Die Boxerfraktur klingt nur nach Sportunfall
Gips Co sind heutzutage kein Muss mehr bei Knochenbrüchen.

Region Heilbronn - Gips co - Ein Klassiker unter den Knochenbrüchen“, sagt Professor Wolfgang Linhart, „ist die Boxerfraktur.“ Die ist zwar nach einer veritablen Sportart benannt, hat aber mit Sport im klassischen Sinne trotzdem nichts zu tun, erklärt der Chefarzt der Abteilung Unfallchirurgie und Orthopädie im SLK-Klinikum am Gesundbrunnen in Heilbronn. Denn Brüche des fünften Mittelhandknochens - der Verlängerung des kleinen Fingers - treten häufig nach Faustkämpfen rund um Diskotheken auf. Entsprechend zählen gerade an Wochenenden junge Männer mit einer Boxerfraktur zur Stamm-Klientel in der chirurgischen Ambulanz des Klinikums.
Doch Knochenbrüche passieren ebenso bei vielen „echten“ Sportarten, gerade solchen, die mit Geschwindigkeit zu tun haben: Radfahren, Reiten, Ski- und Snowboardfahren, Inlineskaten. Auch bei klassischen Ballsportarten ist das Risiko hoch. Je nachdem, bei welcher Geschwindigkeit die Verletzungen entstehen, so Linhart, seien oft komplexe Brüche die Folge - teils auch in Verbindung mit Weichteilschäden.
Brüche von Handgelenk oder Unterschenkel gehören zu den gängigsten Blessuren. Im Extremfall kann es nach einem Sturz vom Pferd oder Fahrrad oder nach einem schlimmen Fall beim Inlineskaten zu Brüchen der Wirbelsäule oder des Beckens kommen. Kinder und junge Erwachsene sind naturgemäß besonders häufig von solchen Knochenverletzungen bei Extrem- oder Funsportarten betroffen.
Knochenqualität
Doch zunehmend, so der Chefarzt, seien auch aktive Ältere betroffen. Ihr Problem: Die Knochenqualität sinkt mit den Lebensjahren, bei sportlichen Aktivitäten kommt es leichter zu relativ komplexen Knochenbrüchen. Gerade bei Menschen mit Endoprothesen - etwa einem künstlichen Kniegelenk - bricht der Knochen an der Übergangsstelle zu dem „Ersatzteil“. Dann gilt es für den Arzt zu prüfen: Wie gut ist die Beschaffenheit der Prothese, muss ein kompletter Gelenkaustausch erfolgen? Bei jüngeren Sportlern stellen dagegen Verletzungen im natürlichen Gelenk eine große Herausforderung dar. Bei dieser Gruppe geht es darum, ob und wie die Funktion dieses Gelenks erhalten werden kann. Oberste Maxime ist: Nach einem Eingriff sollte das Gelenk möglichst frühzeitig wieder bewegt werden, damit nicht noch größerer Schaden entsteht. Während knöcherne Strukturen in der Regel wiederhergestellt werden können, wird es kritisch, wenn zum Beispiel der Knorpel beschädigt ist. Zu dem gesundheitlichen Handicap droht Sportlern weiteres Ungemach: Langwierige Reha-Maßnahmen kosten unter Umständen viel Geld - und das wird bekanntlich immer knapper im Gesundheitswesen.
Während Streckverbände und Gips früher die einzige Chance waren, die Achse wieder herzustellen, erklärt Linhart, ist deren Einsatz mit der „Revolution der Knochenbruchbehandlung in den 1960er und 70er Jahren“ drastisch gesunken. Ziel heutzutage ist der Erhalt der Muskulatur. Und ein Gips wirkt dabei kontraproduktiv, denn wenn das Bein wochenlang ruhig gestellt ist, schrumpfen die Muskeln. Doch gerade bei Kindern wird nach einem Bruch immer noch häufig gegipst.
Schmerzhaft
Zum Thema Prävention rät Wolfgang Linhart, „sich selbst nicht zu über- und die Geschwindigkeit nicht zu unterschätzen“. Und wie stets im Sport helfen ein gezieltes Training und langsamer Muskelaufbau, das Verletzungsrisiko zu senken. Auch ein „vernünftiger Body-Mass-Index“ - also kein zu großes Übergewicht - „macht Sinn“, so der Experte. Wenn der Ernstfall doch eintritt, ist eine zeitnahe Versorgung wichtig.
Aber die Gefahr, dass Verletzte den Besuch in der Klinik verschieben, ist ohnehin recht gering: „In der Regel tun Brüche sehr weh. Die Leute kommen vom Unfallort direkt zu uns.“