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Friedensbewegung hält trotz Putin und Trump am Pazifismus fest

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Alle reden von Aufrüstung. Um die Friedensbewegung ist es ruhig geworden. In ihrer einstigen Hochburg Heilbronn halten einige Urgesteine die Fahnen des Pazifismus fest, manche zweifeln -oder verzweifeln gar.

Die Friedensbewegung war in den 1980er Jahren breit aufgestellt, vor allem nach dem Waldheide-Unglück von 1985 marschierte auch die bürgerliche Mitte mit.
Die Friedensbewegung war in den 1980er Jahren breit aufgestellt, vor allem nach dem Waldheide-Unglück von 1985 marschierte auch die bürgerliche Mitte mit.  Foto: Eisenmenger, Hermann

Der Traum von Frieden und Verständigung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs scheint ausgeträumt. Mittlerweile liefern sich Putin und der durch Trump gespaltene Westen ein neues Wettrüsten. Selbst die Grünen sind dafür. Relativ ruhig geworden ist es derweil um die Friedensbewegung, die in den 1980er Jahren wegen der Atomraketen auf der Waldheide ihre Hochzeit erlebte.

„Frieden schaffen ohne Waffen bleibt unser Ziel“,  betont Alfred Huber, „auch wenn es utopisch klingen mag, arbeiten wir im Friedensrat mit einem harten Kern von 20 Leuten weiter daran“, etwa mit internen Treffen, Führungen auf der Waldheide, Info-Ständen und Kundgebungen bis hin zum Ostermarsch in Stuttgart, aber auch mit Veranstaltungen, wie etwa vor der Wahl mit Bundestagskandidaten. „Da kamen 130 Leute. Das zeigt, wie sehr die Menschen das alles beschäftigt.“ Für Huber ist klar: Der Weg zum Frieden führe nicht über Aufrüstung, sondern nur über Verhandlungen. Und da passiere mehr, als es öffentlich wahrgenommen werde, nicht nur wegen Trump. „Natürlich ist das ein unmöglicher Mensch, aber wenn der das hinkriegt, sollten wir uns nicht querstellen.“ Die Ukraine opfern? Wie die Bedingungen im Detail aussehen könnten, darüber will Huber nicht spekulieren.  

„Die weltpolitische Lage verunsichert mich sehr. Und Trump gibt mir den Rest.“  

Es gebe auch Mitglieder der Friedensbewegung, die vom reinen Pazifismus abgekommen sind, weiß Huber, nicht erst seit Putins Angriffskrieg oder Trumps Abkehr von der Ukraine. „Das ging schon beim Kosovo-Krieg in den 1990er Jahren los.“ Manche zweifelten oder „verzweifelten gar“. So zum Beispiel eine  78-Jährige, die aus persönlichen Gründen - „meine Familie hatte eine heftige Kriegsgeschichte“ - ihren Namen nicht öffentlich nennen will. „Die weltpolitische Lage verunsichert mich sehr, aber auch die Haltung der Grünen. Und Trump gibt mir den Rest.“  

Grünen-Urgestein: Mit Partnerschaften Brücken und Vertrauen schaffen

Auch wenn die Meinungen darüber auseinandergehen, ist Wolf Theilacker, ein Urgestein der Unterländer Friedensbewegung, felsenfest davon überzeugt, dass in den 1980er Jahren nicht Auf-, sondern allein Abrüstung zum Ende des Kalten Krieges geführt und für Sicherheit und Vertrauen zwischen Ost und West gesorgt habe. Dazu habe die Friedensbewegungen beigetragen, auch auf der Waldheide.  „Die aktuelle Aufrüstung ist ein Unglück für kommende Generationen, die unter der Schuldenlast zu leiden haben“, ganz zu schweigen von der Ukraine, „die jetzt schon ausgeblutet ist“. Mit Blick auf die Ausweitung der Nato meint Theilacker: „Man muss den Russen eingestehen, dass sie sich gegen gegnerische Waffen direkt an der eigenen Grenze wehren“, so wie das im Übrigen Kennedy bei der Kuba-Krise in den 1960ern mit einem Atomraketen-Droh-Szenario getan habe.  „Aber das bringt alles nichts“, betont der ehemalige Grünen-Stadtrat, „wie müssen vielmehr mit Partnerschaften Brücken bauen und Vertrauen schaffen“.   

Als es noch die Wehrpflicht gab, hätten sich junge Leute mehr Gedanken gemacht

Aufrüstung führe nicht zum Ausgleich, sondern zur Bedrohung und Konfrontation, betont Ingrid Häcker-Albrecht, und das mache ihr „richtig Angst. Ich sehe für unsere Kinder und Enkel keine gute Zukunft“, sagt die pensionierte Lehrerin und Mutter dreier Söhne, die sie „unter Schmerzen auf die Welt gebracht, unterstützt, geliebt, erzogen“ habe, so wie dies auch ukrainische und russische Mütter taten.  Aus einer „feministischen Position“ fragt sie, „soll das alles umsonst gewesen sein?“ und bedauert gleichzeitig, „dass nicht mehr Frauen auf die Barrikaden gehen“.

Sie sei zwar nicht für eine Wehrpflicht, stelle aber fest: „Als es die noch gab, haben sich die jungen Menschen mehr Gedanken gemacht.“  Umgekehrt sehe sie heute in der Betreuung von Kindern aus Kriegsgebieten, „wie traumatisiert die sind, gerade wenn der Vater Soldat war“. „Traurig, dass man nun auf Trump hoffen muss, dessen Verhalten ich sonst gar nicht gut finde“, wobei er natürlich vor allem wirtschaftliche und Macht-Interessen verfolge. Ganz ausgeblendet werde derzeit, dass Krieg, gerade im Umfeld von Atomkraftwerken, Umweltkatastrophen auslösen könnten, sagt Häcker-Albrecht, die inzwischen bei den Grünen ausgetreten ist.

Dekan Baisch: Humanitären und ökologischen Preis der Militarisierung bedenken

„Frieden schaffen ohne Waffen: Dieses, von der christlichen Friedensethik abgeleitete Ziel, sollten wir trotz allem nicht aufgeben und weiter nach Wegen suchen, wie der Friede gewaltfrei gestaltet und abgesichert werden kann“, erklärt Christoph Baisch als evangelischer Dekan von Heilbronn. Gleichzeitig nehme er natürlich das „unglaubliche Blutvergießen in der Ukraine, diese menschliche und ethische Katastrophe in der Ukraine wahr“, die es notwendig machten, darüber nachzudenken, ob eine Aufrüstung als Abschreckung und zum Schutz des Lebens und der Freiheit notwendig sind. „Dabei muss man aber auch ehrlich benennen, welchen humanitären und ökologischen Preis die militärische Option abverlangt“, betont Baisch.  Deshalb dürfe man gerade jetzt nicht nachlassen, gewaltfreie Alternativen zu suchen und zu erforschen.  

Mahnwache des Friedensrats auf dem Heilbronner Kiliansplatz

Am Montag, 17. März, 17 bis 18 Uhr, lädt der Heilbronner Friedensrat vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der aktuellen Aufrüstungsdebatte zu einer Mahnwache auf dem Kiliansplatz.

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Kommentare

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Jochen Gottlieb am 16.03.2025 10:17 Uhr

Hallo, es wäre sehr gut, wenn zu der Friedensveranstaltung auch ukrainische Menschen kämen, die direkt unter dem fürchterlichen russischen bzw. jetzt russisch-amerikanischen Krieg leiden. Deren Stimme muß zu allererst gehört werden. Haben Sie dazu eingeladen? Danke.

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