Kommentar zur G8-/G9-Debatte: Bodenlos
Immer wieder wird das G9-Fass geöffnet. Mehr Ruhe in der Debatte täte sicher Eltern und Kindern gut, findet unsere Kollegin in ihrem Kommentar.
Immer wieder wird dieses Fass aufgemacht. Hätten wir Ruhe, wenn die Politik nicht unter Elterndruck eingeknickt wäre und landesweit rund 40 Gymnasien die Rückkehr zu G9 erlaubt hätte, nachdem G8 mit extremem Aufwand etabliert worden war? Nun schicken viele Familien die Kinder auf die G9-Modellschulen, wenn die nächstgelegene noch gerade so erreichbar ist. Das Herzog-Christoph-Gymnasium in Beilstein zum Beispiel ist völlig überlaufen. Es könnte, hätte es die Kapazitäten, jedes Jahr mindestens eine fünfte Klasse mehr einrichten. Ein Blick auf die Landkarte offenbart aber auch: Die Schule hat ein großes Einzugsgebiet, dazu zählt auch Abstatt mit seinen vielen Bosch-Mitarbeitern. Gleichzeitig pendeln unzählige Schüler aus dem Landkreis nach Heilbronn, um an einem G8-Gymnasium verstärkten Musik-, Kunst-, Latein- oder Englischunterricht zu erhalten, obwohl sie es bequemer in der Nähe haben könnten.
Mal ehrlich: Welche Interessen stecken hinter den Forderungen der G9-Befürworter, die immer wieder lautstark protestieren und sich nicht scheuen, Umfragewerte manipulativ zu präsentieren? Eltern bangen, dass ihre Sprösslinge dem mutmaßlichen G8-Leistungsdruck nicht gewachsen sind und keine Freizeit mehr haben, speziell, bevor sie dorthin wechseln. Lehrerverbände wissen, dass ein Schuljahr mehr auch mehr Einstellungen sichert. Und Politiker, die Ressentiments gegen die von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD eingeführten Gemeinschaftsschule hegen, reiben sich vermutlich heimlich die Hände: Die Rückkehr zu G9 dürfte dieser Schulform stark zusetzen. Die Debatte ist ein Fass ohne Boden. Darauf gehört endlich ein solider Deckel.