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Nachhaltigkeit: 300 Jahre alt und aktueller denn je

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Nachhaltigkeit: Der Begriff ist heute in aller Munde und wird hier und da auch etwas überstrapaziert. Dabei ist der Gedanke aktueller denn je, und es gibt erstaunliche Parallelen zur aktuellen Weltlage.

Nachwachsender Energieträger aus der Nachbarschaft: Eva Mayerle packt beim Brennholzmachen im Güglinger Stadtwald mit an.
Nachwachsender Energieträger aus der Nachbarschaft: Eva Mayerle packt beim Brennholzmachen im Güglinger Stadtwald mit an.  Foto: Kühl, Jörg

Ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammend, wird Nachhaltigkeit heute auf viele Bereiche der Wirtschaft und des Privatlebens angewendet. Für manchen Zeitgenossen schwingen in dem Wort Enthaltsamkeit oder Verzicht mit. In der Forstwirtschaft, wo der Begriff vor mehr als 300 Jahren von Carl von Carlowitz erstmals schriftlich erwähnt worden war, ist er jedoch mit der Nutzung des Rohstoffs Holz untrennbar verbunden.

"Nachhaltigkeit heißt nicht, den Wald stillzulegen", stellt Martin Rüter klar. Gemeinsam mit dem neuen Revierförster im Güglinger Stadtwald, Lukas Georgi, inspiziert der Leiter des Forstamtes des Landkreises Heilbronn dieser Tage die Bestände. An einer lichtdurchfluteten Stelle wimmelt es von jungen Bäumen. Am Boden stehen Dutzende von jungen Eichen dicht an dicht, die Hainbuchen entfalten gerade ihre Blätter. "Natürliche Waldverjüngung", stellt Rüter zufrieden fest.

Es tun sich heute frappierende Parallelen auf zu der Zeit, als Oberberghauptmann Carl von Carlowitz im sächsischen Freiberg sein Werk "Sylvicultura oeconomica", zu Deutsch etwa: "wirtschaftliche Pflege der Wälder" veröffentlichte. Darin spricht er von "nachhaltender" Waldwirtschaft. Carlowitz fordert, dass im Wald nur so viel Holz geschlagen werden darf, wie nachwachsen kann. 1713 herrscht Rohstoffknappheit. Holz wird als Brennstoff zum Kochen und Heizen, als Baustoff für Häuser und Schiffe sowie als Grundstoff vieler vorindustrieller Produktionsprozesse, wie der Glasfertigung, benötigt. Kein Wunder, dass einst dicht bewaldete Flächen und Hügel bald so gut wie baumlos sind.

Lukas Georgi, Revierleiter im Güglinger Stadtwald, inspiziert einen sogenannten Habitatbaum, in diesem Fall eine stattliche Buche mit Nisthöhle.
Lukas Georgi, Revierleiter im Güglinger Stadtwald, inspiziert einen sogenannten Habitatbaum, in diesem Fall eine stattliche Buche mit Nisthöhle.  Foto: Kühl, Jörg

Der Leitsatz des sächsischen Oberberghauptmanns, der unter anderem für die Holzversorgung des Bergbaus verantwortlich war, etablierte sich zu einem ehernen Grundsatz in der Forstwirtschaft. Er bestimmt auch heute noch das Handeln im Wald. In den Forsten der Städte und Gemeinden im Landkreis Heilbronn übernimmt das Kreisforstamt die Verwaltung. Seit vorigem Jahr sind die Fachleute um Amtsleiter Rüter dabei, die Forsteinrichtung neu aufzustellen. Grundlage ist eine Waldinventur, die den Bestand auf 0,1 Hektar genau erfasst.

Dabei werden nicht nur die Menge des Holzes in Festmeter beobachtet, sondern auch die Zusammensetzung der Baumarten, Alter, Stammumfang und viele Parameter mehr. Mithilfe der Daten wird die Entwicklung des Bestandes im Zeitraum von zehn Jahren festgelegt. Über den Holzeinschlag in den Kommunalforsten bestimmen die Städte und Gemeinden, die Förster geben dazu eine jährliche Empfehlung ab. Maßgeblich ist der sogenannte Hiebsatz, also das Volumen der planmäßigen Holzentnahme.

Platz schaffen für klimastabile Arten

Wortschöpfer: Carl von Carlowitz.
Wortschöpfer: Carl von Carlowitz.  Foto: imageBROKER/G. Thielmann via www.imago-images.de

"Nachhaltigkeit ist das wesentliche Prinzip der Forsteinrichtung", erläutert Rüter. Der Nachhaltigkeitsgedanke lässt sich am Beispiel des Güglinger Stadtwaldes schon zahlenmäßig ablesen. So plant die Stadt bis 2032 einen Zuwachs von 6,9 Festmetern pro Hektar und Jahr. Die geplante Nutzung beträgt dagegen nur 4,5 Festmeter pro Hektar und Jahr. Es wird also weniger entnommen, als nachwächst. "Die meisten Kommunen haben sich vor Jahren schon für einen allmählichen Aufwuchs ihrer Bestände entschieden", berichtet Rüter. So ist der Vorrat im Güglinger Stadtwald seit 2012 von 253 Festmeter pro Hektar auf 284 Festmeter pro Hektar gestiegen.

Dabei sei die Nutzung sowohl aus Sicht der Kämmerer, als auch aus Sicht der Förster durchaus erwünscht. "Eine Durchforstung dient der Pflege der Zukunftsbäume und der Regelung des Baumarten-Mixes", so Rüter. Außerdem gehe es darum, Platz zu schaffen für klimastabile Arten. "Als Fazit können wir behaupten: Wenn nachhaltig gewirtschaftet wird, ist die Nutzung des Holzes ohne schlechtes Gewissen möglich."

Ursprung des Begriffs

1713 formuliert Carl von Carlowitz in seinem Werk "Sylvicultura oeconomica" erstmals den Nachhaltigkeitsbegriff: "Wird derhalben die größte Kunst, Wissenschaft, Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen, wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen, daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weil es eine unentberliche Sache ist, ohne welche das Land in seinem Dasein nicht bleiben mag." 

 

 

 
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