Vorwurf des Staatsanwalts: Versuchter Mord in Heilbronn sollte Familienehre wahren
Sieben Angeklagte müssen sich seit Mittwoch, 14. Mai, vor dem Heilbronner Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem gemeinschaftlich versuchten Mord vor. Das Motiv soll die Wahrung der Familienehre gewesen sein.
Die Zuschauerplätze im Großen Saal des Heilbronner Landgerichts reichten zum Prozessauftakt am Mittwoch, 14. Mai, gegen sieben Angeklagte wegen gemeinschaftlich versuchten Mordes ebenso wenig aus wie die Zellen für die Inhaftierten im Gerichtsgebäude. Einer der Angeklagten musste im Wagen der Polizei warten, bevor er mit den anderen Beschuldigten in Handschellen in den Verhandlungssaal vorgeführt werden konnte. Die Sicherheitsbeamten notierten im Eingangsbereich die Personalien der Zuschauer. Es galt höchste Sicherheitsstufe.
Prozess in Heilbronn: Verletzung der Familienehre als Auslöser?
Staatsanwalt Michael Koch warf den 20 bis 22 Jahre alten Angeklagten vor, sich am Abend des 9. Septembers 2024 verabredet zu haben, um gemeinsam Vater und Sohn der Familie Erg. in deren Wohnung in Heilbronn zu töten. Hintergrund sei ein gemeinsamer Spaziergang des Sohnes der Familie Erg. mit der Schwester des angeklagten E. Der 20 Jahre alte türkische Beschuldigte aus Neckarsulm soll darin eine Verletzung der Familienehre gesehen haben.

Mit Schlagwerkzeugen, Springmesser und Pfefferspray bewaffnet sollen die Angeklagten gegen 21.13 Uhr die Wohnung der Familie Erg. aufgesucht haben. Laut Staatsanwalt sollen sie maskiert versucht haben, das Überraschungsmoment auszunutzen und die Wohnungstüre aufzubrechen. „Sie schlugen gegen die Türe, um sich Einlass zu verschaffen und Vater und Sohn zu töten“, so Koch.
Vor Wohnung in Heilbronn: Angreifer wollten offenbar mit Pfefferspray Gegenwehr brechen
Das obere und das untere Schloss der Türe seien aufgrund des Drucks der Angreifer gebrochen. Nur das mittlere Schloss habe standgehalten. Dass es nicht auch kaputtgegangen ist, sei nur dem Umstand zu verdanken, dass die Familie Erg. mit aller Kraft dagegen drückte. Um diese Gegenwehr zu brechen, sollen die Angreifer Pfefferspray eingesetzt haben.
Nachbarn seien auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden. Einer habe gerufen „Polizei, Polizei“. Schließlich seien die Angreifer davongerannt. „Warte ab, wir kommen nochmal“, sollen sie laut Staatsanwalt gerufen haben. Um ihrer Drohung Nachdruck zu verleihen, hätten sie bei ihrem Rückzug zudem mit einem Schlagstock das Schlafzimmerfenster der Wohnung eingeschlagen.
E. wurde offenbar kurz nach der Tat verhaftet. Dabei soll er ein Springmesser mit sich geführt haben. Den Polizeibeamten habe er gesagt, er sei es alleine gewesen. Es sei um die Ehre gegangen.
Angeklagte sollen mutmaßliches Opfer bereits vor Überfall in Heilbronn geschlagen haben
Bereits Stunden vor dem Überfall auf die Wohnung der Familie Erg. sollen der Angeklagte E. zusammen mit dem Angeklagten T. den Sohn der Familie Erg. im Bereich des Silcherplatzes in Heilbronn tätlich angegriffen und damit gedroht haben, ihn umzubringen. Unter anderem sollen sie ihn gezwungen haben, vor ihnen zu knien. Vor laufender Handykamera sollen sie ihn zudem genötigt haben zu sagen: „Es tut mir leid. Ich bin der größte Hurensohn, der je zur Welt gekommen ist.“ Einem aufmerksam gewordenen Passanten soll E. erklärt haben, er sei Kurde und die Familienehre stehe über allem.
Neben dem gemeinschaftlichen versuchten Mord, der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung sowie Nötigung und Sachbeschädigung klagte die Staatsanwaltschaft zwei weitere mutmaßliche Taten an. So soll zum einen der Angeklagte E. am 27. April 2024 gegen 0.10 Uhr auf der Heilbronner Theresienwiese eine Schlägerei angezettelt haben. Zum anderen soll der Angeklagte G. zur Mittagszeit am 22. September 2024 versucht haben, einen mutmaßlich Geschädigten wegen einer behaupteten Verletzung des Ehrgefühls zu nötigen.
Prozess in Heilbronn dauert voraussichtlich bis Oktober
Die Kammer hat für den Prozess 15 Verhandlungstage angesetzt. Die Verhandlung geht voraussichtlich bis in den Oktober hinein. Zwölf Verteidiger, sechs Nebenkläger sowie deren anwaltliche Vertreterin, zwei Dolmetscher für die türkische und kurdische Sprache sowie vorerst 29 Zeugen sind geladen.
Der nächste Prozesstag findet am Mittwoch, 28. Mai, ab 9 Uhr statt. Dann sollen sich laut dem Vorsitzenden Richter Alexander Lobmüller die Angeklagten zu ihren persönlichen Verhältnissen und zum Sachverhalt äußern können. In den darauffolgenden Prozesstagen werden die Zeugen gehört.
Vorwurf der Staatsanwaltschaft Heilbronn: gemeinschaftlich versuchter Mord
Die Staatsanwaltschaft Heilbronn wirft den Angeklagten unter anderem gemeinschaftlich versuchten Mord vor. Damit aus einem versuchten Tötungsdelikt ein versuchter Mord wird, muss die mutmaßliche Tat definierte juristische Merkmale erfüllen. Dazu gehören unter anderem Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, niedrige Beweggründe, Heimtücke oder Grausamkeit. In der Anklage gegen die sieben Beschuldigten legt die Staatsanwaltschaft die Merkmale niedere Beweggründe und Heimtücke zugrunde.