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Franken-Hospiz in Weinsberg kann auf 20 Jahre zurückblicken

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Lebensqualität auf dem letzten Weg bieten, das ist der Anspruch des Franken-Hospizes. Der Träger ist auf viele Spenden angewiesen. Autorin Petra Frey erzählt am 27. Oktober humorvoll und berührend von Erfahrungen bei der Sterbebegleitung..

Gerhard Scherr und Katrin Baier vor dem alten Domizil, wo Angehörige und Personal übernachten können, sich Archiv und Besprechungsraum befinden.
Gerhard Scherr und Katrin Baier vor dem alten Domizil, wo Angehörige und Personal übernachten können, sich Archiv und Besprechungsraum befinden.  Foto: Seidel, Ralf

Gerhard Scherr braucht nur drei Worte, um das, was geschaffen wurde, zu bewerten: "Wir sind stolz." Vor 20 Jahren eröffnete das Franken-Hospiz Weinsberg. Es war damals die erste Einrichtung in der Region Heilbronn-Franken. "Wir waren Vorreiter", sagt Scherr, der zu den Mitinitiatoren gehörte. Er erinnert sich an einen schwierigen Weg. "Ideen haben wir viele gehabt, aber kein Geld." Damals wie heute sind er und seine Mitstreiter unermüdlich dabei, Spenden zu sammeln für diese letzte Station für Menschen, die an einer unheilbaren Krankheit im Endstadium leiden. Ihnen ein menschenwürdiges, schmerzfreies Leben bis zum Tod zu ermöglichen, das ist die Philosophie des Hauses.

Die Einrichtung ist untrennbar mit dem Namen Gerhard Scherr verbunden. "Ohne Sie gäbe es das Franken-Hospiz nicht", hatte im September Bürgermeister Stefan Thoma den Ehrenbürger an dessen 90. Geburtstag gewürdigt. Scherr ist seit Anbeginn Geschäftsführer der gemeinnützigen Franken-Hospiz GmbH, die das Haus betreibt, und Vorsitzender des Freundeskreises Stationäres Hospiz Weinsberg mit 450 Mitgliedern. "Es ist Feierabend, das Tagwerk ist vollbracht", kündigt er seinen Rückzug an. Er übergebe eine intakte Körperschaft. Der Personenkreis für die Nachfolge, die noch 2023 geregelt werde, stehe fest. Namen nennt er nicht.

Der erste Gast kam im Januar 2008

Am 8. Januar 2003 wurde der erste Gast, so nennt das Hospiz die schwerstkranken Patienten, aufgenommen. 2001 hatte der Freundeskreis für 490.000 Mark das Wohnhaus in der Schwabstraße 25 gekauft und es für 400.000 Mark umgebaut. Dazu kam ein hoher ehrenamtlicher Einsatz an Eigenleistungen. Jeweils 100.000 Mark steuerten die Stadt und die Hilfsaktion "Menschen in Not" der Heilbronner Stimme bei, die heute noch zu den treuen Spendern gehört, so Scherr.

"Der Gedanke eines stationären Hospizes musste sich in der Stadt erst etablieren", blickt er zurück. Die Haltung gegenüber der Einrichtung sei zu Beginn für viele Menschen problematisch gewesen, weiß Iris Baars-Werner vom Beirat der gGmbH. Man sprach vom Sterbehaus, für sie und Leiterin Katrin Baier keine passende Wortwahl. "Wir sind mitten im Leben. Bei uns gibt es Lachen und Heiterkeit", stellen sie heraus. "Es ist den Gästen nicht geholfen, wenn man mitleidvoll und mit trauriger Miene am Bett sitzt", beschreibt Baars-Werner stattdessen die Sichtweise. Längst ist das Hospiz, unterstützt vom ehrenamtlichen Hospizdienst, in der Gesellschaft angekommen.

Die Gegebenheiten im ersten Domizil

Sechs Betten auf vier Etagen, dazu Etagenbäder, drei Mitarbeiterinnen unter der Pflegedienstleitung von Elke Frei: So waren die Gegebenheiten im ersten Jahrzehnt in der Schwabstraße 25.

Ein Meilenstein war der Umzug 2015 ins neue Stadtquartier. Hier können acht Gäste betreut und begleitet werden. Sie haben großzügigere Zimmer, denen jeweils eine Nasszelle angegliedert ist, es gibt ein Pflegebad, stilvolle Gemeinschaftsräume und einen Freisitz. Alles auf einer Ebene zu haben, erleichtere die Arbeit, sagt Baier. Die Räumlichkeiten strahlen warme Behaglichkeit aus. Hier sollen sich die Gäste wie zu Hause fühlen. "Wir gehen individuell auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gäste ein", beschreibt Baier den Anspruch. "Das Wichtigste ist, dass die Symptome gelindert werden", weist sie auf die Palliativmedizin hin. Die wenige Zeit, die bleibe - die durchschnittliche Verweildauer beträgt 30 Tage - sei von hoher Lebensqualität. "Wir haben Zeit für unsere Gäste", hebt die Pflegedienstleiterin hervor. Das wisse das 19-köpfige Personal mit Palliative-Care-Ausbildung und Zusatzqualifikationen zu schätzen. Etwa 100 Todkranke sterben jedes Jahr im Hospiz.

Eigenanteil muss durch Spenden gedeckt werden

Fünf Prozent der Kosten muss der Träger, die gemeinnützige Hospiz-Stiftung Region Franken, für den Betrieb selbst tragen. Deshalb sind jährlich 100.000 bis 150.000 Euro an Spenden notwendig. Diese zu bekommen, sei schwieriger geworden, sagt Scherr. Während Corona fehlten dem Freundeskreis Spenden aus Geburtstagen und privaten Festen. Größtenteils liefen die Zuwendungen über die Kontakte des Freundeskreises, so der 90-Jährige.

Nach dem Hauskauf und Umbau 2001 investierte der Förderkreis Stationäres Hospiz Weinsberg in das neue, 400 Quadratmeter große Domizil in derSchwabstraße 12 eine noch größere Summe: 1,5 Millionen Euro. Die Stadt gewährte diesmal 100.000 Euro. Zuschüsse von Land und Bund gab es nicht. Seit fünf Jahren übernehmen Kranken- und Pflegekassen fünf Prozent mehr an den Kosten für den Betrieb, damit 95 Prozent. Das Defizit pro Tag und Bett von 75 Euro zahlt der Förderkreis aus eigener Tasche. Die Auslastung der Betten liegt bei 85 Prozent.

Zum 20. Geburtstag veranstaltet der Verein am Freitag, 27. Oktober, um 18 Uhr im Festsaal des Klinikums am Weissenhof eine Lesung. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen. "Sterbemund tut Wahrheit kund" lautet der Titel des Buchs von Petra Frey. Die Autorin, Schauspielerin und ehrenamtliche Hospizbegleiterin erzählt Sterbebegleitung humorvoll, berührend und anders: als neue Sicht auf das Leben. Am Marimbafon spielt Manuel Ehrlich. Journalistin Iris Baars-Werner moderiert eine Diskussion mit Frey und Pflegedienstleiterin Katrin Baier. Es gibt Getränke und Snacks.

Tanja Insel, eine der Pflegefachkräfte, arrangiert Blumen im Aufenthaltsraum. Dieser strahlt warme Behaglichkeit aus. Die Gäste sollen sich wohlfühlen.
Tanja Insel, eine der Pflegefachkräfte, arrangiert Blumen im Aufenthaltsraum. Dieser strahlt warme Behaglichkeit aus. Die Gäste sollen sich wohlfühlen.  Foto: Seidel, Ralf
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