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Rares Angebot: Kinder mit Handicap lernen in Neckarsulm schwimmen

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Planschen bis das Wasser spritzt: Fünf Kinder mit Handicaps haben Spaß beim Schwimmunterricht. Ehrenamtliche und Stiftungen ermöglichen das Angebot. Ein Besuch am Beckenrand. 

Übungsleiterin Iris Varga übt mit Enna mit Schwimmnudel und einem Ball, sich im Wasser zu bewegen.
Übungsleiterin Iris Varga übt mit Enna mit Schwimmnudel und einem Ball, sich im Wasser zu bewegen.  Foto: Berger, Mario

Die Luft im Schwimmbad der Neckarsulmer Astrid-Lindgren-Schule ist feucht, es riecht nach Chlor. Mit Pullover und langer Hose hält man es hier nicht lange aus. Für die kleinen Besucher dieses Nachmittags ist die Temperatur  genau richtig. Fünf Kinder mit Beeinträchtigung lernen hier schwimmen, einige sind körperlich eingeschränkt und benötigen eine Gehhilfe, andere haben das Down-Syndrom oder Formen von Autismus. Sechs Übungsleiter betreuen den Kurs, das ist ein höherer Betreuungsschlüssel als üblich. Unter den Übungsleitern sind oft auch zwei Ausbilder von der Bunten Sportgemeinschaft Neckarsulm (BSG), beide selbst mit Beeinträchtigungen. 

Die Schwimmkurse für Kinder mit Handicap gehen auf eine besondere Kooperation zurück. 2018 gründete die Familie Rettstatt mit privatem Geld die Stiftung Schwimmente. Ihr Ziel: Vereine, Schulen und gemeinnützige Organisationen finanziell bei Schwimmkursen zu unterstützen, um mehr Kindern das Schwimmenlernen zu ermöglichen. Das Projekt läuft seitdem erfolgreich in den Neckarsulmer Bädern, seit Anfang 2024 gibt es zusätzlich Kurse für Kinder mit Beeinträchtigung und Inklusionskurse.

Im Schwimmkurs für Kinder mit Beeinträchtigung braucht es vor allem Geduld

Nach ein paar Trockenübungen wärmen die Kinder sich im Wasser auf. Dazu setzen sie sich nebeneinander an den Beckenrand und planschen kräftig mit ihren Beinen, Wasser spritzt in die Luft. Die Übungsleiter stehen im Becken vor ihnen und unterstützen bei Bedarf. Dieses Ehrenamt fordert Geduld und Einfühlungsvermögen. „Die machen das richtig klasse“, lobt Schwimmente-Organisator Michael McQuirt die Ehrenamtlichen. 

Sonja Wörtmann (27) ist eine der Übungsleiterinnen, seit Beginn des Projekts ist sie dabei. Was sie motiviert? „Die Erfolge zu sehen.“ Leicht ist ihre Aufgabe nicht, wie sie erzählt, aber sie macht ihr viel Freude: „Einen normalen Schwimmkurs geben, das können viele. Diesen Kurs kann nicht jeder halten.“ Denn die Kinder benötigen viel Aufmerksamkeit. Man müsse auch damit zurechtkommen, wenn etwas nicht klappt. Besonders wichtig in ihrem Ehrenamt sei Geduld, erklärt die Studentin für Lehramt-Sonderpädagogik.

Schwimmkurse: Bereicherung für alle 

„Die Kinder muss man dort abholen, wo sie gerade sind“, erklärt Jenny Sakautzky, die selbst in einem anderen Kurs Kinder anleitet. Es gehe darum, sich auf ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten einzulassen. Geduld und Herzblut, das braucht man in solch einem Kurs. Was sie schön findet: „Die Kinder erden einen auch.“ Das gemeinsame Lernen sei eine Bereicherung für beide Seiten. 

Das Angebot ist gefragt, es gibt Wartelisten, sagt McQuirt. Denn alternative Angebote sind rar. Das liegt manchmal auch am Umfeld. Große Gruppen und große Bäder könnten manche Kinder überfordern, erklären die Betreuer. Deshalb kommen diese Kurse auch in kleinen Lehrschwimmbecken wie dem in Neckarsulm unter. 

Erfolge stellen sich im Schwimmkurs ein

Die Kinder sind ungefähr zwischen fünf und elf Jahren alt. Werde der Altersabstand zu groß, sei das irgendwann schwierig. Eigentlich bräuchte es eine Zwischenstufe. Das Problem: „Wir würden gerne einen zweiten Kurs aufmachen, aber uns fehlt es an Übungsleitern“, sagt McQuirt. 

„Wir kommen ganz arg gerne hierher“, sagt Mutter Viola Kronas. Ihr Sohn Emil sei vor einem Jahr noch mit Schwimmflügeln gekommen, jetzt könne er tauchen und mache Schwimmbewegungen, „der Wahnsinn“.

Auch Dominique Chmielowski freut sich, dass dieses Angebot existiert: „Es gibt gar keine große Auswahl.“

Viel Dankbarkeit für Angebot in Neckarsulm

Der Kurs sei wichtig, meint Mutter Corina Ortwein: „Schwimmen ist einfach eine Grundfertigkeit.“ Für das Zugehörigkeitsgefühl sei er ebenfalls wichtig, etwa wenn die Geschwister auch schwimmen können. Und es bringe Selbstbewusstsein, fügt Viola Kronas hinzu.

Die drei Mütter loben das Angebot: Eines der Kinder ist ruhiger nach dem Schwimmen, ein anderes hat Spastiken im Bein und kann nach dem Kurs weicher gehen. Es sei ein Ausgleich zu den ganzen Therapien und Arztbesuchen im Alltag der Kinder, sind sich die Eltern einig. Große Dankbarkeit ist zu spüren - eine Erfahrung, die Sakautzky und die anderen Übungsleiter in diesen Kursen immer wieder machen. 

Ausgerichtet wird das Angebot von der Schwimmschule Ente. Diverse Stiftungen unterstützen die Kurse finanziell, darunter die Stiftung Kinderland Baden-Württemberg sowie die Wiedeking-Stiftung Stuttgart. 

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