der Technik".  Foto: Eisenmenger

Am 4. Dezember 1944 wurde das Gebäude beim verheerenden Luftangriff auf die Stadt beschädigt. Eigentlich sollte es einem Versorgungszentrum Platz machen. Doch davon nahm man zunächst Abstand und baute es bis 1950 im Heimatstil etwas schlichter wieder auf. Das pompöse Eingangsportal wurde durch Säulen ersetzt.

In der Ausgestaltung der Inneneinrichtung kamen einheimische Künstler und Handwerker zum Zuge. So fand sich am Schwimmbecken ein wasserspeiender Löwenkopf von Wilhelm Klagholz; der Flaschnermeister hatte bereits am Rathaus Widder, Hahn und Stadtadler restauriert.

Neben dem Hauptbecken gab es Wannen- und Brausebäder. Manche erinnern sich an einen Keramikbrunnen mit Delphin von Maria Fitzen-Wohnsiedler und Hermann Wilhelm Brellochs. Viele Unterländer haben hier schwimmen gelernt und schwärmen noch heute von der familiären Atmosphäre des Bads.

Abbruchsünden der 1970er Jahre

Feuchte Baustelle: Bademeister reparieren einen Wasserspeier-Löwenkopf.
Feuchte Baustelle: Bademeister reparieren einen Wasserspeier-Löwenkopf.  Foto: Eisenmenger

Doch nahezu zwei Generationen von Heilbronnern kennen es bestenfalls aus Erzählungen, wenn überhaupt. Vor 40 Jahren, am Samstag nach Aschermittwoch 1972, wurde das Gebäude in die Luft gesprengt. Für kritische Zeitgenossen ist der Abbruch symptomatisch für den Zeitgeist der 1970er Jahre. Heilbronn räumte damals ordentlich auf und beseitigte einige seiner wenigen historischen Gebäude.

Manche gehen noch weiter. Für sie passt der Fall des Bades zu einer Reihe neuzeitlicher Bausünden. Die Stadt sei nicht nur im Krieg zerstört und danach zu schnell wiederaufgebaut worden, die Spur der "zweiten Zerstörung" ziehe sich bis in die Gegenwart: von der alten Harmonie-Fassade über Moltkekaserne, Friedenskirche, Jugendstiltheater, Jägerhausklinik bis hin zu Fabrikgebäuden und Stadtvillen.

Sprenung als "Meisterleistung" gerühmt

Viele Unterländer lernten hier schwimmen und verbinden mit dem heimeligen Bad gute Erinnerungen. Das Hauptbecken hatte eine Größe von 20 auf acht Meter.
Viele Unterländer lernten hier schwimmen und verbinden mit dem heimeligen Bad gute Erinnerungen. Das Hauptbecken hatte eine Größe von 20 auf acht Meter.  Foto: Eisenmenger

Wie die schaffigen Schwaben damals tickten, verdeutlicht eine Schlagzeile aus der Heilbronner Stimme. Der Redakteur Wolf-Dieter Ahlborn titelte ganz im Ernst: "Auch diese Sprengung war eine Meisterleistung der Techniker." Weiter nannte er das Spektakel in seiner Überschrift "bildschön".

Nur romantisch veranlagte Naturen weinten damals dem schmucken und stadtbildprägenden Jahrhundertwendebau Tränen nach, manche bekommen noch heute feuchte Augen. Gesprengt wurde das Gebäude schlicht und einfach, weil es zu klein wurde und mit dem im Frühjahr 1972 vollendeten Stadtbad am Bollwerksturm, dem heutigen Soleo, überflüssig geworden war.

Platz für Betonbrutalismus

Am Wollhausplatz wurde dafür in den Jahren 1972 bis 1975 das heutige Einkaufs- und Bürozentrum hochgezogen. Unübersehbar. Architekturhistoriker wie Joachim Hennze sprechen von einem Mahnmal für den "Betonbrutalismus" der 1970er Jahre. Heute fristet der untergenutzte Bau ein Schattendasein. Die Eigentümer streben einen umfassenden Umbau an, Bürger und Kommunalpolitiker würden den Fremdkörper am liebsten abbrechen und durch einen Neubau ersetzen.

 


 

 
 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
Nach oben  Nach oben