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Verein rettet Legehennen vor dem Schlachter – Hühnerretterin aus dem Landkreis Heilbronn

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Nicole Herrmann vom Verein Rettet das Huhn vermittelt alte Legehennen an Familien und Privatleute. Die Hühner entkommen so dem Schlachter und haben die Chance auf ein schönes Leben nach der Massentierhaltung. 


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Nicole Herrmann hat auf ihrem Grundstück ein Paradies für ihre 25 Hühner geschaffen. Der Garten bietet reichlich Auslauf, der Stall Unterschlupf zum Ausruhen und ein über die gesamte Anlage gespanntes Netz Schutz vor Füchsen und Greifvögeln. So gehört es sich auch, wenn man die Tiere artgerecht halten möchte, erklärt die 59-Jährige aus dem Landkreis Heilbronn, die seit fünf Jahren ehrenamtlich beim Verein Rettet das Huhn (RdH) tätig ist. Als „Hühnerretterin“ vermittelt sie Legehennen aus der industriellen Eierproduktion, die sonst beim Schlachthof landen würden, an Privatpersonen. 

Rettet das Huhn: Verein vermittelt Legehennen an tierliebe Halter

„Das Ziel des Vereins ist es, den Hühnern ein schönes Leben nach der Massentierhaltung zu schenken – und eben auch die Opfer zu zeigen“, sagt Herrmann. Legehennen entstammen einer Qualzucht, erklärt sie. Das bedeutet, sie seien darauf gezüchtet, fast täglich ein Ei zu legen. Normalerweise würden Vogelarten nur so viele Eier legen, dass der Bestand erhalten bleibt: „Das Urhuhn legt nur 20 Eier im Jahr.“ Bei diesen Tieren seien es eher 350 bis 360. Nach einem Jahr „Nutzungsdauer“ – das sei der gängige Begriff in der Branche – lasse die Eierproduktion der Hennen nach. „Dann kommen sie zum Schlachter, denn dann ist es nicht mehr profitabel“, so Herrmann. Um das zu verhindern, holt RdH die ausrangierten Hennen von den Besitzern ab, bevor diese eine Ladung Junghennen von einer Brüterei erhalten. 

Der Verein sei deutschlandweit aktiv und arbeite mit insgesamt 15 Legebetrieben zusammen. Herrmanns Einzugsgebiet erstreckt sich von Löwenstein bis nach Ludwigsburg und Karlsruhe. In den vergangenen fünf Jahren habe sie schätzungsweise 2000 bis 2500 Hühner an tierliebe Menschen übergeben. Der gesamte Verein vermittle pro Jahr rund 12.000 Tiere.

Beim Vermittlungsprozess schaut die Rentnerin genau hin. Interessierte müssen ein Onlineformular ausfüllen, in dem sie etwa angeben, wie groß ihr Garten ist und wie viele Hühner sie aufnehmen wollen. Anschließend gibt es ein Telefonat. Wird der Bewerber für geeignet empfunden, muss er einen Schutzvertrag unterschreiben. Darin verpflichtet er sich unter anderem, die Tiere nicht zu schlachten, täglich rauszulassen und gut zu versorgen. 

Nicole Herrmann engagiert sich im Verein Rettet das Huhn und rettet Legehennen vor dem Schlachter.
Nicole Herrmann engagiert sich im Verein Rettet das Huhn und rettet Legehennen vor dem Schlachter.  Foto: Theresa Heil

So läuft eine Huhn-Rettung vor dem Schlachthof ab

Herrmann selbst kam auf diese Weise zu RdH. Im Jahr 2019 adoptierte sie ihre ersten Hühner. „Ich war so begeistert“, erinnert sie sich. Anschließend war sie das erste Mal bei einer Rettung dabei. „Das war der absolute Horror.“ Der Betreiber sei nicht mehr in der Lage gewesen, sich angemessen um seine Legehennen zu kümmern. „Es lagen so viele tote Tiere in der Anlage, auch nur Teile wie Beine oder Köpfe. Die haben sich zum Teil selbst aufgegessen, weil sie kein Futter bekommen haben.“ Eine Kundin, die von dort regelmäßig Eier kaufte, habe die furchtbare Zustände dem Verein gemeldet. „Hühner haben keine Lobby und keine Stimme“, sagt Herrmann. Darum übernehmen die Ehrenamtlichen bei RdH das für sie. 

Seither war Herrmann bei vielen weiteren Rettungen dabei. Diese fänden immer nachts statt. Aber nicht, weil es sich um eine Nacht-und-Nebel-Aktion handle. „Die Hühner sind dann ruhig, weil sie im Dunkeln nichts sehen“, erläutert Herrmann. Die Helfer tragen Overalls, Mundschutze gegen den Gestank und Stirnlampen mit rotem Licht, weil Hühneraugen das nicht erkennen können. Die Tiere werden einzeln hochgenommen, auf Verletzungen untersucht und in Transportboxen gesteckt. Dabei könne es sich um gut 1000 Hühner auf einmal handeln. Für die geht es im Anschluss direkt zu ihren neuen Haltern. „Wir sind so gut vernetzt, bisher hat es tatsächlich immer geklappt, dass wir alle Hühner untergebracht haben“, sagt Herrmann. 

Legehennen auf Profit gezüchtet – geringe Lebenserwartung

Manche Hühner erholen sich nie wieder vollständig von den Zuständen in der Massentierhaltung. Sie müssten sich mehreren Operationen unterziehen und regelmäßig Medikamente verabreicht bekommen. Rassehühner könnten laut Herrmann gut zehn Jahre alt werden – Legehennen nicht, denn sie seien auf den Profit gezüchtet. Viele sterben noch in den Legebetrieben oder kurz danach, berichtet Herrmann. Eines ihrer Hühner lebe seit der Rettung 2021 immer noch, das sei aber äußerst ungewöhnlich.

Trotzdem seien die Tiere in der Regel zutraulich zu Menschen. „Die kuscheln, die lassen sich in den Arm nehmen“, berichtet Nicole Herrmann. Ein Huhn sei etwa so intelligent wie ein dreijähriges Kind. „Jedes hat seine eigene Persönlichkeit. Die Schoko läuft zum Beispiel überall hin, wo ich bin“, sagt Herrmann und streichelt das braune Federtier auf ihrem Arm. 

Sind Halteformen Verbrauchertäuschung?

Auf den Eierkartons, die Kunden im Supermarkt kaufen können, stehen oft Labels wie „Ohne Kükentöten“ oder „Aus Bodenhaltung“. Das klinge auf den ersten Blick ethisch vertretbar, die Wahrheit sehe aber oftmals anders aus, sagt Nicole Herrmann von dem Verein Rettet das Huhn. Sie spricht von „Verbrauchertäuschung“.

Bei der Bodenhaltung etwa würden durchschnittlich neun Hühner auf einem Quadratmeter gehalten. „Die dürfen nie raus, die sehen nie das Tageslicht, das ist eine fensterlose Halle“, kritisiert Herrmann. Durch die Enge könne sich keine Rangordnung bilden, und die Tiere leben unter großem psychischen Stress. Laut der gemeinnützigen Organisation Animal Society ist dies die am weitesten verbreitete Haltungsform. Die gesetzlichen Regelungen orientierten sich eher an den wirtschaftlichen Gesichtspunkten anstatt des Tierwohls, kritisiert die Organisation.

Bei der Freilandhaltung dürften die Hühner zwar raus, aber der Auslauf sei oftmals völlig kahl, sagt Herrmann. Hühner, die ursprünglich einmal aus dem Dschungel stammten, hätten keine Baumstämme oder Unterstände zum Schutz vor Feinden. 

Bei den Mobilställen sehe von außen alles gut aus. Aber nur die starken Hühner könnten raus, die schwachen blieben in dem Stall. Dort heize es sich auf wie in einem Backofen.

Auch das Label „Ohne Kükentöten“ sei irreführend. Die männlichen Küken würden in der Regel nur ins Ausland exportiert und dort getötet. Das Problem würde somit nur verlagert. Herrmanns Tipp, um Eier von glücklichen Hühnern zu bekommen, seien Nachbarn oder Bekannte. 

Zu Ostern warnt Nicole Herrmann davor, die bereits gefärbten Eier aus dem Supermarkt zu kaufen – diese würden meist aus dem Ausland importiert und stammten aus der Käfighaltung. Sogenannte Legebatterien sind in Deutschland mittlerweile verboten, Kleingruppenkäfige sind hingegen noch erlaubt. 

Auch der Deutsche Tierschutzbund kritisiert die Zustände bei den Haltungsformen in Deutschland. „Kaum eine Legehenne erlebt ihren zweiten Geburtstag“, schreibt die Organisation. Die Vögel hätten ein kurzes, anstrengendes Leben, in dem ihre natürlichen Verhaltensweisen und Bedürfnisse nicht berücksichtigt würden.

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