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Feier mit Hochamt und Diskussionsrunde
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In 800 Jahren waren Stadt Heilbronn und der Deutschorden nicht immer Freunde

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Die wechselvolle Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart beleuchten Pfarrer Roland Rossnagel, der frühere Leiter des Stadtarchivs Christhard Schrenk, seine Nachfolgerin Miriam Eberlein, der Historiker Jörg Seiler und Hochmeister und Generalabt Frank Bayard. 

Zum Pontifikalamt im Deutschordensmünter St. Peter und Paul zieht Hochmeister und Generalabt Frank Bayard mit Pfarrer Roland Rossnagel ein.
Foto: Ralf Seidel
Zum Pontifikalamt im Deutschordensmünter St. Peter und Paul zieht Hochmeister und Generalabt Frank Bayard mit Pfarrer Roland Rossnagel ein. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Viele Jahrhunderte lang waren die Stadt Heilbronn und der Deutsche Orden eher Konkurrenten. In einem spannenden und humorvollen Bogen schlug die hochkarätig besetzte Diskussionsrunde den Bogen vom Mittelalter in die Gegenwart.

Nach dem Pontifikalamt im Deutschordensmünster – dem einzigen, das ihm bekannt sei, so Hochmeister Frank Bayard – gab es im Gemeindehaus die Speisung der hungrigen Gemeinde. Nach Böckinger „Feldgschrei“, was eine habhafte Brühe mit Bohnen, Karotten und Spätzle ist, wurde noch der Geist im Gespräch gestärkt. Pfarrer Roland Rossnagel hatte den früheren Leiter des Stadtarchivs Christhard Schrenk für die humorvolle wie kenntnisreiche Moderation gewinnen können.

Streit um den Neckar und „Betreute Plünderung“ im Bauernkrieg

Seine Nachfolgerin Miriam Eberlein erwies sich als hervorragende Vermittlerin geschichtlicher Fakten und erzählte von den Anfängen vor 800 Jahren, über die man wenig wisse. Von der Schenkung der Luitgard von Dürn bis zum Übergang des Deutschhofs an die Stadt Heilbronn waren sich die beiden Kontrahenten keineswegs immer grün. „Man hat sich zwischendurch aber auch ordentlich benommen“, meinte Eberlein.


Im Jahr 1333 habe man dem Deutschen Orden mit dem Neckar-Privileg sprichwörtlich das Wasser abgegraben und so die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Heilbronn beflügelt. Bei der „betreuten Plünderung“ der Deutschordens-Gemeinschaft nach dem Weinsberger Blutostern vor 500 Jahren seien auch Ratsherren beteiligt gewesen.

„Die einen fasten noch, die anderen feiern schon.“

Humorvoll betrachtete man auch die 120-jährige Verspätung bei der Einführung des Gregorianischen Kalenders. Zwischen Deutschhof und Stadt lagen zehn Tage Zeitunterschied. „Das ging alles durcheinander. Die einen fasten noch, die anderen feiern schon, das kann ziemlich schwierig werden.“

Aber auch Hochmeister Frank Bayard trug zum gelegentlichen Schmunzeln bei. Auf Schrenks Frage, ob die heutigen Ordensbrüder noch mit dem Pferd reiten, antwortete er: „Die wenigsten wären so belastbar. Da würde das Gejammer schon im Hof losgehen.“

Aufs Pferd steigt heute kein Deutschordens-Ritter mehr: „Da würde das Gejammer schon im Hof losgehen.“

Er bedauere, „dass die ritterlichen Tugenden eliminiert wurden“, aber der Grundsatz „Not sehen und helfen“ gelte heute immer noch für die 75 Brüder, 64 Schwestern und rund 950 Familiaren, die sich in vielfältiger Weise vom Kinder- bis Pflegeheim, dem Schuldienst oder in der Suchthilfe engagieren. „Da wird sehr viel sozial Karitatives im Alltag versucht.“

Historiker Jörg Seiler hob auf die Wandlungsfähigkeit des Deutschen Ordens ab. Schon im Mittelalter „hochmodern“ dem Kaiser und dem Reich zugetan, habe er auch der Stadt den Weg in die Zukunft bereitet. Die Spendenfreudigkeit der Adligen hing mit dem erhofften Seelenheil zusammen. „Warum sollte man sonst sein Geld hergeben?“ Rossnagel fand die Idee gut, und würde sich heute auch wieder mehr Spendenbereitschaft wünschen. „Wir kommen ja mit unserem Pflegesystem an die Grenzen. Mit Geld allein funktioniert das nicht. Man braucht eine geistige Motivation.“

Heute ist man in Heilbronn gut Freund

Nach der Reformation habe es auch evangelische Ritter gegeben, berichtete Frank Bayard. In Heilbronn war es den Bürgern dagegen verboten, die katholischen Gottesdienste im Deutschhof zu besuchen. Sogar das Haupttor wurde vom Rat der Stadt verriegelt.

Heute ist man gut Freund, wie Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) in seiner Rede am Ende des Festgottesdienstes betonte: „Acht Jahrhunderte lang sind die Geschichte des Ordens und unserer Stadt eng miteinander verflochten – eine beeindruckende Zeitspanne, die sich bis heute im Stadtbild und im kulturellen Erbe widerspiegelt.“

Die Urkirche des Deutschordensmünsters gelte als das älteste nachweisbare Bauwerk Heilbronns. „Das gesamte Ensemble des Großen und Kleinen Deutschhofs ist ein architektonisches Juwel. Wie eine kostbare Perle prägt es unser Stadtbild.“ Stadtarchiv und Museen sind dort eingezogen, wo früher die Ritter lebten. Warum die einstige Marienkirche nun aber Peter und Paul heißt, und ob es vor 1225 schon eine Siedlung im Deutschhof gab, das sind Themen, welche die Historiker noch erkunden können.

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