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Friedenfels/Neckarsulm
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Obwohl sie eigentlich komplett schließen sollte: Obereisesheimer kauft Brauerei in der Oberpfalz

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Karlheinz Mohr hat lange von einer eigenen Brauerei geträumt – und jetzt bei der Schlossbrauerei Friedenfels in der Oberpfalz zugeschlagen. Und das, obwohl es dort eigentlich gar keinen Braubetrieb mehr geben sollte.

Heilbronn-Franken hat zwar keine neue Brauerei, aber einen neuen Brauerei-Inhaber. Karlheinz Mohr aus Obereisesheim hat sich einen lang gehegten Traum erfüllt und sich mit einem vorgezogenen Weihnachtsgeschenk selbst beschert. Zum 1. September 2023 hat er die Schlossbrauerei Friedenfels in der Oberpfalz übernommen – und das, obwohl für die Brauerei das Aus bereits besiegelt schien. 

"Schlossbrauerei Friedenfels macht im Frühjahr dicht", "Oberpfälzer Traditionsbrauerei muss schließen" oder "Nach über 130 Jahren: Schlossbrauerei Friedenfels schließt" – so lauteten Ende 2022 die Schlagzeilen in der dortigen Presse. Die damaligen Eigentümer, die Familie zu Gemmingen-Hornberg, begründete dies Medienberichten zufolge mit gestiegenen Kosten, zum Beispiel bei der Energie, und mit den pandemiebedingten Gastronomieschließungen.

Die Bildergalerie zeigt Impressionen vom Bad Wimpfener Talmarkt aus diesem Jahr. Karlheinz Mohr hat gegenüber der Stimme verraten, dass seine Friedenfelser Brauerei 2024 Bierpartner des Talmarkts wird. 


Doch zum Aus kam es nicht. Nach der Verkündung meldeten sich Interessenten. Auch Mohr bekam Wind von der Sache, die schnell über die Bühne gehen sollte. "Zum 1. März 2023 hat jemand anderes unterschrieben, für mich war das Zeitfenster zu klein", sagt der Obereisesheimer. Doch diese Übernahme wurde nie vollzogen – und so kam Mohr wieder ins Spiel. "Das hat mir die Zeit gegeben, betriebswirtschaftlich gut vorbereitet in die Verkaufsgespräche zu gehen." Mitte Juli 2023 war nach einem Notartermin alles fix. 

Karlheinz Mohr aus Obereisesheim kauft Brauerei in der Oberpfalz – "Anlage und Personal in Top-Zustand"

Die einen wollen sie schließen, Mohr will sie weiterbetreiben – wie passt das zusammen? "In den vergangenen drei, vier Jahren stand die Brauerei betriebswirtschaftlich nicht gut da", sagt der 64-Jährige. Die Corona-Pandemie mit Auswirkungen auf Gastronomie und Brauwesen, durch den Krieg in der Ukraine bedingte Folgen auf die Energiepreise – all das habe zur Lage beigetragen.

Doch Mohr sieht Chancen. "Es gibt einen relativ neuen Maschinenpark, Anlage und Personal sind in einem Top-Zustand. Trotz mieser Zahlen waren Investitionen in den vergangenen Jahren immer da", sagt Mohr, der auch einen externen Gutachter zu Rate zog. "Auch die Bierqualität ist top, wir sind in der Region fest verankert." Zudem sei die Lage bei den Einkaufspreisen für Flaschen, Zutaten oder Heizöl "nicht mehr so dramatisch wie vor einem Jahr". 

Bei Vertrieb und Vermarktung sieht der 64-Jährige Potenzial für Veränderungen. Der jährliche Bierausstoß liegt bei 18.000 Hektoliter, 25.000 Hektoliter sind es im alkoholfreien Bereich. Mit diesen Mengen gehört der Betrieb zu den kleineren Mittelständlern. Mohr will mit einigen seiner Biersorten, insgesamt sind es je nach Saison bis zu zwölf, nun auch in anderen Gegenden präsent sein. Im Raum Heilbronn gibt es Friedenfelser Bier bereits in Getränkemärkten zu kaufen, Mohr schielt auch auf Norddeutschland und sogar ins Ausland. Mit einem polnischen Biersommelier stehe er bereits in Kontakt. 

Karlheinz Mohr wollte unbedingt eine bayerische Brauerei kaufen – "Bayern ist Bier, Bier ist Bayern"

Mohr war im Raum Heilbronn mit der Getränkepyramide im Einzelhandel aktiv (die davon unabhängigen heutigen Mohr-Getränkemärkte gehören seinem Neffen), später als Eigentümer im Heilbronner Jägerhaus und mit einem kleinen Hotel in Baiersbronn im Schwarzwald. "Parallel hatte ich immer ein Augenmerk auf bayerische Brauereien gelegt." Ein Kauf kam also nur bei einer Braustätte im Nachbar-Bundesland infrage – und das hat seinen Grund. "Bayern ist Bier, Bier ist Bayern. Bayerisches Bier ist überregional leichter zu vermarkten als württembergisches oder badisches. Man kann überregional mehr damit anfangen." Auch der Name der vorherigen Eigentümerfamilie, Gemmingen-Hornberg, ist in Unterland und Kraichgau ein Begriff. Verwandtschaftliche Beziehungen gibt es etwa nach Bad Rappenau-Babstadt. 

Die Schlossbrauerei Friedenfels füllt selbst ab, in unterschiedlichen Flaschenformen und -größen. Dazu Fässer unterschiedlicher Volumina und 5-Liter-Dosen. Als Frucade-Lizenznehmer entstehen auch Limonaden, das alles rund 40 Kilometer von der bayerisch-tschechischen Grenze entfernt. "Die Brauerei gehört hier zum Ort wie die Kirche", berichtet Mohr. Umso mehr Aufregung erzeugte ein mögliches Ende der Brauerei, auch wegen der Belieferung zahlreicher Gastronomen und Festveranstalter. 

Dieses sorgenvolle Kapitel ist abgehakt, Karlheinz Mohr seit dreieinhalb Monaten in der Führungsverantwortung. 28 Mitarbeiter hat die Brauerei, auch Stiefsohn Fabian Kern aus Kirchhausen gehört dazu. Wie viel Geld ihn die Realisierung seines Traums gekostet hat, verrät der Obereisesheimer nicht. "Da gibt es eine Verschwiegenheitserklärung." 

 

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