Wenig Junglehrer bekommen Verträge für Gymnasien
Sie wollten nach dem abgeschlossenen Referendariat an ein Gymnasium in der Region gehen: Daraus wird nichts. Viele ausgebildete Pädagogen bekommen offenbar an diesen Schulen keine Stelle.

Junglehrer schlagen Alarm. Ein Großteil der ausgebildeten Pädagogen für Gymnasien hat für die Zeit nach den Sommerferien keine Stelle an einer solchen Schule erhalten. Diese Situation schildern Vertreter der Referendare im Gespräch mit stimme.de. Weil sie hoffen, eine Anstellung beim Land zu bekommen, wollen die Mitglieder des Ausbildungspersonalrats ihre Namen nicht öffentlich in der Zeitung lesen. "Die Hälfte hat nichts", sagt ein Pädagoge. Und das, obwohl sie bereit seien, eine längere Strecke zu pendeln. Obwohl es nach Einschätzung der Junglehrer an Gymnasien einen hohen Bedarf gibt: Aktuell gehe es nur darum, Defizite zu bewältigen. Martina Geiger, die in Heilbronn das Ausbildungsseminar für Lehrer an Gymnasien leitet, stimmt dem zu: Der Lehrermangel habe die Gymnasien erreicht. "Es ist auf Kante genäht", sagt sie zur Lehrersituation. Die fertigen Referendare aber müssten anderen Wege einschlagen: "Viele Gymnasialreferendare gehen an berufliche Schulen, Gemeinschaftsschulen oder Privatschulen." In den vergangenen Jahren sah das anders aus: Zum Zeitpunkt der Zeugnisübergabe hätten 80 bis 90 Prozent einen Vertrag in der Tasche gehabt, sagt Martina Geiger.
Kürzlich hat stimme.de darüber berichtet, dass viele Stellen an Grund- und den anderen weiterführenden Schulen nicht besetzt werden könnten. Die Junglehrer für Gymnasien wüssten um diese Alternative, auch Krankheitsvertretungen seien zu haben. Solche Schritte kämen für viele nicht infrage. Beispielsweise hätten Gemeinschaftsschulen einen schlechten Ruf, so die Einschätzung. Die Vertreter der Referendare berichten ebenfalls von Fächern, für die man nur schwer eine Stelle bekomme. Allerdings gebe es das Problem sogar im Bereich Wirtschaft, einem recht jungen Fach: Viele Jugendliche hätten sich nach dem Abitur für ein entsprechendes Studium interessiert. Jetzt seien sie fertig, das Fach werde allerdings schon seit Jahren unterrichtet - durch Pädagogen mit entsprechenden Fortbildungen. "Wirtschaftler bekommen nichts", sagt einer. "Sie haben Wirtschaft studiert - für nichts."
Junglehrer ohne Vertrag? So reagieren Schulleiter von Gymnasien
Direktoren stünden auf ihrer Seite. "Die Schulleitungen haben einen Mangel an Lehrern", so die Vertreter der ausgebildeten Lehrer im Gespräch. An Gymnasien in der Region fällt die Einschätzung allerdings unterschiedlich aus: Ein Direktor ist entsetzt, dass die Junglehrer keine Stelle hätten. Ihm gegenüber hieß es zuletzt, dass es keine Referendare mehr gebe. Antje Kerdels, die die Direktoren in der Region als Sprecherin vertritt, betont allerdings: Das Regierungspräsidium in Stuttgart, das für die Lehrerversorgung verantwortlich ist, statte ihre Schule gut aus. Sie leitet das Robert-Mayer-Gymnasium in Heilbronn. Ein Unmut unter Schulleiterkollegen darüber, dass sie mehr Personal an ihren Gymnasien benötigten, sei ihr nicht bekannt.
Laut Regierungspräsidium in Stuttgart (RP) dürfen kommendes Schuljahr 195 Beamtenstellen im Regierungsbezirk besetzt werden, ein Jahr zuvor waren es 246 Stellen für Einstellungen an allgemein bildenden Gymnasium gewesen. Das sagt eine RP-Sprecherin auf Anfrage von stimme.de. Jährliche Schwankungen führt sie auf verschiedene Faktoren zurück, beispielsweise unterschiedlich viele Pensionierungsfälle, Versetzungen von Lehrern oder Elternzeit. Veränderungen bei den Schülerzahlen spielten ebenfalls eine Rolle.
Keine Stelle zu haben: Das sagt das Regierungspräsidium in Stuttgart
Die Referendare aus Heilbronn kritisieren das RP, das zu viel versprochen habe. Dazu heißt es seitens der Behörde: "Im Herbst eines jeden Jahres werden die Referendarinnen und Referendare vor Ort in den Ausbildungsseminaren über die Einstellungsverfahren in den verschiedenen Schularten und soweit abschätzbar über die schulartbezogenen Einstellungschancen informiert."
Die Einstellungschancen seien sehr unterschiedlich, so die Sprecherin. So bestünden im Fach Italienisch oder Altgriechisch geringere Einstellungschancen als beispielsweise in Mangelfächern wie Mathematik oder Physik. Steigern ließen sich die Einstellungschancen zumeist durch eine größtmögliche Flexibilität in Bezug auf die Einstellungsbezirke und in Bezug auf die Einstellungsschularten, an denen gymnasiale Lehrkräfte regulär unterrichten: allgemeinbildende Gymnasien, berufliche Schulen und Gemeinschaftsschulen. "Inzwischen stehen gymnasialen Bewerberinnen und Bewerbern auch teilweise fachfremde Einstellungsmöglichkeiten an Grundschulen oder den Sekundarschulen offen und werden entsprechend kommuniziert und beworben." Einige Referendare suchten "ausschließlich am allgemeinbildenden Gymnasium eine Einstellung". Die Sprecherin: "Aktuell werden jedoch an den Gemeinschaftsschulen und auch an den beruflichen Schulen in bestimmten Regionen noch dringend gymnasiale Lehrkräfte gesucht." Dort ausgeschriebene Stellen könnten bisher nicht vollständig besetzt werden.
Junglehrer erleben einen unsicheren Sommer
Ohne Vertrag hängen die Pädagogen, die in Heilbronn ausgebildet wurden, in der Luft. "Viele haben extreme Unsicherheiten", sagt ein Vertreter. Mietverträge liefen weiter. Ausziehen und kündigen? "Viele wissen nicht, was in sechs Wochen ist." Oder sie suchen nach Alternativen: Privatschulen seien gefragt, diese machten "attraktive Angebote", so die Einschätzung aus Reihen der Junglehrer. "Andere gehen andere Berufe."
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