Stimme+
Talheim
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Lebensraum Talheimer Steinbruch: In Felswänden, in Sand und Kies fühlen sich viele Tierarten wohl

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

Führung beim Lesersommer im bmk-Steinbruch in Talheim legt diesmal den Schwerpunkt auf die Natur. Mit dem Abbau wechselt die Fauna. 

Vom Abbau des Muschelkalks im Talheimer bmk-Steinbruch bleiben Felswände übrig. Nicht nur diese sind Lebensraum für Tiere, sondern auch die Tümpel, die sich durch den Regen bilden.
Vom Abbau des Muschelkalks im Talheimer bmk-Steinbruch bleiben Felswände übrig. Nicht nur diese sind Lebensraum für Tiere, sondern auch die Tümpel, die sich durch den Regen bilden.  Foto: Ralf Seidel

Ganz überraschende Einblicke gab es in diesem Jahr für die 20 Teilnehmer beim Lesersommer im bmk-Steinbruch in Talheim. Erdkunde und Biologie standen im Vordergrund, die Informationen rund um den Abbau und Zahlen, die die Dimension der Produktionsstätte deutlich machen, wurden quasi en passant bei der rund dreistündigen Führung über das Gelände geliefert. Wozu braucht es so viel Steine? Und: Wie schlimm ist der Abbau für Landschaft und Natur? Spannende Antworten lieferte Zoologe Jochen Roeder von der Krieger-Gruppe aus Neckarsteinach, der als Gastführer die Gruppe mit begleitete.

"Sie haben keine Kaffeetasse ohne uns." Mit dieser Aussage erntet Roeder Erstaunen. Fenster, Wände, Cerankochfeld, Badewanne, all das, was es zum Leben braucht, sei ohne die Veredelung der mineralischen Rohstoffe nicht vorhanden. Die Branche trage das Fundament der Gesellschaft, und Steine seien nicht nur im Straßenbau allgegenwärtig. Die Teilnehmer verschätzen sich gewaltig: Der Verbrauch pro Kopf des Massenprodukts Stein, auf Baden-Württemberg heruntergerechnet, sind ein Kilogramm pro Stunde. Das macht zehn Tonnen pro Jahr pro Nase, verdeutlicht Roeder der Gruppe, die zum Schutz vor der sengenden Sonne unter dem Schatten eines Baumes seinen Ausführungen lauscht. Im Hintergrund rattert der Koloss, das 2020 in Betrieb genommene neue Schotterwerk. Brecher und Siebmaschinen sind eingehaust, damit Lärm und Staub nicht nach außen dringen. Geologe Johannes Roos, bei bmk für die Qualitätssicherung verantwortlich, weist auf das riesige Rohrsystem hin: die wuchtige Entstaubungsanlage, die 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Talheimer Werks ausmacht.

Der Muldenkipper, 40 Tonnen schwer, kippt seine 60 Tonnen gesprengten Gesteins in den Vorbrecher. 300 bis 400 Liter Diesel frisst das Riesen-Fahrzeug pro Tag.
Der Muldenkipper, 40 Tonnen schwer, kippt seine 60 Tonnen gesprengten Gesteins in den Vorbrecher. 300 bis 400 Liter Diesel frisst das Riesen-Fahrzeug pro Tag.  Foto: Ralf Seidel

Landschaft wird transformiert

"Wie schlimm ist es, dass Landschaft in die Luft gesprengt werden muss?", stellt Roeder eine zentrale Frage, um sogleich zu antworten: "Überhaupt nicht schlimm." Als Branchenmitarbeiter macht er deutlich: "Wir vernichten Landschaft nicht, wir transformieren sie." Denn nach dem Abbau werde das Gelände zu 100 Prozent renaturiert oder rekultiviert (für die menschliche Nutzung). Das läuft parallel. Und so wird die Mittagsrast bei kühlen Getränken und Imbiss auf einem aufgefüllten Bereich gehalten, neben dem 0,4 Hektar großen Test-Weinberg der Staatlichen Lehr- und  Versuchsanstalt Weinsberg, die hier pilzresistenten Sauvignon Gris anbaut. 

"Super, dass sich die Natur den Steinbruch holt", schlussfolgert Christiane Wolpert aus Bad Wimpfen erfreut aus den Ausführungen von Biologe Roeder. Der zeigt auf eine der Felswände. Da wachsen nicht nur Pflanzen, sondern sie sind auch Lebensraum, etwa für die Mehlschwalbe. "Zahlreiche Arten brauchen Felsfluren, Schotterflächen, Sand- oder Kiesbereiche", klärt er auf. Und zwar seltenere und bedrohtere Arten als vor dem Abbau hier lebten. Etwa die blauflüglige Sandschrecke, die in der Roten Liste als gefährdet aufgeführt ist. Sie ist im Splitt nur zu erkennen, wenn sie sich bewegt, so gut ist sie getarnt. "Über 80 Prozent der Uhu-Paare leben in Steinbrüchen", erzählt Roeder. Turmfalken brüteten bevorzugt an Brecheranlagen, weil der Lärm die Steinmarder von der Brut fernhält. "Steinbrüche sind Magneten für Greifvögel", ergänzt der Zoologe und zeigt in die Luft. Dort segelt ein Roter Milan und unter ihm ein Bussard, die die "wunderschöne Thermik" nutzen. 

Der Jungreiher auf den Felsplatten ist kaum zu unterscheiden von der Felswand im Hintergrund. Die Tümpel sind ideale Wasserstellen zum Laichen von Amphibien.
Der Jungreiher auf den Felsplatten ist kaum zu unterscheiden von der Felswand im Hintergrund. Die Tümpel sind ideale Wasserstellen zum Laichen von Amphibien.  Foto: Ralf Seidel

Tiere gewöhnen sich an Arbeitsabläufe

"Hier gibt es viel Nahrung für Kleinsäuger und Insekten", führt Roeder weiter aus. Ungerührt von den Arbeitern und den Besuchern, ruht sich ein Jungreiher auf Felsplatten am Rande der Naturstein-Bearbeitung aus. Unaufhörlich knallt der Meißelaufsatz der Spaltmaschine auf einen Steinbrocken.  "Die Tiere gewöhnen sich an die sich wiederholenden Arbeitsvorgänge", sagt  Roeder. Und Kröten seien nachtaktiv. "Da wird nicht mehr gearbeitet." Der Biologe, der mit seiner Leidenschaft für die Tierwelt im Steinbruch ansteckt, berichtet stolz vom Bienenfresser, einem "bunten Neuzugang", der einer der weltweit attraktivsten Vögel sei. 

"Ich habe mir gar nicht vorgestellt, dass es hier so viel Naturschutz gibt", ist nicht nur Gerlinde Frank aus Eberstadt beeindruckt von der Führung. Auch mal diese Seite aufgezeigt zu bekommen, das hat die Talheimerin Bianca Jauchstetter gefallen. 

Robert Bopp hat 1937 den Steinbruchbetrieb angemeldet. In Talheim ist auch die Verwaltung der heutigen bmk-Steinbruchbetriebe GmbH & Co.KG. Am Standort sind es 40 Mitarbeiter, im Unternehmen mehr als 200. Pro Jahr werden am Rauhen Stich etwa  500.000 Tonnen Gestein abgebaut und aufbereitet. Die Abbaureserve reicht noch 20 bis 25 Jahre. Für den Eingriff in die Landschaft müssen anderswo Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden. 

Kommentare öffnen
Nach oben  Nach oben