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Alfred Huber vom Mieterbund Heilbronn-Franken: Wer kann sich das leisten, wo soll das enden?

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Alfred Huber vom Mieterbund spricht im Interview über zunehmende Belastungen und fehlenden bezahlbaren Wohnraum.

Nach Wohnungsmodernisierungen wie hier in Böckingen bei Vonovia kostet der Quadratmeter 13 Euro Miete. Alfred Huber vom Mieterbund findet das enorm.
Foto: Ralf Seidel
Nach Wohnungsmodernisierungen wie hier in Böckingen bei Vonovia kostet der Quadratmeter 13 Euro Miete. Alfred Huber vom Mieterbund findet das enorm. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Der Mieterbund Heilbronn-Franken vertritt die Interessen von 5000 Mitgliedern, sechs Anwälte beraten in der Heilbronner Geschäftsstelle bei Fragen und Konflikten. Im Interview spricht Vorsitzender Alfred Huber über Themen, die Mietern auf den Nägeln brennen.

 

Herr Huber, mit welchen Problemen kommen die Leute derzeit zu Ihnen?

Alfred Huber: Meist wegen Nebenkostenabrechnungen. Dann wegen Mieterhöhungen und Kündigungen, etwa wegen Eigenbedarfs. Unsere Rechtsberater prüfen, ob die gesetzliche Vorgaben eingehalten wurden.

 

Gibt es oft unkorrekte Kündigungen?

Huber: Die großen Vermieter wie Stadtsiedlung oder Vonovia kennen sich aus. Bei Privatvermietern, Anlegern, die finanziell unter Druck sind, und mit der Miete an die Grenze gehen oder darüber, kommen Fehler häufiger vor. Unsere Mitgliedern sollten grundsätzlich bei Mieterhöhungen zu uns kommen. Wir bieten auch Telefonberatung an.

 

An die Inflation gekoppelte Indexmietverträge, hohe Energiekosten: Schnürt das vielen nicht die Luft ab?

Huber: Die Energiekosten schlagen zwar erst richtig bei den Abrechnungen 2023 zu Buche. Viele Vermieter verlangen aber jetzt schon einen höheren Abschlag. Da ist der Beratungsbedarf der Mieter groß. Sie fragen, ist es jetzt schon berechtigt, die Zahlung zu erhöhen?

 

Ist es denn berechtigt?

Huber: Im Prinzip Nein. Die Jahresabrechnung müsste erst vorliegen. Aber den Rechtsweg beschreitet kaum jemand, und meist macht es mehr Sinn, einen Konsens mit dem Vermieter zu finden.

Bei Bedarf übernehmen unsere Berater den Schriftverkehr und nehmen Kontakt auf. Aber bei den steigenden Energiekosten können wir nicht helfen.

 

Und bei den Indexmieten?

Huber: Da hatten wir einen Fall am Südbahnhof. Der Mieter hat den Vertrag unterschrieben, nichtsahnend, dass sich der Index für die Lebenshaltungskosten so negativ entwickelt. Das können zehn Prozent Steigerung sein und nach Ablauf eines Jahres nochmal fünf Prozent. Bei 850 Euro Miete kann das 130 Euro mehr bedeuten.

 

Was hat der Mieter gemacht? Etwas Neues gesucht?

Huber: Schwierig in Heilbronn. Wobei es weniger eine Wohnungsnot gibt als eine Not, bezahlbare Wohnungen zu finden. Beispiel Vonovia. Die haben rund 500 Wohnungen, machen viele Modernisierungen, bauen Dächer aus. Aber dann kostet so eine 56-Quadratmeter-Wohnung in Böckingen 738 Euro Miete. 13 Euro der Quadratmeter, einfache Lage. Wer kann sich das leisten? Wo soll das enden?

 

Wer hat es am schwersten?

Huber: Ich finde, Familien mit Kindern. Zuschnitte sind oft ungeeignet. 90 Quadratmeter am Südbahnhof haben dann ein winziges Kinderzimmer. Rentner und besonders Rentnerinnen haben Probleme.

 

Welche Folgen für den Markt haben Objekte wie das auf dem ehemaligen Kaco-Areal der Schwarz-Gruppe mit Mieten von teils über 2500 Euro?

Huber: Kleine Wohnungen werden nachgefragt. Indirekt ist das schlecht für die Preisentwicklung. Zumal die Südstraße keine gute Lage ist. Da denkt sich vielleicht mancher, der ein älteres Haus in einer besseren Gegend hat: Warum soll ich nicht auch so viel verlangen?

Es sind aber nicht die ersten Häuser dieser Art. In der Wilhelmstraße gibt es auch ein Appartementhaus, an der Stuttgarter Brücke und beim Bildungscampus.

 

Wie wirkt sich der neue Mietspiegel in Heilbronn aus?

Huber: Wir haben dazu mindestens ein dutzend und mehr Beratungen im Monat, wir haben im Sommer vergebens für ein Mietmoratorium plädiert.

Im Gemeinderat hat der OB an die Vermieter appelliert, mit den Mieten verantwortungsvoll umzugehen. Das muss sich aber erst zeigen. Die Sitzung war schon enttäuschend für den Mieterbund. Die Stadt Freiburg hat es geschafft, dass der Mietspiegel nur um 2,2 Prozent erhöht wurde, nicht um 9,5 Prozent wie in Heilbronn.

 

Was sagen Sie zum Wohngeld?

Huber: Finde ich gut. Aber es ist jetzt schon so, dass die Wohngeldstellen nicht hinterherkommen. Wir werden werben, Unterlagen ausgeben aber keine Ausfüllhilfe anbieten. Das ist was für die Fachleute in den Kommunen.

 

Stichwort sozialer Wohnungsbau: Macht eine kommunale Wohnbaugemeinschaft Sinn?

Huber: Schwierig, aber gut wär's. Die SPD hat mal eine Landeswohnungsgesellschaft propagiert. Die Landkreis-Genossenschaften machen zu wenig, sie würden wohl eine Wohnbaugemeinschaft als Konkurrenz ansehen.

Ich habe mit meinen Mitstreitern beim Landrat vorgesprochen, er sagt, das sei Sache der Kommunen. Wir werden sein Angebot annehmen, in der Sache nochmal vorzusprechen.

 

Was fehlt?

Huber: Für Heilbronn gibt es jährlich eine wertvolle Übersicht, wie viel geförderter Wohnraum gebaut wurde, im Landkreis nicht. Neckarsulm hat zumindest ein Grundsatzpapier für geförderten Wohnraum.

Eine Quote sollte zwingend für jedes Neubaugebiet vorgeschrieben sein. Gemäß den Vorgaben des Bundeskanzlers müsste es im Landkreis 400 Sozialwohnungen im Jahr geben. Dieses Jahr wurden 14 bezogen. Ein Trauerspiel.

In Heilbronn sollen 2023 geförderte Wohnungen bezogen werden, im Nonnenbuckel. Aber dort sollen Wohnungen auch wieder privatisiert werden. Unmöglich! Sie werden den Mietern zwar angeboten, aber das kann sich kaum jemand leisten.

 


Serie Bauen und Wohnen

Die Heilbronner Stimme berichtet in loser Reihenfolge in ihrer neuen Serie Bauen und Wohnen über Entwicklungen in diesem Bereich. In der nächsten Folge erzählt Hartmut Seitz-Bay, Geschäftsführer Offene Hilfen, darüber, wie schwierig es für Menschen mit Behinderung ist, Wohnraum zu finden.

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