Fachwerkhaus an der Heilbronner Straße in Leingarten hat eine interessante Geschichte
Das Anwesen wurde im 18. Jahrhundert gebaut, die prächtige Sonnenuhr auf der Giebelseite stammt aus dem Jahr 1785. Das Gebäude war sowohl als Gasthaus Zum Adler bekannt als auch als Poststation

Es gehört zu den schönsten Fachwerkhäusern in Leingarten: das Gebäude der Metzgerei Schütz-Wolf an der Heilbronner Straße 89 in Großgartach. Das im 18. Jahrhundert gebaute Anwesen mit der prächtigen Sonnenuhr aus dem Jahr 1785 auf der Giebelseite hat eine bewegte Geschichte, war früher ebenso als Gasthaus Zum Adler bekannt wie auch als Poststation.
Das Bauwerk war bereits über 100 Jahre alt, als 1878 die Eisenbahnverbindung Heilbronn-Karlsruhe eröffnet und 13 Jahre zuvor die Wasserleitung in Asphaltrohren verlegt wurde. Die Hochdruckleitung in Großgartach ist 1906 in Betrieb genommen worden. Ihr stolzer Preis betrug damals 107.200 Mark. Die Bürger Schluchterns kamen erst 21 Jahre später in den Genuss dieser Bequemlichkeit.
Metzgerposten
Es war die Zeit, in der die Postkutschen durchs Ländle rollten. Bereits im 16. Jahrhundert besorgten sogenannte Metzgerposten vorwiegend im Süddeutschen Raum die Personen-, Paket- und Briefbeförderung zwischen den Städten und Gemeinden. Trotz der damit verbundenen Fron- und Abgabenerleichterungen wurde dieser Dienst von der Metzgerszunft nur widerwillig ausgeführt. Vergeblich versuchten die Heilbronner in einem Bittschreiben an den Magistrat, diese unbequeme Last loszuwerden.
Neben den Metzgerposten bestanden zwischen den größeren Kommunen und der Obrigkeit noch sogenannte "ordinäre Boten", die an bestimmten Wochentagen Briefe und Pakete beförderten und mündliche Bestellungen ausrichteten. An die Kuriere erinnert noch die steinerne Botenbank an der Straße nach Kirchhausen, nur wenige Meter rechts nach der Abzweigung von der Eppinger Straße. Dem "Bott" (Boten) diente sie zum abstellen seiner Traglasten.
Das Botenwesen überdauerte die Postkutschen-Ära und reichte noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein. Der letzte Schwaigerner Bote, Karl Reiner, fuhr bis 1932 mit seinem Pferdegespann nach Heilbronn. Der "Post Paul" Baumgärtner, und nach diesem Andreas Unser aus Massenbachhausen besorgten ihre Aufträge in Schluchtern.
Kutschenverkehr
Neben diesen Boten nahm ab 1856 die Post durch die Einrichtung einer Poststation im Gasthof Zum Adler, der heutigen Metzgerei Schütz-Wolff an der Heilbronner Straße 89, ihren Dienst auf. Zehn Jahre später verkehrten dann dreimal täglich Kutschen zwischen Heilbronn und Eppingen. Die Eisenbahn machte diese Einrichtung rasch überflüssig. Zwei Dokumente aus der badischen Zeit Schluchterns, lassen die Umständlichkeit des Reiseverkehrs zwischen den damals selbstständigen Staaten Baden und Württemberg deutlich werden. Für eine große Uhr musste beispielsweise drei Kreutzer Zoll entrichtet werden, für die Durchfahrt durch die badische Enklave Schluchtern ein Chaussée-Geld in gleicher Höhe.

Das schöne Fachwerk mit der Sonnenuhr an der damaligen Adler-Gaststätte ließ Metzgermeister Adolf Wolff 1925 freilegen und erneuern. Neben dem 1969 abgerissenen Mesnerhaus Flinspach wurde das Gebäude zum schönsten Bau in Großgartach, auf dessen First viele Jahre sogar ein Storchennest thronte. 1958 wurde die Wirtschaft aufgegeben und durch Wilhelm Schütz in eine Metzgerei umgewandelt.
Der Adler ging aber auch in die Geschichte des Okkultismus ein. Justinus Kerner befasste sich neben der Dichtkunst auch mit Studien auf dem Gebiet somnambuler Erscheinungen. In seinem Büchlein "Die Seherin von Prevorst" wird unter den Schauplätzen übersinnlicher Erscheinungen auch das Gasthaus Zum Adler in Großgartach erwähnt. Dort soll angeblich im Stall eine eiserne Kugel an einer Kette ohne menschliche Einwirkung von einer Wand an die andere geschwebt sein.