Einrichtungen für Greifvögel haben mit steigenden Kosten zu kämpfen
Strom, Wasser, Futter, Tierarztkosten: Vieles ist teurer geworden für die Greifvogelanlage in Wüstenrot und die Pflegestation in Bad Friedrichshall.

Es herrscht Winterruhe auf der Flugwiese in Wüstenrot. Weißkopfseeadler Hannes breitet nicht seine riesigen Schwingen im Aufwind des Raitelbergs über den Köpfen von staunenden Zuschauern aus. Die Vorführungen der Greifvogelanlage Wüstenrot starten erst wieder im Frühjahr. Diese Zeit will für das Falkner-Ehepaar Wiesinger finanziell überbrückt sein. Hohe Energiepreise und teures Futter macht ihm zu schaffen. Auch die Nabu-Greifvogelpflegestation in Bad Friedrichshall hat damit zu kämpfen.
"Zuchtvögel brauchen Wärme", sagt Constanze Wiesner und kommt auf ein weiteres Betätigungsfeld zu sprechen. Die Heizkosten hätten sich 2021 und 2022 verdoppelt. In der Vergangenheit verkauften die Züchter drei bis vier junge Falken pro Jahr für 1000 Euro pro Tier. "Der Markt ist tot", stellt die Falknerin jetzt fest. Gerade mal 400 Euro seien für einen Jungfalken noch zu erzielen. 2023 gibt es keinen Nachwuchs, das Weibchen ist altersbedingt gestorben. Erst 2024 erwartet Wiesinger die Brut eines dann geschlechtsreifen Falkenpaares.
Gebührenerhöhung macht sich bemerkbar
Auch die Tierarztkosten sind gestiegen. Einmal im Jahr begutachte ein Veterinär die Vogelschar. "Wir haben schon lange keinen kranken Vogel mehr gehabt", sagt die Falknerin. "Die Tierarztkosten sind explodiert", beklagt Helmut Weber von der Greifvogelpflegestation nach der Gebührenerhöhung. Tiere mit Brüchen müssen geröntgt und behandelt werden. 64 Patienten sind derzeit bis zur Genesung in Bad Friedrichshall untergebracht. Weber zählt weitere Kostentreiber auf: Sprit für den Transport der Vögel, Strom, Wasser, Sand, Futter und Holz. Das Angebot für einen Volièren-Neubau aus Holz aus Vor-Corona-Zeiten erhöhte sich durch die gestiegenen Materialkosten um 10.000 Euro. An den Mehrkosten habe sich das Regierungspräsidium Stuttgart nicht beteiligt, sagt Weber.
Das Land gewährt den beiden staatlich anerkannten Greifvogelpflegestationen in Baden-Württemberg Zuschüsse. So erhält das "Tier-Pflegeheim" in Bad Friedrichshall 16 000 Euro jährlich. Das deckt nicht einmal die Hälfte des Jahresetats von 40 000 Euro. "Ich muss betteln gehen, damit die Station am Leben gehalten wird", sagt der 70-Jährige, der seit 1975 ehrenamtlich die Station betreibt. Spenden zu rekrutieren, werde immer schwieriger.
Keine Einschränkungen auf Kosten der Tiere
Weber möchte keinesfalls Aufnahmekapazität und -zeiten reduzieren, "dann würden die Tiere auf der Strecke bleiben". Ein Greifvogel, der nicht mehr fliegen könne, verhungere. "Da entscheiden Stunden", macht er deutlich.
Die 24 Greifvögel in Wüstenrot verschlingen durchschnittlich pro Monat Futter für 700 Euro. Die Tiere bräuchten gute Ware, betont Constanze Wiesinger. Lachs für den Fischadler und für die fleischfressenden Greifvögel Mäuse, Ratten, Eintagsküken, Kaninchen, Tauben oder Wachteln. Während der kleine brasilianische Sperlingskauz Gulliver sich mit einem Eintagsküken begnügt, benötigt der Weißkopfadler täglich ein bis eineinhalb Kilogramm Fisch.
Patenschaften für die Tiere
Die gemeinnützige GmbH ist froh über Spender. In der Corona-Zeit hat ein Privatmann ein halbes Jahr lang die Futterkosten übernommen. Drei Monate bekam die Greifvogelanlage Corona-Hilfe, "zwar nicht viel, aber immerhin", sagt Constanze Wiesinger. Mit Futterpatenschaften - von 90 Euro für Gulliver bis 380 Euro für den gefräßigen Hannes - könne ein Teil der Kosten gedeckt werden. Die Paten bekommen als Dankeschön eine Jahreskarte. "Wir verdienen hier nichts", macht die Falknerin deutlich. Sie und ihr voll berufstätiger Mann steckten Herzblut und Idealismus in die Anlage. Wiesner hofft, dass zeitig im Frühjahr die Flugschauen wieder beginnen können.
Während der Pause gehen die Wiesingers verstärkt in Kindergärten und Schulen, um über die Tiere, ihre Haltung und ihre Bedeutung für Natur und Diversität zu informieren. Tier- und Artenschutz sehen sie als Auftrag. Ein weiteres Standbein sind Falknerworkshops für Kinder und Erwachsene. Derzeit hat das Ehepaar sieben Privatleute, die den Falknerschein machen.
Zuchtprojekt für Falken
Das Falkner-Ehepaar Wiesinger setzt sich auch für den Artenschutz ein, und zwar besonders für den Bestand der bedrohten, auf dem indischen Subkontinent vorkommenden Lugger-Falken. Die Wiesingers betreuen den Standort Deutschland beim Project Lugger, der eingetragenen Wohltätigkeitsorganisation, die der Brite Bob Dalton 2017 gegründet hat.
Die Wüstenroter stellen genfremde Falkenpaare für eine gesunde Nachzucht zusammen, die später in die freie Wildbahn entlassen werden soll. Constanze Wiesinger hat für den Austausch mit Züchtern eine Plattform aufgebaut.