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Jung, erschöpft, überlastet: Generation Z kämpft mit Burn-out und Zukunftsangst

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Junge Arbeitnehmer sind von psychischen Belastungen besonders betroffen. Warum das so ist und wieso das nichts mit mangelnder Belastbarkeit zu tun hat, erklärt eine Expertin von der Hochschule Heilbronn. 


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Faul, unmotiviert und trotzdem ständig krank. So lauten überspitzt Vorwürfe, die oft gegen die junge Generation, beziehungsweise die unter 30-Jährigen, gerichtet werden. Sie wollten nichts mehr leisten, dächten nur an Work-Life-Balance und seien trotzdem überlastet.

Doch so einfach ist es nicht: Insbesondere die vermeintlich mangelnde Leistungsbereitschaft der jüngeren Arbeitnehmer wurde bereits in zahlreichen Untersuchungen widerlegt. Laut DAK-Gesundheitsreport 2025 gaben 37 Prozent der 18- bis 24-Jährigen an, in den Wochen vor der Befragung depressive Symptome gehabt zu haben. Experten sehen das als besorgniserregende Entwicklung, der Studienmitherausgeber Volker Nürnberg bezeichnete Burn-out sogar als „Pandemie der Jüngeren“.

Generation Z: Steigende Anforderungen führen zu Gefühl von Überforderung

„So ganz würde ich das nicht unterschreiben“, sagt Sabine Scholl. „Gerade bei den Jüngeren und generell in unserer Gesellschaft haben wir das Problem, dass gerade ganz viel im Aufbruch ist.“ Die schnelle Veränderung durch Digitalisierung und damit verbundene steigende Anforderungen würden dazu beitragen, dass sich bei jungen Menschen ein Gefühl von Überforderung einstelle. „Wir haben natürlich auch aufgrund des demografischen Wandels das Problem, dass immer weniger Arbeitskräfte nachkommen“, sagt Scholl weiter. Dadurch würde die immer höhere Belastung auf immer weniger Schultern verteilt, Arbeitsbelastung und Stress würden zunehmen.

Sabine Scholl von der Hochschule Heilbronn erklärt, woher das Gefühl von Überforderung bei der jungen Generation kommt.
Sabine Scholl von der Hochschule Heilbronn erklärt, woher das Gefühl von Überforderung bei der jungen Generation kommt.  Foto: Seidel, Ralf

Das kann auch zu Angst vor der Arbeit führen, beispielsweise dem sogenannten „Sunday Blues“, der eine lähmende Angst vor der kommenden Arbeitswoche beschreibt. Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung Pwc Österreich leidet darunter fast die Hälfte der Generation Z im Nachbarland. 42 Prozent der Befragten fühlen sich ausgebrannt.

Professorin der HHN: Auf hohe Belastung folgen negative Dinge wie Burn-out

„Wir haben in der Psychologie die Idee, dass es auf der einen Seite Arbeitsanforderungen gibt und auf der anderen Seite Arbeitsressourcen“, sagt Sabine Scholl, Professorin für Sozialpsychologie an der Hochschule Heilbronn am Standort Künzelsau. „Die Arbeitsanforderungen können emotional, körperlich oder kognitiv sein – dann muss man sich aber anschauen, was man den jungen Leuten für Ressourcen zur Verfügung stellt, um die Anforderungen möglichst gut abzufangen.“ Nur wenn die Anforderungen und die bereitgestellten Ressourcen ausgewogen seien, hätte man produktiv arbeitende Personen, „die das auch gerne machen, motiviert und kreativ sind“. Sobald die Belastung zu hoch sei, folgten negative Dinge wie Burn-out.

Hier hätten Organisationen und insbesondere Führungskräfte eine besondere Verantwortung. Es gehe darum, Mitarbeiter zu schulen, aber auch genau darauf zu achten, ob Mitarbeitende Überlastungsreaktionen zeigten – und gegebenenfalls darauf zu reagieren.

Mentale Gesundheit hat höheren Stellenwert - Junge Generation ist aber nicht weniger belastbar

Die Generation Z misst mentaler Gesundheit größere Bedeutung bei als noch frühere Generationen, vollkommen enttabuisiert sei das Thema allerdings noch nicht, meint Scholl. „Wir sind auf dem Weg dorthin. Ich bin mehr bereit das zu sagen oder lasse mich deswegen krankschreiben, aber es ist nach wie vor häufig ein Makel.“ Man beobachte einen Wandel hin zu einer Fehlerkultur, in der man zugeben könne, etwas nicht geschafft zu haben oder etwas falsch gemacht zu haben. „Und wenn ich so eine Kultur fördere, ist es viel einfacher zu sagen, dass es mir nicht gut geht oder ich Unterstützung brauche.“

Sabine Scholl ist Professorin für Sozialpsychologie an der Hochschule Heilbronn am Standort Künzelsau. Sie lehrt in den Studiengängen „Betriebswirtschaft und Sozialmanagement“ und ab dem kommenden Wintersemester in „Management und angewandte Psychologie im Sozialwesen“. Die Schwerpunkte der promovierten Psychologin liegen unter anderem auf mentaler Verwundbarkeit, Entscheidungsfindung und Zeitmanagement. 

Die Generation Z will nicht nur enttabuisieren, sie holt sich bei psychischen Be- oder Überlastungen auch schneller Hilfe. Aber warum brauchen sie die überhaupt? Ist sie schlicht verweichlicht? „Ich glaube nicht, dass die Jungen weniger belastbar sind als die Älteren“, stellt Sabine Scholl klar und betont nochmals, dass die Rahmenbedingungen sich immens verändert hätten. Junge Menschen seien durch ständige Erreichbarkeit, die Gleichzeitigkeit von vielen Krisen wie Kriegen und dem Klimawandel belastet, außerdem sorgten sie finanzielle Unsicherheit und die Perspektiven für die Zukunft. Auch der ständige Vergleich durch sozialen Medien und der Druck, vermeintlich immer besser sein zu müssen, spielten eine Rolle.

Frauen sind eher von psychischen Erkrankungen betroffen als Männer

Bei Frauen sind psychische Erkrankungen laut des DAK-Gesundheitsberichts mittlerweile der häufigste Grund sich krankschreiben zu lassen. Ursachen können die mentale Doppelbelastung von Job und Care-Arbeit sein, strukturelle Benachteiligung und Diskriminierung am Arbeitsplatz sowie höhere Selbstkritik und Perfektionismus.Für Arbeitgeber sei zentral: „Es braucht Konzepte, wie man die Leute, die wegen einer psychischen Erkrankung ausgefallen sind, wieder an Bord holt.“ Hier gebe es in Deutschland noch Aufholbedarf. Im anglo-amerikanischen Raum gebe es häufig Psychotherapeuten in großen Firmen – so sei der Zugang viel niederschwelliger. In Deutschland sei das bislang noch eine Seltenheit. 

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