Abzocke am Telefon: Senioren fit für die Gegenwehr gemacht
Polizeiexperten schulen jede Woche Gruppen und warnen vor professionellen Betrüger. Der Schaden geht in der Region inwzischen in die Hunderttausende Euro. Die Notrufnummer 110 im Display ist bereits ein Warnsignal - weil die Polizei so gar nicht anrufen kann.

Die Aussage von Harald Pfeifer vom Präventionsreferat der Heilbronner Polizei an die vielen Senioren ist unmissverständlich: "Betrügereien nehmen zu. Die Maschen ändern sich - und bevorzugt findet Betrug am Telefon statt."
Rund 100 Senioren sind zu dem Vortrag "Vorsicht Abzocke" auf Einladung der BW-Bank gekommen, der Raum ist voll, ausgebucht. "Das Thema ist aktuell und brisant", sagt Filialdirektor Harald Rummel. Viele haben schon sonderbare Anrufe erhalten. Woher Kriminelle die Telefondaten vor allem älterer Menschen haben, weiß die Polizei auch nicht immer. Präventionsbeamter Reiner Pimpl spricht von Adresshandel. "Die Daten sind viel Geld wert."
Täter wollen die Hilfsbereitschäft älterer Menschen ausnutzen
Fakt ist: Täter nutzen Gutgläubigkeit und Hilfsbereitschaft von Senioren aus. Harald Pfeifer spielt einen Telefonmitschnitt eines echten Falles vor, als der Anrufer eine Seniorin vorwurfsvoll fragt: "Du weißt nicht, wer dran ist?" Als die Frau "Marco" sagt, bejaht er es, spricht von Erkältung und schlechtem Empfang. Er bringt die Frau dazu, ihm für einen Tag Tausende Euro zu leihen und Geld in der Bank abzuheben. 93 000 Euro habe ein Mann mal an Betrüger übergeben, sagt Harald Pfeifer - im Glauben, einem Verwandten in Not zu helfen.
Enkeltrick, falsche Polizeibeamte sind häufige Muster. Die Anrufer sitzen oft in Call-Centern im Ausland. Es gibt Warnsignale: Wenn auf dem Display die 110-Anzeige aufleuchtet, sollte man sofort auflegen. Die gebe es nämlich nicht von der echten Polizei, der Notruf 110 ist nur eine "Einbahnstraße" vom Bürger zur Polizei. Wenn die Heilbronner Polizei anruft, erscheint eine Heilbronner Nummer. Bei Fragen nach Geld besser immer das Gespräch beenden und beim Verwandten oder der Polizei neu anrufen und nachfragen (keine Rückruftaste), ist ein weiterer Rat. Und: Nie Geld oder Wertsachen an Unbekannte übergeben.

Trickbetrüger
Im Bereich des Polizeipräsidiums Heilbronn
erfolglose Versuche
vollendete Versuche
Schaden in Euro
Enkeltrickbetrüger
Enkeltrickbetrüger
34
1
2016
2017
44
7
8800
131500
184050
251
2018
2016
2018
2017
7
Falsche Polizeibeamte
Falsche Polizeibeamte
13
2016
14
307234
77
2017
12
52410
38300
794
2018
26
2016
2018
2017
HSt-Grafik, Quelle: PP Heilbronn

Trickbetrüger
Im Bereich des Polizeipräsidiums Heilbronn
erfolglose Versuche
vollendete Versuche
Enkeltrickbetrüger
34
1
2016
2017
44
7
251
2018
7
Schaden in Euro
8800
131500
184050
2018
2016
2017
Falsche Polizeibeamte
13
2016
14
77
2017
12
26
794
2018
Schaden in Euro
307234
38300
52410
2016
2018
2017
HSt-Grafik, Quelle: PP Heilbronn
Dringender Rat: Überraschenden Besuch nicht ins Haus lassen
Auch bei Gewinnversprechen haben Bürger schon viel Geld verloren, weil sie angebliche Notar- oder Überführungsgebühren vorab überwiesen. Pfeifer rät: Nach dubiosen Anrufen immer die Polizei verständigen - das helfe bei der Fahndung. Auch überraschende angebliche Wasser- oder Stromableser sollte man nicht ins Haus einlassen, sondern lieber beim Versorger nachfragen. Diese würden Hausbesuche vorher stets ankündigen.
"Bewahren Sie sich ein gesundes Misstrauen", rät Pfeifer den Senioren. Die Fallzahlen stiegen zuletzt stark an (siehe Tabelle), auch weil die Anzeigebereitschaft stieg. Erfreulich: Die klare Mehrzahl der Versuche scheiterte, viele Senioren ließen sich nicht überrumpeln. 2019 blieben die Taten gegenüber 2018 auf ähnlich hohem Niveau.
Die Heilbronner Polizei schult inzwischen ein- bis zweimal pro Woche Seniorengruppen. Auch Taxifahrer, Pflegekräfte, Bankmitarbeiter werden geschult. In Familien könnten jüngere Angehörige noch mehr aufklären, findet der Polizei-Experte. Gerade wenn Senioren allein leben.
Seniorin zeigt sich pfiffig: Sie legte Anrufererin mit Fangfrage aufs Kreuz
Ein Ehepaar aus Weinsberg fand den Vortrag sehr gut. "Natürlich sind wir besorgt. Die Täter sind professionell. Ich bin 75 - ich weiß aber nicht, was ist, wenn ich 85 bin", sagte der Ehemann. Eine 82-jährige Heilbronnerin hat schon drei dieser Anrufe erlebt und ist gewappnet. Zuletzt fragte sie eine Anruferin, ob sie die Anneliese sei. Die bejahte es. "Ich kenne keine Anneliese", sagte die Seniorin dann und legte auf.