Zeitungsausträger im Interview: „Mein Arbeitstag beginnt um 3 Uhr morgens“
Egal ob Glatteis, Starkregen oder körperliche Schmerzen: Noch nie hat Lothar Stotz, der die Heilbronner Stimme austrägt, seinen Job abgebrochen. Was er den Abonnenten gerne sagen würde.

Hausen an der Zaber, 3 Uhr morgens: Während der Rest des kleinen 2.000-Einwohner-Örtchens noch tief und fest schlummert, startet Lothar Stotz in den Tag. Das frühe Aufstehen und die Dunkelheit machen dem 71-Jährigen inzwischen keine Probleme mehr. Nach acht Jahren in dem Job ist die Strecke der kommenden zwei bis drei Stunden für ihn Routine – jeden Schritt, jeden Handgriff hat er schon unzählige Male wiederholt. Bis um sechs Uhr wird er 120 Haushalte beliefert haben. Egal ob Glatteis, Starkregen oder körperliche Schmerzen: Abgebrochen hat Stotz noch nie.
Zeitungsaustragen im Morgengrauen: So beginnt Lothar Stotz jeden Arbeitstag in Hausen
Welche Strecke legen Sie täglich zurück?
Lothar Stotz: Insgesamt sind es etwa zehn Kilometer. Mein Gebiet ist in der vorgegebenen Zeit zu Fuß nicht zu schaffen, weshalb ich grundsätzlich mit dem Auto unterwegs bin. Sechstausend Schritte kommen aber durch die Wege, die ich zu Fuß zurücklege, trotzdem täglich zusammen. Ich hatte dieses Jahr im Mai eine OP, weil ich mehr als ein Jahr lang nicht richtig laufen konnte. Trotzdem habe ich auch in dieser Zeit unter Schmerzen ausgetragen. Seit der OP fühle ich mich wie neugeboren – es geht mir wieder sehr gut.
Der Winter steht bevor. Mit welchen Witterungsbedingungen haben Sie in der kalten Jahreszeit zu kämpfen?
Stotz: In der Vergangenheit hatten wir im Januar und Februar Glatteisregen. Überall, auf dem Gehweg und auf der Straße, gab es Blitzeis. Das war ein echtes Erlebnis. Alle haben sich nur noch rutschend fortbewegt. Das war echt heftig, muss ich sagen. Aber ich habe zugestellt und es ist zum Glück alles gut gegangen. Manchmal hat es auch schon geschüttet wie sonst was – da ist man dann nass bis auf die Unterwäsche. Das sind leider keine einmaligen Sachen.
Hatten oder haben Sie auch manchmal Angst wenn Sie alleine in der Dunkelheit unterwegs sind?
Stotz: Nein. Überhaupt nicht. Hier in Hausen gibt es keine Kneipe oder Diskothek, die um diese Zeit noch geöffnet wäre. Hier ist nachts nichts los. In Heilbronn kann ich mir vorstellen, dass es dort anders zugeht. Ich bin froh, dass ich dort nicht austrage.
Allein unterwegs im Dunkeln – Angst hat Stotz trotzdem keine
Glauben Sie, dass Frauen sich in dem Job unsicherer fühlen?
Stotz: Ich glaube, dass man sich auch als Frau sicher fühlen kann – Heilbronn mal außen vor genommen. Wenn alle Stricke reißen, kann man sich ja ein Pfefferspray einstecken, das hilft auf alle Fälle, um sich zu beruhigen.
Fällt Ihnen beim Auftragen manchmal etwas Besonderes auf, was andere bei Tageslicht nicht sehen würden?
Stotz: Ich kenne inzwischen alle Katzen im Ort. Wenn eine von ihnen unterwegs sehe, weiß ich genau, zu welchem Haus sie gehört. Das ist aber das einzige Aufregende.
Was schätzen Sie an Ihrem Job?
Stotz: Es macht Spaß, man kommt raus– und man hat vor allem viel Bewegung. Ohne die Arbeit würde ich mit der Katze auf dem Schoß zu Hause sitzen. Der weiteste Weg wäre dann wohl der die Treppe herunter zum Mülleimer. In der Zeit, als ich nicht richtig gehen konnte, habe ich gemerkt, dass man förmlich einrostet – und das ist für die Gesundheit nicht gut. Was Erkältungen angeht, kann ich mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ernsthaft krank gewesen bin. Man ist wirklich abgehärtet. Was ich außerdem sehr schätze, ist die Ruhe. Man trifft niemanden, es fahren vielleicht zwei Autos vorbei. Das Schöne ist außerdem, dass mir nach dem Morgenschlaf der ganze Tag zur Verfügung steht. Und das hat auch was. Gut, man ist halt frühzeitig im Bett, aber daran gewöhnt man sich.
Schlafrhythmus und Routinen: So strukturiert der Zeitungsbote seinen Alltag
Wie viele Stunden Schlaf bekommen Sie?
Stotz: Ich versuche, mindestens sieben Stunden Schlaf zu bekommen. Daher gehe ich zwischen 19 Uhr und 19.30 Uhr ins Bett. Bis ich einschlafe, braucht es aber immer eine Weile, das funktioniert um die Uhrzeit nicht. Im Urlaub behalte ich meinen Rhythmus bei.
Kennen Sie die Abonnenten?
Stotz: Obwohl ich seit zehn Jahren hier wohne, kenne ich in Hausen keinen Menschen. Mir ist klar, dass mich fast alle kennen. Vermutlich haben manche am Anfang aus dem Fenster geguckt, als da mitten in der Nacht ein Auto stand. Also, die werden schon wissen, wer ich bin. Das ist in Ordnung. Aber ich bin einer, der lieber die Ruhe haben möchte. Das liegt vielleicht am Alter.
Also gibt es keine Art von Kommunikation zwischen Ihnen?
Stotz: Doch, teilweise über Zettel oder Briefe. Eine ganz liebe Abonnentin steckt mir ab und zu mal einen 20-Euro-Schein als Urlaubsgeld mitten im Jahr zu. Das ist immer so ein kleines Highlight. Da freut man sich drüber, wenn unerwartet ein Zettel oder Briefumschlag an der Türe liegt mit der Aufschrift „Für Sie Herr Stotz“. Das tut gut. Es ist schön, wenn man weiß, da ist jemand, der meine Arbeit zu schätzen weiß.
Dankbarkeit und Verständnis: Was er den Leserinnen und Lesern sagen möchte
Was würden Sie den Abonnenten gerne sagen?
Stotz: Ich bitte eigentlich immer um Verständnis, wenn die Zeitung mal zu spät kommt oder später als normal. Manchmal kommt es vor, dass ein Zeitungszusteller kurzfristig ausgefallen ist. Ich bin immer bemüht und ich glaube, das sehen die Leute auch.
Haben Sie in Ihrem Berufsleben schon immer Tätigkeiten bevorzugt, bei denen Sie Ihre Ruhe hatten?
Stotz: Ich war 15 Jahre lang als Filial-Leiter im Verkauf tätig – und da stand ich natürlich ständig in Kontakt mit Kunden. Also nein.
Hören Sie dann während dem Austragen Musik oder genießen Sie einfach die Stille?
Stotz: Sie werden lachen. Ich mache das ohne Kopfhörer, ohne Musik. Nur im Auto ist die Musik an.
Konzentrieren Sie sich sich also ganz aufs Austragen?
Stotz: Es läuft – und das wird mir jeder Stammzusteller oder Vollzeitzusteller bestätigen können – im Endeffekt alles vollautomatisch.
Wie lange haben Sie noch vor, den Job zu machen?
Stotz: Ich sage immer: Solange es geht. Bis ans Grab aber bestimmt nicht. Da meine Rente nicht so hoch ist, müsste ich es eigentlich bis zum Ende machen. Aber wie gesagt, mal sehen. Ab Dezember übernehme ich das dritte Gebiet in Hausen - zumindest vorläufig. Da kommen dann nochmal fünf Kilometer Strecke dazu.
Was machen Sie immer, wenn Sie fertig sind mit Austragen?
Stotz: Zuhause gibt es erstmal noch einen Kaffee oder Tee, dann wird Zeitung gelesen. Dann schaue ich im Fernsehen das Morgenmagazin. Irgendwann nach 6 Uhr lege ich mich nochmal für ein bis zwei Stunden hin. Ich habe einen Kater namens Rocky – ein echter Schreihals – zu Hause, der sich natürlich auch irgendwann mal meldet und sagt: Hallo, ich bin da, ich habe Hunger. Wir sind ein Junggesellenhaushalt, der gut zurecht kommt. Der Haushalt muss natürlich auch gemacht werden. Ein unaufgeregtes Leben.
Zur Person: Lothar Stotz (71) aus Hausen
Lothar Stotz wurde 1954 in Norddeutschland geboren und wuchs bis zu seinem 17. Lebensjahr in Husum (Schleswig-Holstein) auf. Später verschlug es ihn über die Bundeswehr zunächst ins Saarland, danach nach Baden-Württemberg. Er war länger verheiratet und lebt inzwischen geschieden. Seit acht Jahren arbeitet er als Zeitungsausträger bei der Heilbronner Stimme, davor war er hier Gebietskoordinator. Seit fünf Jahren trägt er in zwei Verteilungsgebieten in Hausen aus, wo er auch wohnt.
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