Kaum Hoffnung auf Wende bei Notfallpraxis
Doris Reinhardt, Vizechefin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, ist auf Einladung nach Brackenheim gekommen. Dort verteidigt sie die geplante Reform – und die Schließung der Brackenheimer Notfallpraxis. Sie soll wohl im November wegfallen.

Schrittweise will die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) im Zuge ihres umfassenden Standort- und Strukturkonzeptes insgesamt 18 ärztliche Bereitschaftspraxen im Land schließen – auch in Brackenheim, wo die dortige Praxis am 30. November wegfallen soll. 57 allgemeine und 32 fachärztliche Bereitschaftspraxen sollen künftig nachts und an Wochenenden zur Verfügung stehen, wenn die Praxen von Haus- und Fachärzten geschlossen sind. Die KV will „umfangreiche Maßnahmen ergreifen“, um diese verbleibenden Standorte aufzurüsten – das sagte die stellvertretende Vorsitzende Doris Reinhardt gestern in Brackenheim.Auf Einladung des Grünen-Landtagsabgeordneten Erwin Köhler war Reinhardt zu einer Austauschrunde ins Rathaus gekommen, es nahmen neben Brackenheims Bürgermeister Thomas Csaszar die Bürgermeisterinnen Sarina Pfründer (Lauffen) und Carmen Kieninger (Pfaffenhofen) sowie Grünen-Kreisrätin Kyra Lenouidas teil.Doris Reinhardt stand Rede und Antwort, erklärte die Notwendigkeit der Reform – und warb für gegenseitiges Verständnis im Hinblick auf die Auswirkungen der Praxisschließungen für die Bevölkerung. Trotz des Dialogs hält die KV an ihren Plänen fest.
Reinhardt: „Versorgung im ärztlichen Bereitschaftsdienst sichergestellt“
Die KVBW hatte ihr Standort- und Strukturkonzept bereits im Oktober 2024 in Stuttgart vorgestellt und sucht seither gezielt den Austausch vor Ort. Im März war Reinhardt bereits in Bad Saulgau zu Gast gewesen, der Standort war als einer der ersten Ende März geschlossen worden. „Wir profitieren als KV von diesem Austausch“, sagte Reinhardt. Die Gespräche seien wertvoll, bestätigte auch Bürgermeister Csaszar: „Als Stadt fragen wir uns, welche Verschlechterungen oder Verbesserungen zu erwarten sind, welche Fahrt- und Wartezeiten sich auftun, wenn Patienten aus dem Zabergäu auf die Standorte verteilt werden.“ Die derzeitige ambulante Versorgung in Brackenheim sei gut aufgestellt. Von der KV erwarte er eine umfangreiche Information für die Bürger über die neuen Versorgungsstrukturen.
Doris Reinhardt versicherte: „Die Versorgung im ärztlichen Bereitschaftsdienst ist weiter sichergestellt.“ Der Fahrdienst bleibe erhalten, ebenso werde die Telemedizin gestärkt. Anlaufstellen für Patienten aus dem Zabergäu, bei denen akute Beschwerden auftreten, wenn Hausarztpraxen geschlossen sind, sollen – je nach Wohnort – künftig die an die Kliniken in Heilbronn, Mühlacker und Bretten angegliederten Bereitschaftspraxen sein. Dort will die KV ihre Arztzeiten erweitern und stärker an den regionalen Bedarf anpassen. „Mit dieser Reform können wir erstmals sehr engmaschig bedarfsnotwendig steuern – nicht über die Öffnungs-, sondern über die hinterlegten Arztzeiten“, erklärte Reinhardt.
Die KV habe mit allen 18 betroffenen Standorten Gespräche geführt, erklärte die Vizevorsitzende, eine umfassende Information in der Tiefe sei aus Zeitgründen nicht immer möglich gewesen. In der Gesprächsrunde räumte Reinhardt ein, dass die KV ihre Pläne nur zurückhaltend kommuniziert habe. Viele betroffene Kommunen und Bürger hätten sich übergangen gefühlt, schilderte Carmen Kieninger ihren Eindruck. Doris Reinhardt kann die daraus entstandene Unruhe nachvollziehen. Denn mit dem Begriff „Bereitschaftsdienst“ schwinge für viele Bürger die Notfallrettung mit – und die Sorge, dass sich die Notfallversorgung verschlechtert. „Ich habe Verständnis, aber viele Entscheidungen müssen getroffen werden.“
Gerichtsurteil als Weckruf
Auslöser für die Reform war das Urteil des Bundessozialgerichts vom Oktober 2023, wonach nicht oder nicht mehr niedergelassene Ärzte, die Bereitschaftsdienst leisten, sozialversicherungspflichtig werden. Für die KVBW sei dies ein Weckruf gewesen, die Versorgung insgesamt zu überdenken. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Ärztemangels soll die Reform auch die Niederlassung attraktiver machen. Die KVBW mit ihren 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht selbst vor einer umfassenden Verwaltungsreform – der Bereitschaftsdienst sei nur ein kleiner Teil, so Reinhardt.
Seit die ersten Bereitschaftspraxen Ende März geschlossen wurden, habe es keine negativen Auswirkungen gegeben: „Wir fragen wochenweise bei den Beteiligten nach. Alles ist im grünen Bereich: Es gibt keinen spürbaren Anspruch an die Notaufnahmen, keine Veränderungen im Rettungsdienst“, ergänzte KVBW-Sprecher Kai Sonntag.