Kriegsreporter Wolfgang Bauer über Berichterstattung von der Front: „Sicherheit ist das Fundament von allem“
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Seit vielen Jahren ist Kriegsreporter und ZEIT-Journalist Wolfgang Bauer in Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan und der Ukraine unterwegs, begibt sich bei Recherchen in Lebensgefahr. Am Donnerstag war er zu Gast im Klosterhof in Lauffen.
Vorbereitung ist in seinem Beruf enorm wichtig, erklärt Kriegsreporter Wolfgang Bauer (rechts) den Zuschauern und Moderator Ralf Roschlau (links)
Foto: Heil, Theresa
„Ich bin ein großer Angsthase“, sagt Wolfgang Bauer. Dabei würden ihn viele als sehr mutigen Menschen bezeichnen. Für die Wochenzeitung „Die Zeit“ reist der Kriegsreporter seit Jahren unter anderem nach Syrien, Afghanistan und in die Ukraine, begibt sich bei seinen Recherchen in Lebensgefahr.
Aber die Neugierde ist größer als die Angst. „ Für mich ist mein Beruf wie eine große Forschungssonde.“ Im Klosterhof in Lauffen erzählt Bauer (55) am Donnerstagabend von seinen Erlebnissen. Mit Moderator Ralf Roschlau, Mitglied im Integrationsausschuss in Lauffen, spricht er über die aktuelle Entwicklung in den Krisengebieten, Todesangst bei der Arbeit und die Flüchtlingssituation in Deutschland.
Unterwegs als Kriegsreporter: Wolfgang Bauer erzählt von Begegnungen
Allein ist Bauer auf seinen Reisen nicht unterwegs. Helfer und Übersetzer begleiten ihn, er hat viel Kontakt zu Einheimischen und kennt die persönlichen Schicksale hinter den Nachrichten. Da ist zum Beispiel der Vater in Afghanistan, dessen Söhne von US-amerikanischen Granaten getötet werden, als sie Ziegen hüten. Nun muss der Mann bald seine beiden Töchter verheiraten, um die Behandlung für seinen Nierenstein bezahlen zu können. Die Kinder sind erst sieben und acht Jahre alt. Bauer spricht bei dem Geschäft mit Mitgiften von einer „parallelen Wirtschaftswelt“. Die Armut in dem von der Taliban kontrollierten Land ist so groß, dass Familien ihre Töchter sehr jung verheiraten, weil sie oft keine andere Wahl haben. Auch sein Bekannter, sagt Bauer, sei darüber tieftraurig.
Afghanistan sei ein Land voller Widersprüche. In Kabul entstehen Wolkenkratzer, „andererseits war die Armut noch nie so heftig“. Schulbildung für Mädchen ist verboten, eine Haltung, die laut Wolfgang Bauer manche Taliban insgeheim gar nicht unterstützen. Vor seinen Augen wird ein Bekannter verhaftet, der 200 Mädchenschulen im Untergrund betreibt, eines „der gefährlichsten Dinge, die man in Afghanistan tun kann“. Bauer selbst entgeht einer Verhaftung.
Angst vor dem Tod, Verlust von Kollegen: Wolfgang Bauer berichtet von seiner Arbeit
Die Angst begleitet ihn oft bei seinen Recherchen, zum Beispiel wenn an der Front in der Ukraine zehn Granaten pro Minute einschlagen und die Erde zum Beben bringen. Kürzlich seien wieder zwei Kollegen getötet worden, ein weiterer verlor sein Bein. Bauer vermeidet es, seine Deckung zu häufig zu verlassen. Die Reisen plant er meist wochenlang. „Ich versuche, mich so gut wie möglich vorzubereiten.“
„Sicherheit ist das Fundament von allem“, sagt Bauer. Das habe er bei seinen Recherchen eindrücklich erkannt. In Syrien herrsche nach dem Sturz von Assad eine große Unsicherheit. Darum seien bislang nur wenige in ihre Heimat zurückgekehrt. „Das Regime Assad war eins der grausamsten der Welt“, betont der Journalist. Über Jahrzehnte gesäter Hass verschwinde nicht einfach so. Die Forderung mancher Politiker, die in Deutschland lebenden Syrer wieder in ihr Heimatland zu schicken, bezeichnet Bauer als Schnellschuss, der von „großer Ahnungslosigkeit“ zeuge. Viele ehemalige Flüchtlinge würden gar nicht zurück wollen, seien gut integriert, hätten Jobs und bekleideten hohe Positionen. Ohne sie würden Deutschland Fachkräfte fehlen.
Neue Flüchtlingswelle? Kriegsreporter warnt vor Szenario in der Ukraine
Sorge macht Wolfgang Bauer, der selbst in Reutlingen lebt, die Lage in der Ukraine, aus der er erst kürzlich zurückgekehrt ist. „Die Gefahr besteht, dass die Front bricht“, erklärt er. Die Staaten des Baltikum seien in „absoluter Alarmstimmung“. Sollte Russland ins Landesinnere der Ukraine vordringen oder etwa in Litauen einfallen, werde es Massen an Flüchtlingen geben. „Dann können Sie hier Betten aufstellen“, meint Bauer und zeigt um sich. „Das ist das Szenario, das uns Sorgen machen sollte, denn es würde unsere Politik lähmen“, fügt er hinzu.
Portraits von Geflüchteten
Die Veranstaltung mit Wolfgang Bauer ist Teil des Rahmenprogramms der Ausstellung „Angekommen in Lauffen“, die vom Integrationsausschuss der Stadt konzipiert wurde. Darin sind 15 Portraits von Menschen ausgestellt, die aus ihrer Heimat geflohen sind. Interessierte können sie für weitere vier Wochen in der Regiswindiskirche besuchen.Die nächste Veranstaltung ist eine Lesung mit Gespräch am Donnerstag, 13. November, um 20 Uhr in der Stadtbücherei. Autor Farhad Alsilo überlebte als Kind den Völkermord an den Jesiden.
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