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50 Jahre im Orbit mit Solarzellen aus Heilbronn

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Am 8. November 1969 startete der erste deutsche Satellit Azur ins All. Die Stromversorgung stellen dabei Solarzellen aus Heilbronn sicher: Die damalige AEG-Telefunken produzierte sie in ihrer Fabrik an der Theresienstraße. Heute heißt die Firma Azur Space Solar.

Im Kontrollraum: Für die Azur-Mission wurde eigens das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen in Betrieb genommen.
Im Kontrollraum: Für die Azur-Mission wurde eigens das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen in Betrieb genommen.  Foto: DLR

Er ist immer noch unterwegs. Auch jetzt noch, 50 Jahre nach seinem Start, umrundet der erste deutsche Satellit brav die Erde. Zwar hat sich seine Laufbahn inzwischen ein wenig verändert und der Kontakt ist längst abgerissen, aber "Azur" kreist weiter im All. Und mit ihm Solarzellen aus Heilbronn:

Als eine vierstufige Scout-B-Trägerrakete den künstlichen Trabanten am 8. November 1969 von der Vandenberg Air Base in Kalifornien in den Orbit beförderte, waren Teile aus dem Hightech-Standort an der Theresienstraße an Bord. Genauer gesagt: Der fassförmige, 1,22 Meter hohe und 71 Kilogramm schwere Körper ist außen bis auf Ober- und Unterseite komplett mit den Zellen bestückt.

Zusammenarbeit erprobt

Hergestellt wurden die Zellen zwar in Heilbronn. Zu Solarpaneelen zusammengesetzt wurden sie aber am AEG-Standort in Hamburg, so dass das Heilbronner Werk nicht einmal in der offiziellen Projektbroschüre auftaucht.

Doch genau dies war eines der drei zentralen Ziele des Projekts: Nicht nur sollten deutsche Wissenschaftler eine Möglichkeit zu Forschungen erhalten und Behörden ihre Zusammenarbeit bei Raumfahrtprojekten erproben, sondern auch die deutsche Industrie die Gelegenheit bekommen, technologische Fähigkeiten zu entwickeln und Erfahrungen zu gewinnen, damit sich Deutschland künftig "bei technologisch fortgeschrittenen Projekten im nationalen und internationalen Rahmen mit Erfolg beteiligen kann". So steht es in dem Projektbericht für das Symposium für Satellitentechnik im Dezember 1969 in Köln.

Die AEG war nicht nur für die Energieversorgung, sondern auch für Sender, Empfänger, Filterumschalter und das Magnetbandgerät zuständig. Ganz alleine schafften es die Ingenieure aber nicht: Einige "höchstzuverlässige Bauteile" wurden mit Hilfe des US-Raumfahrtkonzerns TRW beschafft.

22 Watt Leistung benötigte der Satellit für seine Mess- und Sendeinstrumente, 40 Watt war mit den 5040 Solarzellen maximal möglich. Schon während der ersten Monate sank die Ausbeute aber auf 36 Watt ab, vor allem seit der Trabant ab Februar nicht mehr für einige Stunden durch den Erdschatten flog. Immerhin: Dadurch war die Silber-Cadmium-Batterie seitdem stets voll aufgeladen.

Kooperation mit der Nasa

Der erste deutsche Forschungssatellit mit dem Namen Azur oder GRS A (German Research Satellite) wurde mit Solarzellen aus Heilbronn bestückt.
Fotos: DLR, NASA
Der erste deutsche Forschungssatellit mit dem Namen Azur oder GRS A (German Research Satellite) wurde mit Solarzellen aus Heilbronn bestückt. Fotos: DLR, NASA  Foto: DLR

Die Umlaufbahn von Azur lag während seiner auf ein Jahr veranschlagten Mission zwischen 382 und 3150 Kilometer Höhe und war um knapp 103 Grad gegen den Äquator geneigt. Für einen Umlauf benötigte der Satellit damals knapp zwei Stunden.

Seine Steuerung übernahm am 15. November 1969 das neu errichtete Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen, das zur Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (heute Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) gehört. Dabei wurde aber auch mit der Nasa zusammengearbeitet, und im Symposiumsbericht heißt es: "Es ist sicherlich einer der wertvollsten Beiträge, die das Projekt Azur gebracht hat, dass es zu dieser Zusammenarbeit gekommen ist."

 

Der erste deutsche Satellit

Start am 8. November 1969

Umlaufbahn:

390 km bis

3200 km Höhe

Satellit

Forschungssatellit zur

Untersuchung von

kosmischer Strahlung,

Erdmagnetfeld und Sonnenwind

USA

4. Stufe

Umlaufzeit:

122 Minuten

Azur (GRS-A)

KALIFORNIEN

Scout-B

Trägerrakete

der Nasa

3. Stufe

Protonenzähler

San Francisco

Solar-

zellen

4 Stufen mit

Festbrennstoff-

Triebwerken

Protonenteleskop

2. Stufe

Luftwaffenbasis

Vandenberg

22 m

Startgewicht

ca. 18 t

Photometer

Pazifik

Los Angeles

1,13 m

200 km

1. Stufe

Antenne

Masse: 72 kg

Magnetometer

Missionsende: 29. Juni 1970

HSt-Grafik, dpa/Quelle: Nasa, DLR

Der erste deutsche Satellit

Start am 8. November 1969

Forschungssatellit zur

Untersuchung von

kosmischer Strahlung,

Erdmagnetfeld und Sonnenwind

Azur (GRS-A)

Protonenzähler

Solar-

zellen

Protonenteleskop

Photometer

1,13 m

Antenne

Masse: 72 kg

Magnetometer

Missionsende: 29. Juni 1970

Umlaufbahn:

390 km bis

3200 km Höhe

Satellit

4. Stufe

Umlaufzeit:

122 Minuten

Scout-B

Trägerrakete

der Nasa

3. Stufe

4 Stufen mit

Festbrennstoff-

Triebwerken

2. Stufe

22 m

Startgewicht

ca. 18 t

1. Stufe

HSt-Grafik, dpa/Quelle: Nasa, DLR

 

Die Aufgaben des Forschungs-Himmelskörpers waren die Untersuchung des inneren Strahlungsgürtels rund um die Erde, von Polarlichtphänomenen und der Strahlung während Sonneneruptionen. Die Planungen für das Projekt hatten 1966 begonnen. Insgesamt kostete das erste deutsche Raumfahrtabenteuer mehr als 66 Millionen Mark.

Plötzliches Ende der Mission

Die Mission endete früher als geplant. "Der Betrieb des Flugsatelliten verlief bis zum 28. Juni des Jahres ohne jede Unregelmäßigkeit zur äußersten Zufriedenheit aller Beteiligten", heißt es im Projektbericht der Gesellschaft für Weltraumforschung vom 31. Oktober 1970. "Jedoch war dann plötzlich die Nachrichtenübertragung vom und zum Satelliten unterbrochen. Kommando- und Telemetrieübertragung konnten trotz aller Bemühungen nicht wiederhergestellt werden. Die Ausfallursache ist bislang ungeklärt." Mittlerweile, nach mehr als 37.000 Erdumrundungen, ist die Umlaufbahn von Azur wegen des - wenn auch geringen - Luftwiderstands der Atmosphäre auf eine Höhe zwischen 356 und 1246 Kilometer abgesunken. Eine Umrundung dauert nun nur noch gut 100 Minuten. In einigen Jahren wird Azur zur Erde stürzen und verglühen. Auch die Solarzellen aus Heilbronn werden sich dann in Rauch auflösen.

Die Wurzeln von Azur Space gehen auf Telefunken zurück: Das Technik-Unternehmen begann 1959 an der Theresienstraße mit dem Bau einer Halbleiterfertigung. Telefunken fusionierte 1967 mit dem Elektrokonzern AEG zu AEG-Telefunken. Die Herstellung von Solarzellen wurde 1981 in einen eigenen Geschäftsbereich übertragen. 1989 wurde die Solarzellensparte ausgegliedert und über die Eigner-Stationen Dasa, ASE und Nukem 1999 an RWE weitergegeben. 2006 kam das Unternehmen dann an den Versicherungskonzern Generali und nannte sich um in Azur Space Solar.

Inzwischen befindet es sich auf solidem Wachstumskurs. In den nächsten Jahren soll ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag in den Standort fließen. Soeben wurden jene Räume bezogen, die durch den Auszug des Chipentwicklers Microchip freigeworden sind. Innerhalb von zehn Jahren ist die Mitarbeiterzahl von knapp 80 auf mehr als 250 angewachsen. 80 Prozent des Umsatzes von etwa 50 Millionen Euro entfallen auf Weltraum-Anwendungen.

 
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