Die Obere Burg, auch bekannt als das Talheimer Judenschloss, wurde im 12. und 13. Jahrhundert von den Herren von Talheim erbaut. Das Baujahr des Turms ist nicht überliefert. Die Anlage war zunächst Eigenbesitz, später gab es verschiedene Besitzer, Lehensherren und Ganerben. Der östliche Teil war hessisch, der westliche württembergisch mit „Schneck“ und Wärterhäuschen. 1607 ist das Adelsgeschlecht ausgestorben, von 1813 bis 1833 gingen Teile der Burg in Privatbesitz über. 1778 pachteten vier jüdische Familien aus Horkheim den westlichen Teil, weitere kamen hinzu. Im Burghof stand bis 1952 die Synagaoge.
Drei Lkw-Ladungen Mörtel für den Talheimer „Schneck“
Der Turm der Oberen Burg von Talheim wird seit Juli saniert. Für das 291.300 Euro-Projekt gibt es rund 80.000 Euro Fördermittel.

Es ist eine Auszeichnung, wenn man so etwas erhalten darf. Das steht seit Generationen“, sagt Peer Anderson. Der Steinmetzmeister und Inhaber der Firma Peer Mühle in Bietigheim-Bissingen hat 2018 schon das Neue Schloss in Talheim saniert. Seit Mitte Juli arbeitet er mit seinem Team am Turm der Oberen Burg, im Volksmund „Schneck“ genannt.
„Wir bleiben im Kostenrahmen, das kann ich heute schon sagen“, erklärt Peer Anderson für sein Gewerk, die Natursteinarbeiten. Auch der Zeitplan werde eingehalten. „In drei Wochen sind wir fertig. Es braucht nur noch etwas Kosmetik.“
Zuletzt wurde die Turmfassade 1998 saniert. „2021 wurden Frostschäden an der Turmabdeckung und der Fassade festgestellt und provisorisch gesichert“, blickt Bauamtsleiterin Carolin Fischer zurück. Beim Anfertigen von Luftbildern für die Gemeinde Talheim habe es dann „einen Zufallsbefund“ gegeben, ergänzt Bürgermeister Rainer Gräßle: „An der Mauerkrone hatten sich Steine gelöst und waren zum Teil nach unten gefallen.“ Nach einer Befliegung im Auftrag des Landesdenkmalamts sei ein Schadensbild erstellt worden. „Es gab auch etliche Schäden im Gemäuer“, so Gräßle.
Der Turm der Talheimer Burg ist nahezu komplett verfugt
Inzwischen ist all das beseitigt. „Wir haben drei Lkw-Ladungen an Mörtel verarbeitet“, erzählt Peer Anderson. „Der Turm ist nahezu komplett verfugt.“ Die Brüstung war bis zum Sandsteingesims heruntergebrochen. „Wir haben sie aufgemauert.“ Die richtige Mörtelfarbe hinzubekommen, sei nicht ganz einfach gewesen. „Da habe ich ziemlich experimentieren müssen – mit rotem, grauen und gelben Sand“, beschreibt Anderson, wie viel Fachkenntnis es braucht, um Alt und Neu in Einklang zu bringen.
Für „statisch verwegen“ hält er es, dass der Turm der im 12. und 13. Jahrhundert erbauten Burg aus Tuff gemauert wurde statt wie der Rest des Gebäudes aus Muschelkalk. „Wahrscheinlich weil Tuff leichter ist“, versucht er sich in die damaligen Planer hineinzuversetzen. Die innen gelegene Treppe dagegen sei tragend und vermutlich „als Rückgrat des Turms“ gedacht. „Aber das ist nur eine Theorie von mir“, gesteht Anderson.
Die Königsdisziplin der Steinmetze
Auf eine Arbeit weiter unten am „Schneck“ ist der Steinmetz besonders stolz. Eine Hälfte des Türbogens wurde herausgeschlagen und durch einen neuen aus dem Maulbronner Natursteinwerk ersetzt. Alles reine Handarbeit. „Da war mein Mitarbeiter zwei Wochen beschäftigt“, sagt Anderson und zeigt auf den perfekt eingepassten Krümmling – den gebogenen Übergang: „Das ist die Königsdisziplin der Steinmetze.“ Auch die Holztür wird noch restauriert, darum kümmert sich Gerrit Schlörer aus Stuttgart.
„Ziel ist der Erhalt der historischen Bausubstanz und des überlieferten Erscheinungsbilds. Das heißt nicht, dass danach alles wie neu aussieht, sondern der historische Bestand so weit gesichert wird, dass der Turm der Witterung trotzen kann“, betont Architekt Max Wanner vom Stuttgarter Architekturbüro Strebewerk.
291.300 Euro kosten die Sanierungsarbeiten. Das Ausschreibungsergebnis lag deutlich unter der ersten Kostenberechnung, freut sich Rainer Gräßle. Vom Landesamt für Denkmalpflege gibt es 39.800 Euro Zuschuss. Außerdem 40.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. „Die Gemeinde hat noch 211.500 Euro zu tragen“, so Gräßle. Peer Anderson hat aber bereits den nächsten Schwachpunkt ausgemacht: „Im Wehrgang ist die Deckenkonstruktion eingebrochen.“ Eine Sanierung wäre zu teuer, aber der Wehrgang muss statisch gesichert werden. „Es wird darauf hinauslaufen, dass er verschlossen wird“, bedauert der Experte. Denn er sei so gebaut, dass die Mauer innen begehbar ist – „eine technische Besonderheit“. Anderson rechnet mit Zusatzkosten von 30.000 Euro.

