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Psychische und körperliche Gewalt
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Frau aus Ilsfeld berichtet über toxische Beziehung. „Es war die Hölle“

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Eine Partnerschaft, die nicht funktioniert, ist nicht gleich toxisch. Wenn sie von seelischer Grausamkeit und körperlicher Gewalt geprägt ist, dann trifft die Beschreibung aber zu. Eine Frau aus Ilsfeld erzählt, wie sie sich aus der Ehe-Hölle befreit hat.


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Sie lernen sich kennen, es funkt. Nicht lange und er zieht bei ihr ein. „Er ist ein Typ Mann, der Frauen anzieht.“ Sportlich, gut gekleidet, attraktiv, „total nett“, blickt die Ilsfelderin zurück. Sie ist zu der Zeit ein richtiges Mauerblümchen, schüchtern, erzählt die 39-Jährige.

Er führt sie aus, sie besuchen Musicals, gehen schön essen. Das seien alles Dinge gewesen, die sie so nicht kannte. Das Paar heiratet. Die Hochzeit vor mehr als zehn Jahren markiert einen Wendepunkt. Der tolle Typ entpuppt sich als Narzisst. Die Frau gerät in eine toxische Beziehung. Sie erlebt psychische Gewalt, Schläge und Tritte. „Es war die Hölle.“ 

39-jährige Ilsfelderin möchte nicht nur Opfer sein, sondern auf den Tisch hauen

Die Frau braucht Jahre, um sich von ihrem Mann zu lösen. Sie erzähle ihre Geschichte, um anderen Frauen, aber auch Männern, die Ähnliches erleben, Mut zuzusprechen. Es sei schwer, eine gewalttätige Ehe oder Partnerschaft zu beenden. Ihre Botschaft: „Man kann es schaffen.“

Sie möchte nicht nur Opfer sein, sagt sie. „Ich möchte auf den Tisch hauen.“ Sich zu trennen und die Scheidung einzureichen, ist bei ihr das Ergebnis eines langen Prozesses. Kräftezehrend und schmerzvoll. Heute wirkt die 39-Jährige stark, redegewandt, reflektiert, selbstbewusst. Aus der toxischen Beziehung auszubrechen, ist harte Arbeit. „Das Leben ist es wert, ich bin es mir wert.“

Impulsvortrag

„Warum trennen Sie sich nicht einfach?“ So lautet der Titel eines Vortrags mit Diskussion am Donnerstag, 27. November, von 17 bis 19 Uhr im Gewerkschaftshaus in Heilbronn, Gartenstraße 64. Referentin ist Andrea Beck vom Verein Tobe – „Toxische Beziehungen überwinden“. Betroffene und Interessierte erhalten Infos zu Dynamiken von Gewalt und Missbrauch. Anmeldung unter heilbronn@profamilia.de. Veranstalter ist Pro Familia und der Verein Frauen helfen Frauen. Kontakt zu Betroffenen gibt es unter selbsthilfegruppe_nordheim@yahoo.com bei Christine Höhne, 0152 24024965. 

Rückblick: In der Kennenlernphase steht er plötzlich mit Sack und Pack vor ihrer Tür. Verliebt wie sie ist, lässt die Ilsfelderin ihn bei sich einziehen. Heute sagt sie: Er habe sein Gebiet sicherstellen wollen. Wer 24/7 da ist, kann andere leichter manipulieren. Es beginnt mit seelischen Misshandlungen. So bezeichnet er sie etwa als Sozialschmarotzerin, weil sie als Mutter in Elternzeit ist und Elterngeld erhält. Bei Freunden lästert er über sie. „Obwohl ich daneben stand.“ Bei seinen Eltern macht er sie psychisch nieder. Schmeckt ihm das Essen nicht, schiebt er den Teller weg. Gibt es Streit, gibt er ihr die Schuld. Die verbalen Beleidigungen nehmen extreme Formen an. 

Toxische Beziehung: Betroffene aus Ilsfeld erlebt ihren Mann mal charmant, mal aggressiv

Sie tut alles, um ihn bei Laune zu halten. „Ich ging in die Vermeidung“, erklärt sie. Kommt er nach Hause, checkt sie seine Stimmung: Wie ist er drauf? Wie ist seine Laune? Dabei ist er unberechenbar. In einem Moment sei er gut gelaunt und im nächsten völlig aggressiv gewesen. „Klar waren Alarmglocken da“, sagt die Ilsfelderin. „Ich dachte, das ist nicht richtig.“ Auf der anderen Seite erlebt sie ihn als einen großen Charmeur, sagt sie. Er wickelt sie um den Finger. Er sorgt für romantische Momente, lässt ihr ein Bad ein und stellt Kerzen auf. Er bringt ihr Blumen mit. Er geht mit ihr shoppen. Sie steht in der Umkleide, während er ihr von außen die Kleidung herein reicht, erzählt sie. Er sucht ihr Parfüms aus: „Probier’ den Duft mal“, habe er gesagt. Er fordert sie, mehr aus sich herauszugehen. Sie verändert sich optisch und bekommt von ihrem Umfeld Komplimente dafür.

Betroffene aus Ilsfeld: Der erste Schlag bleibt kein einmaliger Ausrutscher

Sein Verhalten verfängt bei ihr. Vielleicht auch deshalb, weil sie es von Kindheit an kennt. „Ich musste mir Liebe immer erkämpfen.“ Sie übernimmt für alles die Verantwortung – für die Kinder, für den Haushalt. Sie arbeitet Vollzeit und organisiert seinen Alltag. „Ich habe ein Feingefühl für sein Leben entwickelt.“ Je mehr sie sich um ihn bemüht, umso mehr verschiebt er die Grenzen. Auf die verbalen Entgleisungen und das systematische Runterputzen folgt körperliche Gewalt. „Ich fühlte mich wie in einem Psycho-Film mit mir als Hauptdarstellerin.“

Ihre kleine Tochter fängt an, nachts wieder ins Bett zu machen, berichtet die Ilsfelderin. Ihr Mann habe die Nase des Kindes wie bei einem Hund in das feuchte Laken gedrückt. Als sie dazwischengeht, stößt er sie zur Seite. Hinterher habe er sich entschuldigt – wie jedes Mal. „Je öfter ich ihm verziehen habe, umso stärker ist er eskaliert.“ Die Familie zieht mehrmals innerhalb der Region um. Eines Morgens bittet sie ihn, die Kinder in den Kindergarten zu bringen. Er schlägt ihr daraufhin wie aus dem Nichts gegen den Kopf. Es bleibt kein Ausrutscher. Die Frau stellt fest, dass er sich bei einer Singlebörse angemeldet hat, und spricht ihn darauf an. „Er hat mich in die Rippen getreten.“


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Betroffene aus Ilsfeld zieht Anzeige bei der Polizei wieder zurück

Die Frau bricht zusammen. Sie bekommt Panikattacken, ihr Körper rebelliert, sie kommt ins Krankenhaus. Trotzdem bleibt sie bei ihm. „Ich war abhängig von ihm. Und er sagt, er ändert sich.“ Das tut er aber nicht. Die Gewalt und der psychische Druck laugen die Ilsfelderin aus. Sie schämt sich. Ein Mal geht sie zur Polizei, zieht die Anzeige aber am nächsten Tag wieder zurück. Ihre beste Freundin und ihre Schwester bekommen mit, wie es um die Ehe steht. „Du musst dich trennen“, sagen sie. Doch die Ilsfelderin meint, sie könne ihn retten, heilen. „Ich glaubte an ihn und unsere Beziehung.“ Es dauert, bis sie erkennt: Dass er genau das ist, was er ihr zeigt. Das habe sie vorher nicht wahrhaben wollen.

Sie macht eine Therapie, wird rebellischer, fängt an, Grenzen zu setzen, beschreibt sie ihre Entwicklung. Sie bereitet die Trennung vor. Sie sichert sich finanziell ab, packt eine Notfalltasche, mietet ein Haus für sich und die Kinder. „Ich werde mich trennen“, sagt sie, „ich möchte, dass du gehst.“ Er geht. Eine Zeit lang stalkt er sie, beobachtet ihr Haus. Er versucht, sie wieder für sich zu gewinnen. Sie sagt Nein. „Heute kann ich mich abgrenzen.“ Die Wunden aber bleiben, sagt sie. „Es braucht Jahre, bis sie heilen.“

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