Weinsberger Kaffeehaus ist ein Ort voller Geschichte
Im "Kaffeehaus 3 Modul" in Weinsberg ist manches aus der Vergangenheit des Traditionshauses "Postwirt" erhalten geblieben. Gastronom Pierre Gattinger erzählt von seinem Konzept und der Umsetzung.

Es steht an so exponierter Stelle, dass der Gemeinderat sein Veto einlegte, als es einem Wohnhaus weichen sollte: das ehemalige Gasthaus "Postwirt" am Marktplatz. Der Zufall wollte es, dass der Heilbronner Pierre Gattinger Ende 2014 von Weinsbergs Bürgermeister Stefan Thoma auf das Objekt aufmerksam gemacht wurde. Gleich bei der ersten Besichtigung, so berichtet Gattinger, "hat es angefangen in mir zu arbeiten".
Charakter des historischen Gebäudes ist wichtig
Der Wirt und gelernte Fotograf, der in Heilbronn schon das Café Pro Vanille, den Mobilat Club, die Theaterschiff-Gastronomie, das Café im Deutschhof und die Kaffeebucht betrieben hat, erarbeitete ein Konzept - und eröffnete vor zweieinhalb Jahren den ehemaligen "Postwirt" als "Kaffeehaus 3 Modul". Das Konzept von damals verfolgt er noch heute, wenn auch mit Abstrichen. Entscheidend dabei: der Charakter des historischen Gebäudes - und Kunst.
Liebe zum Kaffeehaus in die Wiege gelegt bekommen
Wenn Pierre Gattinger von dem Café erzählt, kommt er schnell auf seine Österreichischen Wurzeln zu sprechen. Der Vater stammt aus der Alpenrepublik, die Mutter - eine Deutsche - wuchs dort auf. Die Liebe zum Kaffeehaus, in dem es sich angenehm plaudern und nebenbei gepflegt speisen lässt, wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Auch einen persönlichen Bezug zu dem Gebäude hat er: "Meine Eltern waren hier mit uns essen, und wir haben hier die Kommunion meiner Schwester gefeiert."
Gastronomie in Verbindung mit Kunst

"Es ist ein Ort der Kommunikation in Verbindung mit Ausstellung, Comedy, Live-Konzerten, Lesungen", sagt Gattinger über sein "Kaffeehaus 3 Modul". Der Name steht für Brau, Kunst, Küche. "Bei mir geht Gastronomie nur in Verbindung mit Kultur." Erst vor wenigen Wochen gab es ein Open-Air-Festival mit Kino, Bands und Kindertheater im Kaffeehaus. Demnächst wird der Veranstaltungsflyer für die kommenden Monate erscheinen.
Bodenbelag aus den 70er-Jahren
Als er die Immobilie erworben hatte, wartete erst einmal eine Menge Arbeit auf den Heilbronner. Das Gebäude war gründlich zu renovieren, sämtliche Heizungsrohre und Stromleitungen, alle Fenster zu erneuern. Aber Gattinger wollte auch vieles unbedingt erhalten. Etwa den Bodenbelag im Eingangsbereich. "Ein 70er-Juwel", sagt er über die damals angesagten grünen Fliesen. "In braun hätten sie mir nicht gefallen - aber in grün?"
Historischer Rahmen für moderne Kunst

Die einst düstere Einrichtung mit viel Holz flog raus, Treppenstufen in den Schankraum bekamen eine geschwungene organische Form, die Wände zwischen den beiden Nebenzimmern wurden ausgebeint und das schöne Fachwerk freigelegt. Eichene Stützsäulen in der Wand des Schankraums beließ Gattinger unverputzt - ein stilvoller Rahmen für die Bilder der wechselnden Kunstausstellungen. Die ehemals riesige Küche des "Postwirt" verkleinerte Gattinger und schuf somit Platz für einen Durchgang zu einer für Gäste einst nicht erreichbaren Terrasse auf der Rückfront des Anwesens.
Mit Herzblut und Bandscheibenvorfall
Viel Herzblut steckte der Gastronom in die Renovierung - und einigen Schmerz. Denn die Arbeit beim Freilegen diverser Wände und bei einem Mauerdurchbruch förderte nicht nur behauene Sandsteine zutage, die vermutlich nach dem Weinsberger Großbrand in im Jahr 1707 für den Wiederaufbau von der Ruine Weibertreu ins Städtchen geschleppt wurden. Der Knochenjob bescherte Gattinger auch einen doppelten Bandscheibenvorfall.
Kombination mit Barbershop

Im Gebäude hat der Heilbronner nicht nur sein Büro und ein kleines Fotostudio untergebracht. Zu einer gewissen Bekanntheit gelangt ist auch der Midtown Barbershop. "Die Kombination hat so etwas herrlich Skurriles", findet der Gastwirt.
Denkt er an sein einstiges Konzept zurück, findet Gattinger, dass er die Kaffeehaus-Philosophie damals sehr viel deutlicher geplant hatte. Seit der Eröffnung im Januar 2016 sei das Haus gut angenommen, viele Gäste kämen zum Essen her. Lobende Worte bekommt der Wirt oft, wie er berichtet: "Halten Sie durch. Solche Schätze gibt es nicht oft. Hoffentlich gibt es das noch lang: Sowas höre ich mindestens ein Mal am Tag."
Ein ungenutzter Kulturkeller
Diesen Raum kennen nicht viele Menschen, er ist nur gelegentlich bei Führungen zu besichtigen: der imposante Gewölbekeller unter dem "Kaffeehaus 3 Modul". Pierre Gattinger zufolge stammt der Keller aus dem 14. Jahrhundert. Die Genehmigung für eine gastronomische Nutzung habe er, nutze sie aber nicht. "Ich würde daraus einen Kulturkeller machen." Allerdings müsste für den Zugang ein aufwendiger Deckendurchbruch gebaut werden. "Dafür könnte ich einen Sponsor gebrauchen", meint Gattinger.
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