Zuletzt 2017 gefeiert: Gibt es in Leingarten überhaupt mal wieder einen Käsritt?
Erst das Coronavirus, dann die Belegung des Festplatzes: Seit 2020 wurde das große, traditionelle Käsritt-Heimatfest in Leingarten, das eigentlich alle drei Jahre auf dem Programm steht, immer wieder verschoben. Ob und in welcher Form es je wieder stattfindet? Das steht noch nicht fest.

Käsritt - was ist das noch mal? Wer in den letzten fünf Jahren ins wachsende Leingarten gezogen ist, für den wird der Name des alten Stadtfests fremd klingen.
Just 2020, als die Kommune mit dem wilden Käseholritt, großem Umzug, Reiterquadrille und allem Drumherum einer traditionsreichen Veranstaltung "50 Jahre Leingarten" sowie die frisch verliehenen Stadtrechte feiern wollte, machte das Coronavirus dem Ganzen den Garaus.
Als ob das nicht bitter genug gewesen wäre, musste das sowieso nur alle drei Jahre stattfindende Großevent wegen des fiesen Virus noch zweimal verschoben werden. Nachdem der mittelalterliche Käsritt zuletzt 2017 gefeiert wurde, sollte es jetzt im September endlich wieder soweit sein. Eigentlich. Doch nun gibt es andere Verhinderungsgründe.
Festplatz wird erst 2025 wieder frei - wahrscheinlich
Den für die große Heimatkulturveranstaltung unabdingbaren Festplatz belegt derzeit zu 40 Prozent eine Kita. "Ich kann frühestens 2025 wieder auf den Platz zugreifen", befürchtet Leingartens Bürgermeister Ralf Steinbrenner. Denn für das Zuhause der "Kita Festplatz" soll das alte Feuerwehrhaus umgebaut werden. Davor müssen die Feuerwehrleute aber in ihr neues Gebäude ziehen. Dessen Einweihung hat sich verzögert, sie findet jetzt im September statt.
Aber auch, wenn die Kita in den definitiven Standort zieht, ist sich Steinbrenner nicht sicher, über den Festplatz verfügen zu können: "Ich hoffe, dass wir ihn dann nicht anderweitig belegen müssen, etwa mit Wohncontainern für Geflüchtete."
Sicherheit, freiwillige Helfer und Platz sind gefragt
Die Frage ist auch, in welcher Form künftig gefeiert werden soll. Aus Sicherheitsgründen entfiel bereits 2017 der spektakuläre Reiterwettbewerb, beim Festumzug erschrak ein scheuendes Pferd Zuschauer - die Sache ging gerade so glimpflich aus.
Und mangels ehrenamtlichen Helfern musste man bei dem Aufmarsch aufs Eintrittsgeld verzichten. Das heißt: "In der Form, wie es üblich war, geht es nicht mehr", bedauert der Rathauschef, der ansonsten beteuert: "Das Fest ist etwas, was mir am Herzen liegt." Ob 2024 eine Veranstaltung kommt und in welchem Format, entscheide der Gemeinderat noch vor der Sommerpause, kündigt Steinbrenner an.
Organisator hat nichts mehr gehört
Hajo Baumgärtner, der den Käsritt-Umzug 2017 inszenierte, hatte auch schon mit großem Aufwand den Umzug für 2020 vorbereitet, eine eigens engagierte Bühnenbildnerin Modelle für die Mottowagen gebaut. "Ich habe von der Gemeinde in den letzten Jahren nichts mehr gehört", erzählt der Regisseur im Ruhestand.
Nur auf Nachfrage habe er von der Sekretärin in der Verwaltung erfahren, dass das Fest dieses Jahr definitiv nicht stattfindet und es fraglich sei, ob es je wieder gefeiert würde. Lust hat der 73-Jährige schon noch darauf. Aber: "Je länger das ins Land geht, desto weniger aktuell" seien die aufs Motto "50 Jahre Leingarten" abgestimmten Motivwagen. Eine Chance für den Käsritt "sehe ich persönlich im Moment nicht". Enttäuscht wirkt Baumgärter speziell über die mangelnde Kommunikation von Seiten der Stadt.
Käsritt integriert Zugezogene
Wer sehr hofft, dass das Fest wieder stattfindet, ist Fritz Eichholz. "Ich halte den Käsritt für eine ganz wichtige Kulturveranstaltung für Leingarten", sagt der Leiter des Museums "Altes Rathaus", als früherer Geschäftsführer des Heimatvereins und Kulturamtsleiter der Kommune lange Organisator des Events. Eichholz findet es wichtig, "dass man Brauchtum hochhält und in die Gegenwart transportiert".
Der Käsritt mit seinem immer wieder neu konzipierten Mottoumzug sei eines der großen Heimatfeste in Baden-Württemberg, vergleichbar mit dem Schäferlauf in Markgröningen. Mit dem Pferderennen habe man zudem ein Alleinstellungsmerkmal gehabt. Und es habe immer geheißen: "Wir kriegen eh keine Leute zusammen." Am Ende hätten aber immer genügend Ehrenamtliche geholfen.
Gerade neu Zugezogenen böte das Fest außerdem viele Möglichkeiten, Anschluss zu finden: "Das ist wichtig in einem Ort, der relativ schnell gewachsen ist."
Das Leingartener Heimatfest geht zurück auf das mittelalterliche Weiderecht der Großgartacher auf dem Frankenbacher Hipfelhof. Als es Ärger wegen Flurschäden durch das Leintäler Vieh gab, handelten die Großgartacher zwei Laib Käse als Entschädigung für den Verzicht auf das Weiderecht aus. Die wurden dann immer hoch zu Ross in Frankenbach abgeholt. Gemeinsam zogen der Legende nach anschließend Reiter und Bevölkerung durchs Dorf und verzehrten den Käse.
Seit 1950 spielen junge Reiter die Legende nach
Seit 1950 findet der moderne Käsritt statt. Seither spielen junge Burschen die Tradition alle drei Jahre mit einem Ritt zum Hipfelhof nach. Der mit der großen Heimat-Kulturveranstaltung verbundene Festumzug steht jedes Mal unter einem anderen Motto, "Klassiker der Filmgeschichte" hieß es 2017. So gut wie alle Leingartener Vereine beteiligen sich mit einem eigenen Motivwagen. Die Vorbereitung fürs Fest dauert Monate. Fast 1000 Ehrenamtliche sind insgesamt daran beteiligt.