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Not macht erfinderisch
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Oliven statt Trauben in Weinbergen – Winzer aus Weinsberg startet Versuch

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Weinbau in Steillagen rentiert sich nicht mehr. Etliche Weinberge liegen brach. Erfinderische Winzer machen aus der Not eine Tugend – oder sie versuchen es zumindest. 


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Hermann Frisch steht unterhalb der Weibertreu und lässt den Blick über die Reblandschaft rund um Weinsberg schweifen. "Die Ausgangslage ist klar“, sagt der 69-jährige Obst- und Weinbautechniker. Weinbau rentiert sich kaum noch. Vor allem in Steillagen, wo der Arbeitsaufwand besonders hoch ist, stechen immer mehr Brachflächen ins Auge. Nicht nur Wanderer, Spaziergänger und Touristiker fragen sich: Was wird bloß daraus? Man kann doch nicht alles verbuschen lassen. Gibt es nicht alternative Kulturen, die zum Erhalt der markanten Lagen beitragen könnten?

Hermann Frisch kennt so gut wie jede Pflanze im Unterland mit Namen

Weniger Aufwand Hermann Frisch, der früher für die Rebanlagen der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt (LVWO) in Weinsberg und Burg Wildeck verantwortlich war, als Naturschutzwart des Schwäbischen Albvereins so gut wie jede Pflanze im Unterland mit Namen kennt und im Nebenerwerb noch 50 Ar Wengert umtreibt, hat sich ähnliche Gedanken gemacht. Und: Er hat eine Antwort gefunden. Zumindest für seine rund 70 Jahre alte Riesling-Anlage am Burgberg, zumindest versuchsweise, im Kleinen.

Hermann Frisch aus Weinsberg pflanzt unterhalb der Weibertreu Olivenbäume.
Hermann Frisch aus Weinsberg pflanzt unterhalb der Weibertreu Olivenbäume.  Foto: Krauth, Kilian

Olivenanbau in Weinsberg: Pflegeaufwand liegt weit unter dem von Reben

„Ich habe über Haselnuss, Mandeln, Granatäpfel nachgedacht und bin bei Oliven hängengeblieben“, berichtet der Experte. Im Zuge des Klimawandels würden solche Exoten inzwischen auch in unseren Breiten gedeihen. „Mit dem Risiko, dass sie ab 14 Grad unter Null erfrieren, muss ich leben.“ Während die Neuanlage eines Wengerts rund 50.000 Euro pro Hektar kostet, seien es bei den Oliven 7000 bis 8000 Euro für 500 Bäume. Der Pflegeaufwand liege weit unter dem von Reben, wo er bei 400 Arbeitsstunden pro Jahr und Hektar heute für seine Trauben von der Genossenschaft nur noch 6000 Euro bekomme. „Das ist nicht mal Mindestlohn.“

Sein Pflanzgut hat Frisch über Ex-Weinbauschuldirektor Rolf Hauser teils vom Weinsberger Partnerinstitut in San Michele im italienischen Trentino bezogen: Leccino und Leccino del Corno zu 16 Euro pro Stück. Andere Sorten hat ihm ein Freund aus Kroatien mitgebracht: Pendolino und Faravol boga. Mehr oder weniger kleiner Haken: Die 1,20 Meter großen Bäumchen, die er Mitte März mit seinem Enkel Samuel (10) gepflanzt hat, dürften frühestens in vier Jahren Früchte tragen und erst in 15 Jahren im Vollertrag stehen. „Eine 90-jährige Bekannte hat sich schon zur Ernte angemeldet“, berichtet Frisch lächelnd. „Aber ich mache das ja im Grunde für die nachfolgende Generation“, sagt der 69-Jährige und betont, dass es sich bei den ersten 30 Bäumchen noch um einen Versuch handle und er in seinem Riesling-Wengert nach und nach Zeile für Zeile raushacken und mit Oliven bepflanzen will.

Wie hier in Lauffen liegen immer mehr Weinberge in Steillagen brach. Gibt es Alternativen?
Wie hier in Lauffen liegen immer mehr Weinberge in Steillagen brach. Gibt es Alternativen?  Foto: Kunz, Christiana

Ein Lauffener experimentierte schon mit Palmen

Robuste Reben Weinberge zu Ölfeldern? Ob es mal soweit kommt, wie Frischs Kollege Dietmar Rupp spöttelt, sei dahingestellt. Jedenfalls habe er mit Stefan Kerner von der Erlenbacher Ölmühle schon einen Abnehmer – der nun selber über Olivenhaine nachdenke. Da ist er nicht der einzige. „Vor drei, vier Jahren habe ich auch einige Oliven gepflanzt, und sogar Palmen“, berichtet Christian Seybold aus Lauffen, „spaßeshalber, auch wenn alles gut gediehen ist“. In eher flachen Lagen baue er inzwischen teils Kürbisse an oder säe Blumen ein. „Das tut der Landschaft gut, den Bienen und dem Gemüt.“ Im Idealfall setzt Seybold, der rund um seinen historischen Eiskeller sogar Weinterrassen dazugekauft hat, auf robuste Reb-Neuzüchtungen, also Piwis, wo der Pflanzenschutzaufwand minimal sei. Mit alternativen Tourismus-Ideen – von der Aussichtsplattform bis zu Übernachtungsmöglichkeiten – sei er immer wieder vom Naturschutz ausgebremst worden.

Feigen, Kakis, Mandeln: Vorreiter kommt aus aus Hessigheim

Vordenker Ähnliches berichtet Marc Müller aus Hessigheim. „Die blocken doch nur ab.“ Gleichzeitig wundert er sich, dass in der Frage nach Alternativen in Württemberg noch kaum etwas laufe. Schon vor sechs Jahren habe er mit verschiedenden Sorten, Unterarten und Klonen damit begonnen, „zu probieren, was wo unter welchen Rahmenbedingungen geht“. Mit seinem Versuchssorten, die er aus der ganzen Welt bezogen habe, sei er sogar Teil eines österreichischen und eines Schweizer Forschungsprojekts.

Feigen, Kakis, Mandeln, Oliven und ähnliches habe er heute auf 0,5 Hektar stehen, pflanze derzeit weitere 2,5 und peile die fünf Hektar an. Vermarkten werde er das Ganze ab Hof, auf Wochenmärkten und übers Internet. „Man kann sagen, nördlich der Alpen bin ich Vorreiter.“

Michael Mörsel erntet sogar Trüffel in Beilstein-Etzlenswenden

Trüffel Exotisches hat auch Michael Mörsel aus Beilstein-Etzlenswenden zu bieten: Trüffel. Die edle Knolle gedeihe nicht nur in traditionellen Trüffel-Regionen wie Piemont und Burgund, sondern je nach Standort, Boden, Sonneneinstrahlung und Kleinklima auch in unseren Breiten, vornehmlich unter bestimmten Bäumen, aber auch in Weinbergen. Die Nachfrage sei enorm. „Für Top-Qualität kann man 800 Euro pro Kilogramm erzielen. Für den schwarzen Perigot sogar bis zu 2500 Euro, aber das ist eine Diva.“ Mörsel bietet auch Führungen und sogar Seminare an, bei denen er sein Wissen weitergibt.

Weinbauverband fordert Fördergelder für die Einsaat von Blühgräsern

Hermann Morast vom Weinbauverband Württemberg (WVW) betont, dass der WVW schon vor Jahren auf die Stilllegungs-Problematik hingewiesen habe. Die Suche nach Alternativen, „die wir ausdrücklich begrüßen“, stecke aber erst in den Kinderschuhen. Wie in der allgemeinen Landwirtschaft müssten sich auch Wengerter zusätzliche Standbeine schaffen, etwa im Tourismus oder eben durch alternative Pflanzenkulturen, „wie früher im Mischbetrieb“.Rotationsbrache Als Übergangslösung macht sich der WVW für eine vom Land mit 3000 Euro pro Jahr und Hektar geförderte „Rotationsbrache“ mit bis zu acht Jahren Laufzeit stark, das heißt: Damit aufgelassene Rebanlagen nicht verbuschen und die Nachbarschaft belasten, könnten diese nach der Rodung mit Blühmischungen eingesät werden. Das sei nicht nur schön anzuschauen, sondern fördere die Biodiversität und gebe den Winzern Zeit, nachzudenken, was sie längerfristig mit der Fläche machen wollen: wieder Wengert – oder eben eine Alternative. 


Hintergrund: Steillagen-Weinbau ist sehr aufwendig und nicht mehr rentabel 

Sie prägen seit Jahrhunderten die Landschaft, sind Lebensraum für spezielle Arten, aber auch Arbeitsplatz und Tourismusfaktor, kurzum: ein gutes Stück Heimat. Eigentlich müssten die terrassierten Steillagen am Neckar zum Weltkulturerbe erhoben werden. Doch ihre Bewirtschaftung rentiert sich nicht mehr, Brachflächen nehmen rasant zu. Kernproblem: Verbraucher honorieren den hohen Arbeitsaufwand kaum. Er liegt bei bis zu 1800 Stunden im Jahr. In der Ebene und am Hang, wo man mit Maschinen fahren kann, sind es 150 bis 400 Stunden. Hinzu kommt der Sanierungsaufwand für Mauern.

Seit wenigen Jahren gibt es vom Land Baden-Württemberg eine Handarbeitsprämie, die zuletzt von 3000 Euro pro Hektar auf 5000 Euro aufgestockt wurde. Auch Neupflanzungen werden gefördert. Inzwischen kann man auch Öko-Punkte sammeln, also Eingriffe in die Natur mit dem Mauerbau kompensieren. Hie und da gibt es private oder öffentliche Förderprojekte. Doch all dies fruchtet offenbar wenig. Immer mehr Flächen werden aufgegeben.

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