Heilbronner Wengerter lassen trotz Krise den Kopf nicht hängen
Der Weinbau steckt in der Krise, überall. Die Genossenschaftskellerei Heilbronn legt eine ernüchternde Jahresbilanz vor. Die Führungsspitze lässt nicht locker und versucht mit allerhand Maßnahmen gegenzusteuern.

Wirtschaftskrise, rückläufiger Weinkonsum, Sparzwänge – und: Schrumpfende Traubengelder, die gestiegene Betriebskosten nicht auffangen können. „Trotz allem lassen wir den Kopf nicht hängen und werden auf einer soliden Basis die Zukunft gestalten.“ Mit dieser demonstrativen Mutmacher-Botschaft legte die Führungsspitze der Genossenschaftskellerei Heilbronn nach einer „erstaunlich harmonischen Mitgliederversammlung mit nur einer Wortmeldung“ den Geschäftsbericht 2023 vor: wegen Prüfermangels beim Genossenschaftsverband ziemlich spät.
In den Kerndaten spiegelt sich laut Daniel Drautz und Rainer Weber – Justin Kircher weilte auf einer Messe – die allgemeine Marktsituation wider. Der Weinverkauf der WG sank um neun Prozent auf 6,9 Millionen Liter, der damit erzielte Umsatz um zehn Prozent auf 23,88 Millionen Euro. Laut Hochschule Geisenheim dürfte sich der Sinkflug mit bundesweit minus acht Prozent 2024 fortsetzen, wobei zum Weihnachtsgeschäft, das 25 Prozent des Jahresumsatzes ausmacht, noch keine Aussagen möglich seien. Lichtblick: Die Durchschnittserlöse pro Liter konnten in der WG durch Preiserhöhungen von 3,38 auf 3,86 Euro gesteigert werden; für ein positives Gesamtergebnis war das wegen hoher Betriebskosten aber zu wenig.
Vor allem im Lebensmitteleinzelhandel geht der Weinverkauf zurück
Nach oben zeige immerhin der Weinverkauf über Lokale, Feste und Privatleute. Anders der Lebensmitteleinzelhandel, über den auch die Heilbronner 65 Prozent ihrer Weine verkaufen. Während es dort in der Corona-Pandemie wegen des erhöhten Heimkonsums gut lief, zeigt die Kurve nun stark nach unten. Drautz und Weber führen dies auf die durch Krisen und Kriege gedämpfte Konsumstimmung zurück. Gleichzeitig schauten viele Verbraucher stärker auf den Preis: 50 Prozent der deutschen Weine kosten 2,00 bis 2,99 Euro, nur zehn Prozent über 5,00 Euro. Gleichzeitig ist der Marktanteil der oft billigeren Importtropfen auf 58,3 Prozent gestiegen. Die Zahl der Wein kaufenden Haushalte nimmt schon länger ab: in 20 Jahren von 46 Prozent aller Haushalte auf nur noch 35 Prozent. Dies sei auf Megatrends wie steigendes Gesundheitsbewusstsein oder etwa auch auf den wachsenden Anteil muslimischer Bürger zurückzuführen, die aus religiösen Gründen keinen Alkohol trinken.
Heilbronner WG-Führungsspitze: "keine Denkverbote"
„Aber wir stecken den Kopf nicht in den Sand“, so Weber. Dabei gibt es laut Drautz „keine Denkverbote“. So könnten theoretisch auch Traubenannahmen in Grantschen oder Flein aufgegeben werden, je nach Flächenentwicklung, die sich mit minus 80 Hektar 2025 noch in Grenzen halte. Geschlossen habe man 2024 bereits Verkaufsstellen in Neckarsulm und Grantschen, wo das Landratsamt Lagerflächen angemietet habe.
Neben Kosteneinsparungen und „mehr Effizienz“ treibe man die Digitalisierung voran und sehe sich mit einem Markenrelaunch „gut aufgestellt“: etwa mit neuen Flaschenformen, einer um 50 auf 300 Produkte verschlankten und neu gestalteten Preisliste, aber auch mit Innovationen, von denen manche erst auf der Messe Prowein im März in Düsseldorf Premiere feiern.
Neue Produkte und Auszeichnungen machen den Weingärtnern Mut
Frisch auf dem Markt sind alkoholfreie Tropfen aus Sauvignon Blanc und Cabernet Cubin, der übrigens an diesem Donnerstag bei der Wahl der neuen Weinhoheiten in der Harmonie gereicht wird. Erfolgreich eingeführt habe man zusammen mit anderen Betrieben die 0,75-Liter-Mehrwegflasche, die nach Edeka und einem Testlauf bei Kaufland laut Weber „im Handel vor dem Durchbruch steht“. „Besonders stolz“ äußerte sich Kircher in einer Mitteilung über die dritte Traube in Rot im Gault Millau, wo man 2023 mit zwei Trauben erstmals Erwähnung fand. Auch etliche andere Auszeichnungen zeigten, „dass auch ein Großbetrieb wie wir qualitativ große Weine machen kann“.
Grund zur Freude hat auch Ulrich Drautz, der mit der Silbernen Ehrennadel des Genossenschaftsverbandes ausgezeichnet wurde. Er bleibt Chef der Landesprämierung, hat aber den Vorsitz im Verbandsbezirk sowie im WG-Aufsichtsrat abgegeben; sein Nachfolger soll noch im Dezember gewählt werden.
Heilbronn hat die größte deutsche Genossenschaft mit eigenem Wein
Die Genossenschaftskellerei Heilbronn ist mit 1420 Hektar (ha) die größte deutsche Genossenschaft mit eigenem Wein. Die Fläche hat sich seit dem Jahr 2007 zunächst mehr als verdoppelt, sie schrumpft aber derzeit wie fast überall, 2025 um 80 ha. Durch Fusionen kamen in den Vorjahren hinzu: Neckarsulm-Gundelsheim (35 ha), Flein-Talheim (300), Lehrensteinsfeld (120), Unterheinriet (60), Unteres Jagsttal (13), Grantschen (122) und einzelne Wengerter, die ihre Trauben zuvor anderswo ablieferten oder eigenen Wein machten. Die Zahl der Mitglieder liegt bei 1260, sie stammen aus Landkreisgemeinden zwischen Abstatt und Gundelsheim.