18-Jähriger aus Güglingen auf Intensivstation: Zusammenhang mit Biontech-Impfung?
Nicholas K. aus Güglingen erlitt eine Herzmuskelentzündung. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zu seiner zweiten Corona-Impfung meldet die Klinik Ludwigsburg den Fall ans Paul-Ehrlich-Institut. In Israel gibt es ähnliche Fälle, die untersucht werden.
Im Entlassbericht des Klinikums Ludwigsburg von Nicholas K. aus Güglingen ist die Rede von einem "zeitlichen Zusammenhang" zur Biontech-Impfung. Auch sieben ähnliche Fälle, die in Israel dokumentiert wurden, werden in jenem Bericht aufgeführt. Die Frage, ob die Impfung kausal für das Auftreten der Herzmuskelentzündung des 18-jährigen Schülers war, bleibt jedoch unklar. Das für die Zulassung von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut teilt mit, das könne man noch gar nicht beurteilen. Diese Frage lasse sich "nur auf Grundlage intensiver - auch EU-weiter - Untersuchungen irgendwann beantworten", sagt Instituts-Sprecherin Susanne Stöcker.
Thema im nächsten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts
Das Institut kündigt allerdings an, dass die Thematik Herzmuskelentzündung im nächsten Sicherheitsbericht angesprochen wird. Das Unternehmen Biontech mit Sitz in Mainz äußerte sich nicht. Telefonisch war kein Pressesprecher zu erreichen, eine E-Mail unserer Redaktion wurde nicht beantwortet.
Nicholas K. selbst ist überzeugt: Hätte er sich die Spritze nicht verabreichen lassen, hätte er diese Odyssee Anfang April nicht durchleben müssen. "Ich habe mich immer wieder übergeben müssen, war die ganze Nacht wach", beschreibt der Patient den Abend nach der Impfung.
Mutter hatte große Angst um ihren Sohn
Zwei Tage nach der Impfung erbrach Nicholas K. erneut. Seiner Mutter habe er gesagt: "Mama, ich glaube, ich muss sterben." Bei Mutter Katharina K. läuteten die Alarmglocken. Sie fuhr mit ihm zur Hausärztin, die auf ihr Drängen hin einen Troponin-Test veranlasste. Mit diesem Wert lässt sich ein Herzinfarkt diagnostizieren. Der Wert war deutlich erhöht. Es hieß, Nicholas K. müsse sofort ins Krankenhaus. Die Hausärztin möchte sich zum Fall nicht äußern. Nicholas K. hatte ihr eine Entbindung von der Schweigepflicht angeboten.
Im Klinikum in Ludwigsburg war der junge Mann erneut untersucht worden. Zunächst ging das Personal davon aus, das könne so alles nicht sein, schildert seine Mutter. Wenig später folgte die Diagnose Herzmuskelentzündung. Er sei auf die Intensivstation gekommen, weil die Werte so schlecht waren. Dort lag er sieben Tage, gesamt war er neun im Krankenhaus. Jetzt hat Nicholas K. für sechs Monate ein Sportverbot und hofft, dennoch sein Abitur an der Andreas-Schneider-Schule in Heilbronn machen zu können. K. leidet eigenen Angaben nach unter keinen Vorerkrankungen.
Großmutter gehört zu Hochrisikogruppe
Seine Mutter und er haben sich impfen lassen, weil die 84-jähriger Großmutter bei ihnen lebt und zur Hochrisikogruppe gehört: Sie trägt ein Herzklappen-Implantat. Katharina K. hatte ihren Sohn zur Impfung überredet, was sie bedaure. Sie sei sonst aber eine ausgesprochene "Impffreundin". Ihren Nachnamen möchten die beiden nicht in der Zeitung lesen, weil sie eine Stigmatisierung fürchten. Sie sitzen während des Interviews im Vorgarten bei sich zuhause. Wegen Corona lassen sie ungern jemanden ins Haus.
Susanne Stöcker vom Paul-Ehrlich-Institut äußert sich zurückhaltend. Sie gehe davon aus, "dass wir im nächsten Sicherheitsbericht, der Anfang Mai erscheinen soll, etwas zu dieser Thematik berichten werden". Sie habe bisher keine Informationen, dass es in Deutschland eine auffällige Häufung solcher Meldungen gebe. "Normalerweise erfahre ich so etwas sehr schnell."
Institut wartet auf Informationen aus Israel
Wie die Instituts-Sprecherin weiter mitteilt, untersuche Israel die dort beobachteten Fälle selbst noch. "Bevor wir Informationen bekommen, können wir keine Einschätzung abgeben", sagt Stöcker. Das Institut urteile ausschließlich auf Grundlage von Daten. Auskünfte zu Einzelfällen seien nicht möglich, da die Meldungen pseudonymisiert aufgenommen werden.
Auch Alexander Tsongas, Sprecher des Ludwigsburger Klinikums, macht keine Angaben zum Einzelfall. Die Frage, ob eine Impfung ursächlich für ein Leiden sei, könne ohnehin nur das Paul-Ehrlich-Institut untersuchen und gegebenenfalls beantworten. "Unsere Ärzte sind dafür keine Experten", erklärt Tsongas. Sie meldeten den besagten "zeitlichen" Zusammenhang zur Impfung an das Institut weiter. Eine ärztliche Vermutung zu äußern, sei im schlechtesten Fall fahrlässig.
Mutter wünscht sich mehr Aufklärung in Deutschland
Katharina K. sagt, sie bemängelt, dass die Fälle, die in Israel untersucht werden, nicht früher in Deutschland kommuniziert wurden. Dass Impfungen Nebenwirkungen haben können, sei ihr bewusst und nicht ihr Kritikpunkt. "Mir geht es um die Aufklärung der Ärzte", sagt sie - damit diese bei einer Konfrontation mit einer solchen Thematik besser reagieren könnten anstatt jemanden nach Hause zu schicken. Ihrem Sohn gehe es inzwischen den Umständen entsprechend gut.
Das israelische Gesundheitsministerium untersucht derzeit, ob vermehrt Herzmuskelentzündungen nach einer Zweitimpfung mit dem Präparat von Biontech auftreten. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Erkrankung ist dem Bericht zufolge überwiegend bei jungen Männer aufgetreten. Eine vorläufige Studie habe Dutzende von Fällen einer Myokarditis bei mehr als fünf Millionen Geimpften gezeigt, heißt es.
Eine Sprecherin des israelischen Gesundheitsministeriums sagte am Dienstag nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa, ein Expertenteam überwache alle Nebenwirkungen der Corona-Impfungen und veröffentliche regelmäßig Berichte. Die in den Medien zitierte Analyse sei aber nicht vom Ministerium veröffentlicht worden. „Sie zeigt keinen eindeutigen Anstieg der Sterblichkeit wegen der Impfung und es ist auch nicht sicher, dass es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Anstieg der Zahl von Herzmuskelentzündungen gibt“, so die Sprecherin. Es handele sich gleichwohl um einen „wichtigen Bericht“, über den das Expertenteam in den kommenden Tagen beraten werde. Die Ergebnisse der Beratung würden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Der Impfstoffhersteller Pfizer teilte mit, man sei über die Berichte in Israel informiert. „Wir haben keine Rate von Myokarditis beobachtet, die höher wäre, als man es in der allgemeinen Bevölkerung erwarten würde“, heißt es in der Mitteilung. „Ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung wurde nicht festgestellt. Es gibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Beweis dafür, dass in Verbindung mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff ein Risiko von Myokarditis besteht.“ Auf Anfrage von Stimme.de zu ersten bekanntgewordenen Fällen in Deutschland machte Pfizer allerdings keine Angaben und verwies auf Biontech mit Sitz in Mainz.